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WIEN/ Theater an der Wien: TOSCA – einmal ganz anders

18.01.2022 | Oper in Österreich

18.01.2022  Theater an der Wien   „Tosca“

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Kristine Opolais, Jonathan Tetelman. Foto: Monika Rittershaus/Theater an der Wien

Wo Martin Kusej draufsteht, ist Martin Kusej drin. Niemand darf sich wundern, wenn die Oper nicht in Rom, an den gewohnten Schauplätzen und bei den dort üblichen Klimaverhältnissen stattfindet. Schneelandschaft, keine Kirche (die Laisierung der Oper hat auch schon begonnen), kein prunkvoller Palast, sonder ein ödes Fleckchen Erde mit Hügel, Baum und einem alten Wohnwagen – die offene Seite dient als Palazzo Farnese – und prachvolles Winterwetter, das bei uns nur noch alle Jubeljahre herrscht, ein lieblos auf einem Sessel platziertes Bild (malt Cavaradossi im Schnee?), Mesner und Ministranten sind etwas deplatziert, zu guter Letzt wird Tosca erschossen, Engelsburg zum Hinabstürzen gibt es ja keine.

Musikalisch war auch nicht alles Gold, was glänzte. Das Radio Symphonieorchester unter Marc Albrecht, der kurzfristig für Ingo Metzmacher eingesprungen ist, spielte einerseits viel zu laut – es ist natürlich problematisch, eine dramatische Oper in einem kleinen Haus zu spielen, da muss eben ein aufmerksamer Dirigent die Zügel anziehen – , andereseits wieder zu oft schleppend, breiige Klänge produzierend, die im Verband mit zu vielen individuellen Fehlern ein unbefriedigendes Ergebnis zeitigten.

Bleibt als großer Pluspunkt die vokale Seite des Abends. Gabor Bretz sang den Scarpia mit wunderbar wohlklingender Stimme, da war viel Kraft, Ausdrucksstärke und Temperament zu vernehmen. Er durfte ein Scarpia der gewohnten Art sein. Die Rolle des Cavaradossi wird üblicherweise weniger grob und „kräftelackelmäßig“ angelegt. Hier hatte man den Eindruck, Don Jose im dritten und vierten Akt zu sehen, von künstlerisch angehauchter Seele keine Spur. Jonathan Tetelman sang aber dermaßen eindrucksvoll, kräftig und höhensicher – das „Recondita armonia“ hat man schon lange nicht so toll gehört – dass einem der Atem wegblieb. Seine Kraft reichte auch, um den ganzen Abend in dieser bestechenden Ausdruckskraft singen konnte. Ein kleiner Einwand: Wenn ein erst 34-jähriger Tenor mit seinem Stimmmaterial nicht besser haushalten mag, könnte eine große Karriere nach kurzer Zeit zu Ende sein. Unter diesen beiden „Naturgewalten“ hatte es die Titelheldin schwer. Kristine Opolais sang die Tosca tadellos, aber die sonst übliche Wirkung blieb eingeschränkt. Auch das „Vissi d’arte“ konnte nicht völlig überzeugen. Gut wie immer der Arnold Schoenberg-Chor unter Erwin Ortner, auch die Nebenrollen (Ivan Zinoviev als Angelotti, Andrew Morstein als Spoletta und Rafal Pawnuk als Sciarrone/Mesner/Kerkermeister) konnte gut gefallen.  

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Kristine Opolais in ihrer Garderobe. Foto: Instagram

Die oben angeführte kleine Auswahl an Seltsamkeiten auf der Bühne führte letztendlich zur totalen Ablehnung der Inszenierung beim Publikum, ein Buhorkan sondergleichen beendete eine musikalisch ja eigentlich recht ordentliche Aufführung abrupt. Der heimliche Wunsch des Rezensenten, das Leading Team (neben Kusej zeichneten Annette Murschetz – denkwürdige Bühne und Su Sigmund– hässliche Kostüme verantwortlich) möge sich nicht vor dem Publikum zeigen, erfüllte sich leider nicht. Tosca, einmal ganz anders.  

Johannes Marksteiner

 

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