WIEN / Österreichisches Theatermuseum:
DIE KULISSE EXPLODIERT
FREDERICK KIESLER – ARCHITEKT UND THEATERREVOLUTIONÄR
Vom 25. Oktober 2012 bis zum 25. Februar 2012
Als er die Raumbühne erfand…
Das Österreichische Theatermuseum im Palais Lobkowitz bringt nun im ersten Stock des Hauses wieder eine Großausstellung. Ob Friedrich Kiesler sich genau so gut „verkauft“ wie die Vorgängerausstellung über die Operette, ist unwahrscheinlich, da der in der Monarchie Geborene Europa ziemlich früh hinter sich ließ und hauptsächlich in den USA arbeitete. Als Theatervisionär, der die „Raumbühne“ erfand und sich sein Leben lang phantasievoll mit der Idee des „Gesamtkunstwerks“ auseinander setzte, ist er für eine Ausstellung gut, die geradezu stürmisch und teilweise wirklich „verrückt“ auf den Betrachter zukommt – so revolutionär wirkt der Mann, der vor einem knappen Jahrhundert in die Theaterszene stürmte, noch heute.
Von Renate Wagner
Friedrich Kiesler (1890-1965) Die Ausstellung nennt ihn „Frederick“, und das war der Vorname, den er sich zulegte, als er bereits Ende der zwanziger Jahre nach New York übersiedelte und damit dem Schicksal der europäischen Juden entging. Er war vieles, auch Architekt – wenn in einem langen Leben von ihm jedoch nur zwei Bauten wirklich realisiert wurden, das „Film Guild Cinema“ in New York und der „Schrein des Buches“ in Jerusalem (letzteren zusammen mit Armand Bartos), könnte man den falschen Eindruck erhalten, er sei nicht besonders erfolgreich gewesen. Tatsächlich war er so innovativ und grenzenlos ideenreich, dass sich die meisten seiner Werke – wie etwa das „Endless House“ – einfach nur als Modell, nicht aber in der Realität umsetzen ließen.
Arbeit für das Theater Gelebt hat Kiesler, der an zahlreichen Projekten beteiligt war, vermutlich hauptsächlich von seiner Tätigkeit als Bühnenbildner an der Juilliard School of Music, für die er jahrzehntelang Bühnenbilder entwarf, mit denen er heute noch das Entzücken aller fortschrittlichen Geister erregen würden. Sein Bedürfnis, schon von Jugend an das Theater revolutionieren zu wollen, kam laut Kuratorin Barbara Lesák (die im Katalog einen höchst aufschlussreichen Artikel über Kieslers Theaterarbeit geschrieben hat) aus seinen Jugenderfahrungen in seiner Heimatstadt Czernowitz, wo starres Kulissentheater der Zeit erstickend herrschte. Wenn Kiesler nun bei der Theaterausstellung in Wien 1924 seine „Raumbühne“ präsentierte (die man an einem Modell und Fotos nachvollziehen kann), so hat er wirklich in neuen Dimensionen gedacht. Dass wir heute in allen neuen Häusern flexible, verwandelbare Theaterräume besitzen, geht zweifellos auf Männer wie Kiesler zurück.
Seiner Zeit weit voraus Die Wiener Ausstellung, die ihren Reichtum an Objekten nicht nur den eigenen Beständen, sondern auch der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung verdankt, bietet nicht nur eine Fülle von Modellen und Fotos (Zuschauerräume haben ihn vordringlich interessiert), sondern auch gezeichnete Entwürfe Kieslers, die oft so farbverrückt surreal sind, dass man kaum versteht, wie daraus ein Bühnenbild oder Kostüme werden konnten. Jemand, der wie er vom Gesamtkunstwerk träumte, musste auch in allen Künsten – Architektur, Design, Malerei, Skulptur (viele seiner Bühnenbilder scheinen aus solchen zu bestehen) – unterwegs sein. Manche seiner Einfälle wirken ihrer Zeit weit voraus: Masken, die er 1934 für eine Opernausstattung entwarf, können gut und gern Vorbild für die Roboter sein, die später Steven Spielberg über die Filmleinwand schickte… Kiesler war zweifellos der Mann für Amerika, dort, wo es am avantgardistischsten war. Nachdem man in der Ausstellung (adäquat gestaltet von Blaich + Delugan) oft geradezu überrannt wird, kann man zuhause in dem ausführlichen Katalog (Verlag Brandstätter) das bewundernde Kopfschütteln fortsetzen.
Bis 25. Februar 2013 in Wien, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr. Die Ausstellung geht anschließend nach München (Villa Stuck) und dann nach Madrid (Casa Encendida)