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WIEN / Theatermuseum: PETER HANDKE UND DAS THEATER

02.02.2013 | Ausstellungen

 

WIEN / Österreichisches Theatermuseum:
PETER HANDKE UND DAS THEATER.
DIE ARBEIT DES ZUSCHAUERS
Vom 31. Jänner 2013 bis zum 8. Juli 2013

70 und noch ziemlich provokant

Beim Eintritt in die Peter-Handke-Ausstellung des Theatermuseums fällt der Blick des Betrachters zu allererst auf einen Wanderstock: Das könnte den Eindruck erwecken, man stelle zum 70. Geburtstag eines Dichters seine Devotionalien aus und huldige ihm entsprechend. Aber das passiert glücklicherweise nicht – und Handke eignet sich auch nicht zur Kanonisierung. Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem jungen Revoluzzer, der einst antrat, das Publikum zu beschimpfen – und nie damit aufgehört hat. Ziemlich provokant, damals wie heute.

Von Renate Wagner

Peter Handke Der 70er jährte sich schon im Vorjahr, Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen / Kärnten geboren und hat schon als 17jähriger erste Texte veröffentlicht. Nach der Matura ging er nach Graz, und schon 1965 fasste er im Suhrkamp Verlag Fuss. Mit dem Roman „Die Hornissen“ feierte er einen beachteten Prosa-Einstand in die Literatur-Szene, im gleichen Jahr verkündete er dem Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld, er habe sein erstes und wohl auch letztes Theaterstück geschrieben. Wie man weiß, schlug diese „Publikumsbeschimpfung“ ganz gewaltig ein, und es ist wahrlich nicht Handkes letztes Theaterstück geblieben. Seine Prosa machte es – mit Ausnahmen von Höhepunkten wie „Wunschloses Unglück“, das Schicksal seiner Mutter (1972) – den Lesern zunehmend schwer. Seine Theaterarbeit ist zwar auch auf „die Arbeit des Zuschauers“ ausgerichtet (so lautet der Untertitel der Ausstellung), aber es haben sich prominente Interpreten (Regisseur Peymann, alle großen deutschsprachigen Schauspieler) seiner angenommen. Obwohl der Kärntner Handke nie für so vordergründige Skandale gut war wie der Oberösterreicher Bernhard, ist es wohl doch das Theater, das seinen steten Ruhm befördert hat. 20 Stücke sind es im Lauf der Jahre geworden.

Stürmische Jugendzeiten Die Nachwelt, die logischerweise alles besser weiß, weil sie das Geschehen überblickt (und auch weiß, wie die Dinge gelaufen sind – während mitten drin zu stecken, ja das Abenteuer des Lebens darstellt), weiß auch, dass es 1966 nicht ein besonderes Risiko war, das Publikum zu beschimpfen, wie Handke es tat. Damals schlug „Theater heute“ einen völlig neuen Ton an, warf das konventionelle Theater hinter sich, preschte mit seinen Kritikern vor, um alles Neue lautstark zu unterstützen. Handke fand sich hier gänzlich im Zeitgeist wieder, da waren gleichzeitig Beckett und Edward Bond, da verwirrte Heiner Müller, da tobte Martin Sperr, jeder arbeitete sich an etwas anderem ab – Handke an der Sprache und den Konventionen. Der rechte Ausstellungsraum ist dieser Frühzeit mit den frühen Bühnenwerken bis zum Anfang der siebziger Jahre gewidmet – Schwerpunkte „Publikumsbeschimpfung“ (1966), „Kaspar“ (1967), „Das Mündel will Vormund sein“ (1969) und „Der Ritt über den Bodensee“ (1971) – und der junge Handke, den man da sieht, ist ein rechter Pilzkopf, der auch die Gitarre zupfte: Sie liegt in einer Vitrine, noch ein Beitrag zu den Devotionalien, da werden den Handke-Fans (und es gibt sie, wenn sie wohl auch schon in den Jahren sind) vor Begeisterung die Knie zittern.

Der versponnene Dichter Nach mehrjähriger Pause begann Handkes Bühnenschaffen mit „Über die Dörfer“ neu, und nun, 1981, war er schon auf der Bühne der Salzburger Festspiele gelandet und vielleicht etablierter, als er selbst es wünschte. Wieder folgte eine lange Theaterpause, dann wurde ab 1990 Peymanns Burgtheater seine künstlerische Heimat (Thomas Bernhard war 1989 gestorben, Peymann brauchte seinen lebenden Österreicher, und Handke sagte ihm da offenbar weit mehr zu als Turrini). Wenn Handkes Stücke auch bewusst „episch“ konzipiert sind und vordringlich still und versponnen wirken, so gehen sie doch (vielleicht gerade dadurch) immer auf Konfrontationskurs mit dem Publikum, das von ihm nichts real Greifbares erwarten kann. So neigen am Ende seine Werke auf der Bühne zu dem, was er so gar nicht leiden kann: zur schönen, ästhetisierenden Illusion… Auch hier, im linken Raum, stellt die Ausstellung vier Stücke ins Zentrum – „Über die Dörfer“ (1981), „Das Spiel vom Fragen“ (1989), „Die Fahrt im Einbaum“ (1999) und „Immer noch Sturm“ (2011).

Ausritte in die Politik Handke als Person kam so kontrovers wie nie in die Medien (denn was immer er schrieb, ihm persönlichen zollte man in seinen reifen Jahren den Respekt, der würdigen Eremiten zukommt), als er im Balkan-Krieg leidenschaftlich Partei ergriff und dies für die serbische Seite tat, womit er sich dem Mainstream der öffentlichen Feuilleton-Meinung entgegenstellte. Sein Stück „Immer noch Sturm“ ist in der Folge sein greifbar „politischstes“ und damit wohl auch bestes geworden, als er am Beispiel seiner kärntner-slowenischen Vorfahren zeigte, wie die Risse des 20. Jahrhunderts hier durch die Familien gingen.

Und im Hof ein Apfelbaum Die Ausstellung für den 70jährigen ist gar nicht altherrenhaft, sondern wirkt höchst lebendig. Im linken Raum beherrscht ein Kanu die Szene: Ein Freund Handkes hat es in Jugoslawien eigenhändig gefertigt, und Peymann stellte es in „Die Fahrt im Einbaum“ auf die Burgtheater-Bühne. Die Ausstellung ist reich mit Handke-Originalen (etwas weniger mit Sekundärem, obwohl noch genug Zeitungsausschnitte dabei sind) bestückt: das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (wo sich Handkes „Vorlass“ befindet), die Sammlung von Johann Widrich und das deutsche Literaturarchiv in Marbach steuerten reichlich bei, Notizbücher und handschriftliche Aufzeichnungen zeigen manisches, aber nicht chaotisches Arbeiten. Viele Bildschirme bieten Handke im Interview oder auch Szenen aus seinen Aufführungen. Besonders wichtig war den Kuratoren Klaus Kastberger und Katharina Pektor auch der Apfelbaum im Hof des Theatermuseums, sind Äpfel für Handke doch das Symbol des Positiven schlechthin. Äpfel für die Ausstellungsbesucher liegen in der Halle – beim Weggehen zur freien Entnahme.

Zwischen Buchdeckeln Vieles, von dem was man sieht, werden Handke-Fans gerne nach Hause tragen wollen. Der Katalog ist im Verlag Jung und Jung erschienen, dokumentiert Handschriftliches, Fotomaterial, Zeitgeschichtliches, und im übrigen kommen in Interviews auch Claus Peymann, Luc Bondy, Wim Wenders, der Schauspieler Jens Harzer (Interpret seines derzeit letzten Werks) und natürlich Handke selbst in einem aktuellen Gespräch zu Wort. In den Artikeln freilich herrscht der manchmal recht verklausulierte Sprachgestus der Germanistik – aber die „Arbeit des Zuschauers“ hört bei Handke ja nimmer auf. Warum also hier?

Bis 8. Juli 2013, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr

 

 

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