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WIEN/ Volksoper: CABARET. Musical von John Kander und Fred Ebb. Premiere

15.09.2019 | Operette/Musical

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CABARET – Premiere Volksoper am 14.9.2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Hört man „Cabaret“, denkt fast jeder sofort an den Film mit Liza Minnelli. Aber im Gegensatz zu einer Unsitte heutzutage im Sprechtheater hat man hier nicht einen Film auf die Bühne transferiert sondern das Bühnenstück war zuerst da. 1966 wurde das Musical von John Kander (Musik), Fredd Ebb (Songtexte) und John Masteroff (Libretto), das auf den „Berlin-Stories“ von Christopher Isherwood und dem Schauspiel „I Am a Camera“ von John Van Druten basiert, am Broadway uraufgeführt. Am 14. November 1970 kam es zur deutschsprachigen Erstaufführung im Theater an der Wien mit Violetta Ferrari, Lya Dulizkaya, Blanche Aubry und Klaus Wildbolz. 2007 wurde das Stück dann im Volkstheater gezeigt und 2010 gab es dann in den Kammerspielen noch eine Aufführung in der Fassung für kleines Orchester. Der Film wurde 1972 erstaufgeführt und erhielt acht Oscars unter anderem in den Kategorien „Beste Hauptdarstellerin“, „Beste Regie“ und „Bester Film“.

Das Stück spielt im Berlin der 1930er-Jahre, quasi am Vorabend der Machtergreifung der Nationalsozisalisten. Der junge amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw kommt nach Berlin, um dort einen Roman zu schreiben. Er kommt in der Pension des ältlichen Frl. Schneider unter. Durch einen Bekannten kommt er in den Kit-Kat-Club, wo er die Sängerin Sally Bowles kennen lernt. Er verliebt sich in sie und die beiden werden ein Paar. Cliff fühlt sich in der vom NS-Terror immer stärker bestimmten Atmosphäre nicht wohl und möchte Berlin verlassen, Sally will jedoch bleiben. Als sie dann das gemeinsame Kind abtreibt, verläßt Cliff sie.

Die Musik des Werkes, von Ragtime und Jazz inspiriert, ist sehr schwungvoll und beinhaltet zahlreiche Songs, die so etwas wie Evergreens wurden, wie z.B. „Willkommen“, „Two Ladies“ oder „If you could see her through my eyes“.

Die Volksoper spielt das Stück in deutscher Sprache (Übersetzung: Robert Gilbert) und in einer erweiterten Fassung, d.h. es wurden auch Songs mit hineingenommen die im Original nicht enthalten waren, sondern für die Verfilmung hinzu komponiert wurden, wie z.B. „Money,money,money“. Leider läßt man auch dieses Mal wieder die Sänger verstärken, obwohl dies bei klassischen Musicals, und als solches ist „Cabaret“ durchaus noch anzusehen, eigentlich nicht vorgesehen und die unverfälschte menschliche Stimme gefragt ist. Diese Verstärkung führt dazu, daß man nur mehr einen musikalischen Einheitsklang hört, der jegliche Zwischentöne vermissen läßt. Wenn man das macht, weil die Sänger es anders nicht schaffen, so müßte man das Werk dann eben mit solchen Leuten besetzen, die es können. Oder es ist ein Tribut an die Jugend, die nur mehr Musicals in dieser Art gewohnt ist. Auch das wäre für mich keine befriedigende Begründung.

Die Inszenierung von Gil Mehmert entspricht durchaus den Libretto-Vorgaben – viel Abweichung lassen ja meist die Rechteinhaber beim Musical nicht zu – und bemüht sich schwungvoll zu sein, was aber leider nicht immer aufgeht. Das Bühnenbild von Heike Meixner ist praktikabel und recht hübsch, die Kostüme von Falk Bauer werkentsprechend. Die Choreographie von Melissa King hätte über manche Strecken etwas origineller sein können.

Das Orchester unter der Leitung von Lorenz C. Aichner klang auch sehr laut und ließ eine gewisse schwungvolle Leichtigkeit vermissen. Die Beurteilung der Sänger in stimmlicher Hinsicht ist angesichts der Verstärkung sehr schwierig, sodass ich mich auf den Gesamteindruck beschränken muss. Die zentrale Rolle der Sally Bowels war mit Bettina Mönch besetzt. Sie sang und spielte sich zwar die Seele aus dem Leib, vermochte aber trotzdem nicht zu überzeugen. Da blieb vieles beiläufig und berührte menschlich kaum. Ruth Brauer-Kvam, die in der oben erwähnten Kammerspielproduktion die Alternativbesetzung der Sally war, spielte – ja was eigentlich? Laut Programm  war sie der Conférencier, irrlichterte aber wie ein gespenstisches Wesen ständig auf der Bühne herum. In den tatsächlichen Passagen als Conférencier war sie kein Schwuler oder Transvestit, sondern nur eine als Mann verkleidete Frau. Die Rolle des Clifford Bradshaw ist eigentlich undankbar. Hausdebutant Jörn-Felix Alt bemühte sich zwar redlich um eine entsprechende Gestaltung, blieb aber trotzdem blaß. Direktor Robert Meyer bemühte sich als jüdischer Obsthändler Schultz zwar um berührende Zwischentöne, aber sein  expressives Temprament gewann – nicht nur in der Verlobungsszene, wo es angebracht war – immer wieder die Oberhand. Erst  in seiner letzten Szene fand er den richtigen Tonfall. Dagmar Hellberg versuchte zwar das Frl. Schneider als resche Berlinerin darzustellen, was nicht immer wirklich gelang. In der Szene, wo sie die Verlobung mit Schultz aufkündigt, vermochte sie leider überhaupt nicht zu berühren. Die von der Persönlichkeit her stärksten Leistungen boten für mich Johanna Arrouas als sehr präsentes Frl. Kost – sie wäre vielleicht die bessere Sally gewesen – und Peter Lesiak als auftrumpfender Nazi Ernst Ludwig.

Am Ende gab es den üblichen Premierejubel der Volksoper und die laute Begeisterung zahlreicher Teeenager unterstützt eine meiner Theorien in Hinblick auf die Verstärkung.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

 

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