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WIEN / Theater-Center-Forum: DER NOVAK LÄSST MICH NICHT VERKOMMEN

27.09.2012 | Theater

WIEN / Theater-Center-Forum:
DER NOVAK LÄSST MICH NICHT VERKOMMEN
Ein Abend über Cissy Kraner und Hugo Wiener
Premiere: 26. September 2012,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 27. September 2012

Die beiden waren eine lebendige Legende des Wiener Kabaretts: Hugo Wiener und Cissy Kraner, stets in einem Atemzug genannt. Seit sie 1948 nach Wien kamen, bedeuteten sie bis zu Wieners Tod 1993 eine Institution, und Cissy Kraner gab auch danach nicht auf: Lange noch hat sie sich mit Auftritten behauptet, und erst im Februar dieses Jahres ist sie 94jährig gestorben.

Obwohl man den Eindruck gewinnen konnte, Wiener wäre stets nur am Klavier gesessen, um seine Gattin zu begleiten, so war er doch die kreative Kraft dieses Teams – als Textdichter und Komponist und vor allem mit seiner unglaublichen Fähigkeit, der skurrilen, so durch und durch schrägen Persönlichkeit der Kraner ihren unverwechselbaren Umriss zu geben. Mit der scheinbaren Naivität einer „Wiener Goschen“ hat er ihr die unglaublichsten Dinge in den Mund gelegt…

Ich möchte einmal bei Vollmond ein Vampir sein
Ich möchte Geliebte von einem Fakir sein
Damit mich, wenn ich lieg auf der Matratzen
von hinten noch die Nagelspitzen kratzen
Ich möchte Austern mit der Schale essen
Ich möchte mit einem Walfisch mich vergessen
Ich hab mir das schon alles vorgenommen
Aber der Novak lässt mich nicht verkommen

Das muss einem erst einmal einfallen! In der Welt des absurden Blödelns gibt es weniges in Augenhöhe damit.

Cissy Kraner nachzusingen, wenn man das Original noch so genau im Ohr hat, ist ein mutiges Unternehmen. Der Abend „Der Nowak lässt mich nicht verkommen“ im Theater-Center-Forum begnügt sich allerdings nicht damit, ein paar populäre Schlager darzubieten. Georg Mittendrein hat mit Hilfe von Karin Sedlak (sie hat über Hugo Wiener dissertiert) die Geschichte dieses Paares erzählt. Da es genügend Bücher zum Thema gibt, konnte man dies mit Originalzitaten der beiden unternehmen, die erzählen, wie der 1904 geborene Jude Hugo Wiener (der noch als kleiner Junge Kaiser Franz Joseph zuwinkte) und die 1918 geborene Gisela Kraner, die erst später zur „Cissy“ wurde, zum Theater kamen und 1938 bei einer Südamerika-Tournee zusammentrafen. Es wurde eine künstlerische Lebensgemeinschaft, die ihnen über die Emigration hinweghalf und ihnen nach dem Krieg in Wien ihren verdienten Platz im Kabarett-, Theater- und Fernsehgeschehen ihrer Stadt einräumte. (Schade, dass der Abend im zweiten Teil die biographische Schiene, die so interessant ist, dann eher kurz hält.)

Michael Fernbach, am Klavier wie Hugo Wiener immer, ist dennoch nicht zum bloßen Begleiter reduziert, auch ihm wird singend und spielend einiges abverlangt, vor allem, wenn es im zweiten Teil an so manchen Wiener-Sketch geht. Doch Irene Budischowsky steht mit ihrem Wagnis (und ihrer enormen Gedächtnisleistung) als „Cissy Kraner“ im Mittelpunkt. Gerade in den charakteristischsten Liedern – „Der Nowak läßt mich nicht verkommen“ oder „Ich kann den Novotny nicht leiden“ – ahmt sie den näselnd-krähenden Ton der Kraner mit ihren gewissen ordinären Lautfärbungen perfekt nach. Wenn sie „Ich wünsch’ mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“ darbietet, präsentiert sie wie das Vorbild mit Mut zur grotesken Häßlichkeit eine gewaltige Zahnlücke. Andere Chansons singt sie dann mit ihrer normalen Stimme, und dass sie eine so hervorragende Sängerin ist, lässt das ungemein Schwierige (Wiener schrieb ja auch Nummern, die geradezu Zungenbrecher waren) leicht erscheinen. Im Song über die Schönheitspflege der Damen erwiesen Wiener und Kraner sich auch auf der Höhe der jeweiligen Zeitsatire.

Im hintergründigen „braven“ Kleidchen braucht Irene Budischowsky nur eine Schürze, eine Weste oder eine Federboa, um in die verschiedenen Situationen zu schlüpfen. Am Ende hat der Abend eines erreicht: Er huldigt zwei unvergessenen Persönlichkeiten.

Renate Wagner

Bis 13. Oktober 2012, Mittwoch bis Samstag

 

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