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WIEN/Universität für Musik und darstellende Kunst: THE MONTEVERDI PROJECT; Michael SCHADE

Madrigale & Theaterzauber

17.12.2018 | Oper


Projekt Monteverdi (Ensemble Orchestralis mit Agnes Strader; Ena Topcibasic, Momoko Nakajima, Friedolin Obersteiger, Claire Gascon (auf dem Thron). Copyright: Andrea Masek

 

WIEN/Universität für Musik und darstellende Kunst: THE MONTEVERDI PROJECT; Michael  SCHADE

Madrigale & Theaterzauber

16.12. 2018 – Karl Masek

Michael Schade, weltweit viel beschäftigter Tenor in Oper, Oratorium, Lied und Konzert, nimmt sich verdienstvoller Weise sehr viel Zeit, um mit hoffnungsvollem künstlerischem Nachwuchs intensiv und nachhaltig zu arbeiten. Er hat bei der letzten Bühnenproduktion der Wiener Sängerknaben („Die Reise des kleinen Prinzen“ im MuTh) als Erzähler mitgewirkt und ist nach dem großen Erfolg der mdw als künstlerischer Leiter und Regisseur bei „Cosi fan tutte“ im Schönbrunner Schlosstheater (Juli 2018) weiterhin „Artist in Residence“, der nicht nur kurz in der Musik-Uni vorbei schaut, sondern in diesem Fall mit Studierenden fast zwei Monate lang an einem Projekt arbeitet, dessen glückhaftes Endprodukt nun im alten Konzertsaal der mdw, Rennweg 8, im 3. Wiener Bezirk präsentiert wurde.

Der Untertitel lautet: Arien, Duette, Madrigale, Symphonien und „Il Combatimento di Tancredi e Clorinda“. In diesem speziellen Fall ein „Inszeniertes Konzert“ und weniger „Konzertante Oper“ und am besten unter „Madrigale & Theaterzauber“ zu subsumieren.

Vorangegangen ist eine bei Claudio Monteverdi  immer höchst spannende musikalische Ausgrabungsarbeit und akribische Schatzsuche, bei der sich im speziellen Fall Mara Földi vom Joseph-Haydn-Institut für Kammermusik, Alte Musik und Neue Musik  – wie Schade begeistert betonte –  besondere Verdienste erworben hat. Die immer wieder aufs Neue faszinierende Klangwelt des genialen Sohnes aus Cremona,  Monteverdi, gilt es wieder einmal zu bestaunen. An diesem Sonntagnachmittag erfährt man Faszinierendes, Erhellendes, Berührendes, über die verschiedensten Facetten der Liebe. Die musikalischen Geschichten erzählen mit aller Poesie, aller Dramatik, etwas über die Liebe bis in den Tod und das Retten der Liebe über den Tod hinaus. Man ist als Betrachter mit hineingenommen in die Essenz dessen, was Musiktheater ausmacht. Man bekommt wieder einmal den Beweis geboten, mit wie wenig äußerem Aufwand Theaterzauber möglich ist.

Eine alte Truhe (sie war schon bei „Cosi fan tutte“ dabei!) symbolisiert für Schade, was ihm am Musiktheater unverzichtbar ist: Verkleidung, in eine Persönlichkeit hineinschlüpfen (Gesichtsmasken befinden sich u.a. in dieser Truhe, Requisiten, die man z.B. für eine Kreuzritterszene wie „Tancred“ braucht; hinter der Truhe sind zwei Schwerter versteckt). Ein Thronsessel hinter dem neunköpfigen Orchester auf erhöhtem Podest. Das ist alles an Bühnenausstattung im intimen Konzertsaal. Die Sing-Darsteller transportieren die seelischen Vorgänge, die Emotionen mit großer Intensität, ausdrucksvoller Mimik, Gestik und Körpersprache, was für das Publikum durch die greifbare Nähe zu den Künstlern ein besonderes Erlebnis darstellt.

Um für die nachdenklichen Madrigale, die feierlichen Duette und Ensembles, die tänzerischen Sequenzen, die packenden Höhepunkte in Kampfszenen  den jeweils adäquaten Ausdruck zu bringen, wurde seit Oktober gearbeitet, und Michael Schade gibt mit seiner Bühnenerfahrung, seiner ansteckenden Begeisterung, alle erdenklichen Hilfestellungen, was man an der großen Bühnenpräsenz aller Protagonist/innen erfreut feststellen kann. Anna Magdalena Auzinger hat mit geschmackvoller Choreographie wesentlichen Anteil am überzeugenden Auftreten des jungen Ensembles. Die Kostüme von  Lucija Varsic sind kleidsam und farblich erfreulich.

Die 9 Studierenden (zwischen 18 und Mitte 20)  haben bereits vielfach Preise eingeheimst, teilweise schon Bühnenerfahrung gesammelt, sind auch stimmtechnisch weitgehend gefestigt, können sich daher bereits voll auf stilistische Feinheiten, auf den Ausdruck und die Phrasierung  konzentrieren.

Und da horcht man im Verlauf des Nachmittags immer wieder auf. Mittel- und Höhepunkt ist dabei die große Szene aus Monteverdis Kreuzrittergeschichte  „Il  Combatimento  di Tancredi  e  Clorinda“. Dieses dramatische Madrigal hatte 1624 seine Uraufführung beim Karneval in Venedig und wurde vier Jahre später im  8. Madrigalbuch gedruckt. Drei Stimmen gibt es zu hören.

Tancredi ist der Grazer Countertenor Friedolin Obersteiner mit angenehmem Timbre, weicher Tonproduktion, edler Statur –  und durch seine musikalischen Prägungen auch in Chören ein intonationssicherer Ensemblesänger. Clorinda ist die erst 18-jährige, aus Podgorica stammende Ena Topcibasic, die mit engelhaft klarer Jungmädchenstimme zu berührenden Schwebetönen findet. Den kommentierenden Überbau liefert die 25-jährige französisch-niederländische Mezzosopranistin Claire Gascoin mit nobler, pastoser, dunkel getönter Stimme, die auch schon mit beträchtlichem Kraft- und Höhenpotenzial aufwartet. Hänsel, Cenerentola, Massenets Cendrillon und auch schon die Carmen zählt sie zu ihren Rollen. Auf ihre weitere Entwicklung darf man gespannt sein.

Eine einzige Freude auch alle anderen Szenen, die „Ouverture  Sinfonia  e  Moresca“, die Tanzmusik „Ballo: Movete al mio …“ sowie der abschließende Ohrwurm „Pur  ti  Miro“ aus der Oper L‘incoronazione di Poppea. Friedolin Obersteiner und die japanische Sopranistin Momoko Nakajima (sie begeisterte schon als Fiordiligi in der sommerlichen „Cosi“) zeigen ein Füllhorn an stimmlichen Nuancen und Valeurs. Schillernder, schwebender, zärtlicher Gesang vom Feinsten in einer der schönsten Liebesduette aller Zeiten!

Auch alle anderen verdienen positives und wertschätzendes Feedback: Die beiden Österreicher Martin Maier-Hangler (Tenor) und Benjamin Harasko (Bariton) geben dem Madrigal „Interrotte speranza…“ sanfte Lyrik und noble Legatokultur, der 25-jährige ukrainische Bassbariton Petro-Pavlo Tkalenko gestaltet mit dunklen Stimmfarben wunderschön und schon erstaunlich abgeklärt die Arie des Seneca aus Monteverdis „Poppea“.  Und auch die Talentproben der 23-jährigen Oberösterreicherin Anna Hurch, ihr besonderes Interesse gilt der Barockmusik und sie singt auch in Johannes Hiemetsbergers Chorus sine nomine,  sowie von Nadine Nenning (mit großer studierender  Bandbreite bis hin zur Jugendstimmbildung und Gesangspädagogik) waren sehr beachtlich.

Das Ensemble Orchestralis, bestehend aus Studierenden und Lehrenden, spielt famos, mit klangvoller Frische, mit sinnlichem Schwung. Angeführt wird es von der wunderbaren, musikantischen, kenntnisreichen Konzertmeisterin des Bach Consort Wien, Agnes Stradner. Sie hat bereits vielfach mit Michael Schade zusammen gearbeitet. Antonia Moschen, Xiang Lu, Hongyu Zhu (die „Streicherfraktion“), Klaus Haidl (der sensitive Lautenist), Leonhard Paul und Tobias Grabher (die Posaunisten mit mystisch-feierlichen Tönen), die beiden tollen Cembalisten Martin Riccabona und Martin Gedeon (eine „Ohrenweide“!) bilden eine perfekte Musikergemeinschaft.

Absolut gelungen, das Monteverdi-Projekt!                                                         

Karl Masek

 

 

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