Vereinigte Bühnen Wien in der Kammeroper: „DENIS & KATYA“ – dramatisch und doch unterkühlt (29.9.2023)
Dieser knapp über eine Stunde dauernde Abend lässt in seinen Ansprüchen, in seiner bewusst zersplitterten Dramaturgie an Avantgarde-Produktionen der 70er, 80er Jahre denken. „Denis & Katya“: Zwei Sänger – ausdrucksstark Hasti Molavian und Thimothy Connor – wechseln unmelodisch expressiv singend oder auch immer wieder sprechend blitzschnell ihre Rollen, gestalten mit aller Intensität ein über das Internet investigierendes Journalistenpaar aber auch mitbeteiligte Personen wie Lehrer, Nachbarin, etc. … und natürlich das jugendliche Titelpaar. Dazu erklingen eher spröde vier Violoncelli wie elektronische Einspielungen, und die kahle Bühne wird mit andauernd changierenden optischen Effekten überflutet.
Als eine Art zeitgeistige Romeo und Julia-Paraphrase der Autoren Ted Huffman (Text) und Philipe Venable (Sound) wird dieses 2019 in Philadelphia uraufgeführte Minidrama von den Vereinigten Bühnen Wien/Musiktheater an der Wien in der Kammeroper präsentiert: Das junge Paar unschuldig in den Fängen der Polizei, ausgeliefert einer rauen, einer rücksichtslosen Obrigkeit. Spielt zwar in der Weite des heutigen Russlands – dürfte aber auch als Anklage rassistischer Verhältnisse in den USA gedacht sein. Heutig aktuell sprechen sehr wohl die dramaturgischen Zutaten der gekonnt gestalteten Performance wie WhatsApp-Nachrichten oder übermäßig ausgespieltes Internet-Posting an. Doch so bleibt die Atmosphäre bis auf extreme Emotionen im Finale eher unterkühlt. Aber auch: Wiens Kulturmanagement kauft solche wohl gleich wieder verschwindende Experimentier-Produktionen weit anderswo ein anstatt eigene kreative Geisteskräfte in Schwingung zu bringen und zu unterstützen.
Meinhard Rüdenauer