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WIEN/ Volksoper – am Beispiel “ DIE DUBARRY“. Neue Direktion in der Wiener Volksoper: Von der Schwierigkeit den richtigen Nerv zu treffen

04.09.2022 | Operette/Musical

Neue Direktion in der Wiener Volksoper: Von der Schwierigkeit den richtigen Nerv zu treffen

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Ensemble . Copyright: Wiener Volksoper

Zuerst einmal ist der neuen Zufallsdirektorin in der Wiener Volksoper alles Gute für ihr Wiener Gastspiel (oder wird es, zum Wohle der Wiener, doch mehr werden?) zu wünschen. Lotte de Beer ist eine noch junge und fesche Regiedame, durchaus munter und locker, sehr ambitioniert und eloquent, welche ohne wirkliche Beziehung zu ihrem neuen Wirkungsfeld bestellt wurde. Die Österreichischen Bundestheater wie die zuständige Beamtenschaft haben sich in einer gewissen geistigen Hilflosigkeit für die Nachfolge des von ihnen nicht mehr gewünschten Ex-Chefs Robert Meyer zugerufen: Auch hier muss wohl eine Dame / Frau / Künstlerin her! Und lieber keine Österreicherin. Und somit folgen wir mit Zuneigung nun den großen oder kleineren Ideen der flotten wie sympathischen Regisseurin.

Die Hoffnung auf ein gesteigertes Image des Hauses mag nach dieser ersten Premiere gegeben sein. Selbst wenn die Einstudierung von Carl Millöckers „Die Dubarry“ durch den deutschen Regisseur, Schauspieler und Theaterchef in Nürnberg Jan Philip Gloger einen schon eher zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat. Die nicht gerade kurzweilige Show hat auf den wunden Punkt des so hoch beworbenen derzeitigen Kulturbetriebes in Wien hingedeutet: Auf so manche Probleme wegen eines abgekommenen Stilgefühles, auf eine schon sehr starke Unsicherheit im kreativen Denken. Das reicht von den dicht aneinander gereihten Neubauten im Leopoldstädter Nordbahnviertel, den Versiegelungen dort und anderswo, reicht über die schäbig angeschmierten Wände  der U-Bahn wie des Donaukanals oder die gerade aktuellen Inszenierungen im Akademietheater, der ‚Josefstadt‘ oder im durch die Jahre leer gefegtem Volkstheater.

„Die Dubarry“ des Wieners Carl Millöcker, 1879 in der aufblühenden Operettenzeit der Kaiserstadt komponiert, ist nie so ein großer Erfolg wie Millöckers etwas späterer genialer „Bettelstudent“ geworden. Der Name Millöcker scheint für die heutige heimische Jugend ein bereits vergessener zu sein. Musikalisch (beinahe) gleich auf mit dem achtzehn Jahre älteren Johann Strauss: Edle, sehr edle Walzermelodien, doch kein zündendes Libretto. Der Aufstieg der kleinen Putzmacherin zur Mätresse von Ludwig dem XV. zieht sich, zieht sich, fesselt nicht durch feinere Charakterisierungen. Noch dazu: Filmmusiker Theo Mackeben hatte in der Berliner Nazizeit 1938 ein neue Fassung erstellt …. und somit können wir hier den Abstieg vom warmen Klang der ‚Goldenen Wiener Operette‘ zur ‚Blechernen‘ und einigermaßen angegrautem Foxtrott-Schmiss mitverfolgen. Dem Mackeben-Millöcker-Sound dürfte Dirigent Kai Tietje noch einiges eigenes dazu gemixt haben – ein echter, so melodiös nobler Millöcker mit seiner geschmackvollen Orchestrierung würde der Volksoper besser stehen.     

Der nach Wien geholte Jan Philip Gloger versteht in seinen Tableaus wie in der Personenführung zu ziselieren. Verheddert sich aber in von ihm offensichtlich gern ausgespielten Repetitionen. Und der Handlungsablauf wird durch zu viele eingeschobene endlose Dialoge oder Gags auch nicht beschwingter. In den Appartements des Königs sind einige aparte Bildwirkungen (Christof Hetzer) gegeben. Deutschlands eingeflogener TV-Star Harald Schmidt beherrscht als Ludwig XV. mit charmanten Worten und aller Souveränität sein bunt und aufwendig kostümiertes Gefolge. Ist es für die Berliner Annette Dasch in der Titelrolle nach Met und Scala als Volksopernstar ein Auf-  oder Abstieg? Ihr Können ist gegeben.

Lotte de Beer hat nicht wenige des Volksopern-Stammpersonals, Gesang wie Dirigat, rausgeworfen. Das wird wohl heißen, dass es Robert Meyer in seinen Jahren nicht geglückt ist, ein wirklich überzeugendes Ensemble aufzubauen. Einen prägenden Volkopern-Stil, ein Wiener Flair hat es jedenfalls in den Direktionen der letzten Jahrzehnte nicht mehr gegeben. Die Direktoren Mentha, Berger vergessen, Bachler, Holender waren wohl auch keine wirklichen Glücksfälle. Nochmals: Bereits vergessen, was ist von ihnen geblieben? Auch wenn hier Könner ihres Faches an der Arbeit sind um Fremdes zusammenzufügen …. in unserer Epoche des Kulturwandels weist diese Produktion auf die Schwierigkeiten hin, den richtigen Nerv zu treffen. 

Meinhard Rüdenauer

 

 

 

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