WIEN / Theaterbrett:
DIE GEBÄRMUTTER von Maria Wojtyszko
Premiere: 8. Jänner 2015,
besucht wurde die Vorstellung am 10. Jänner 2015
Um das „Jahr des polnischen Theaters 2015“ kümmern sich hierzulande vermutlich nur wenige. Aber Wien hat ja noch das aus der Tschechei stammende Ehepaar Nika Brettschneider und Ludvik Kavin, das seit Jahrzehnten sein „Theaterbrett“ in der Münzwardeingasse führt und dieses sogar über die Zerstörungswut des Wiener Kulturstadtrates hinaus retten konnten, dem so viele Kollegen zum Opfer gefallen sind. Die Kavin/Brettschneiders haben ihren Blick immer geschärft auf den Osten gerichtet, und so gibt es nun hier ein „neues“ polnisches Stück.
Nicht ganz so neu, bedenkt man, dass es schon beim Theaterfestival baz@rt des Teatr Stary in Krakau 2006 das Siegerstück war, und die Autorin Maria Wojtyszko, Jahrgang 1982, damals ganze 24 Jahre alt! Jedenfalls hat sie sich mit der „Gebärmutter“ (der Titel darf, zumindest auf Deutsch, doppelsinnig verstanden werden) viel vorgenommen: Ein Stück über Polen und seine Identität, ein Stück über „emanzipierte“ Frauen, ein Stück über Ideale und raue Wirklichkeiten… eine Menge drin, nicht alles wirklich übersichtlich ausgebreitet, aber zweidreiviertel Stunden, in denen viel Talent zu entdecken ist.
Im Zentrum des Stücks steht Wiktoria, das Kind des Nach-Kommunismus, das es dennoch schwer hat. Nicht von den Nazis bedroht (die Großmutter von ihnen vergewaltig, der Großvater erschossen), nicht von der Staatspolizei in die Klapsmühle gesteckt (wie es scheinbar ihrer Mutter, einer Solidarność-Anhängerin, geschah, die den falschen Mann geheiratet hatte – der gehörte nämlich der dortigen Stasi an), aber dennoch alles andere als frei. Denn die Restriktionen, die der Kommunismus in die Köpfe gepflanzt hat, stehen ihren offenen Ambitionen strikt gegenüber, ob im Lehrer-Beruf, wo es nicht darum geht, die Kinder denken zu lehren, sondern zu gehorsamen Duckmäusern zu erziehen, noch in der Familie, wo man von einer Tochter ja doch verlangt, sich duckend einzufügen und brav viele Kinder zu haben, also eine „Gebärmutter“ zu sein…
Allerdings verleiblicht sich Wiktorias Gebärmutter und verwickelt sie in (allerdings nicht sehr sinnvolle) Gespräche, auch der tote Vater ihres Kindes geistert vor ihr herum, es ist also trotz des realen Inhalts eine Geschichte, die sich der surrealen Möglichkeiten des Theaters bedient. Und der satirischen – es gibt etwa eine Szene im Schwangerschaftskurs, die brüllend komisch ist in ihren ausgewalzten Schmalzklischees, und man versteht die Heldin, die hier kopfschüttelnd mit der Bemerkung „Ich habe auch einen Verstand“ davonläuft. Und wenn ihr Vater ihr einen Vortrag hält, was von der Jugend alles erwartet wird, dann hat die Autorin schön zusammengefasst, was sich eine starre Bürgerwelt so vorstellt – und wie es nach deren Vorstellung ewig weitergehen soll.
Was Wiktoria wirklich nicht will, ist ein Kind, aber sie treibt doch nicht ab, sie bekommt es ohne Begeisterung für die Mutterschaft, und dann rückt die Handlung von ihr ab und wendet sich diesem Sohn zu – und siehe, der ist ein strammer polnischer Nationalist mit einer Abneigung gegen Minderheiten, mit Beschwörung einer glorreichen Vergangenheit, die er sich immer schöner und größer ausmalt, ohne Rücksicht auf die Realität… und die vergessene Wiktoria ist zwischen den Generationen durchgefallen, ihre Bemühungen, den Kopf und das Bewusstsein zu weiten, scheinen, glaubt man Maria Wojtyszko, nur in diesem Stück zu bestehen…
Dieses ist interessant, aber nicht wirklich gut, viel zu lang auch, alles ausgewalzt, manches angerissen und nicht ausgeführt (die Sehnsucht der Heldin eigentlich nach einer lesbischen Beziehung) und oft diffus. Aber zweifellos holt die Aufführung (abgesehen davon, dass viel verlustlos gestrichen werden könnte) jede Menge aus dem Abend heraus.
Regisseur Christoph Prückner kann auf die Hauptdarstellerin Samantha Steppan setzen, der man Klugheit, Skepsis und Widerstand immer glaubt, wenn ihr Scheitern auch programmiert ist. In den Nebenrollen fällt Anna Nowak positiv auf, auch Christine Renhardt und Daniel Tanzberger erfüllen ihre zahlreichen Rollen, und natürlich sind auch Nika Brettschneider und Ludvik Kavin mit dabei, die auch nach Jahrzehnten noch über die deutsche Sprache hinwegstolpern (sie noch mehr als er), aber daran wird sich nichts mehr ändert und das mindert den Stellenwert ihres kleinen Theaters nicht.
Das Publikum zeigte sich beeindruckt, von der 25jährigen Hauptdarstellerin kann man wohl noch einiges erwarten.
Renate Wagner