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WIEN/ Theater an der Wien: PEER GYNT von Werner Egk – Eine gelungene Wiederbelebung mit Abstrichen. Premiere

17.02.2017 | Oper

TadW Werner Egk PEER GYNT – 17.2.2017     Eine gelungene Wiederbelebung mit Abstrichen…

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Copyright: Werner Kmetitsch

Von den sieben Opern von Werner Egk (1901-83) gelangte seine dritte Oper, Peer Gynt, in letzter Zeit zu respektabler Wiederbelebung durch die Staatstheater von Cottbus (2014) und Braunschweig (2015). Der Komponist wurde in Auchsesheim (heute Donauwörth) als Werner Joseph Mayer geboren. Seit 1937 verwendete er als Nachnamen bzw. amtlichen Familiennamen „Egk“, was – so wird spekuliert – entweder ein Akronym für Ein guter Komponist oder ein Akronym aus dem Beruf und den Initialen seiner Gattin, der Geigerin Elisabeth Karl (vgl. Koß, Gerhard: Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik, Tübingen 2002, S. 175), sei.  

In Wien konnte man im Jugendstiltheater Am Steinhof 1992 Werner Egks „Revisor“ in der Regie von Michael Scheidl und dem Dirigat von Andreas Mitisek erleben. Seitdem ist es hierzulande recht still geworden um den umstrittenen Komponisten des NS-Staates, der seit 1944 sogar auf der „Gottbegnadeten-Liste“ als einer der wichtigsten Komponisten stand…

Werner Egk diente das gleichnamige Gedicht von Henrik Ibsen (1828-1906) als Grundlage zu seiner Oper Peer Gynt, deren Libretto er selbst verfasste. Er konzentrierte dabei die Handlung auf den Gegensatz zwischen der guten Welt der Solveig und der bösen und verführerischen Welt der Trolle.  Die dreiaktige Oper in neun Bildern wurde schließlich am 24. November 1938 an der Berliner Staatsoper, welche die Oper in Auftrag gegeben hatte,  uraufgeführt.

Über die Qualität der Musik kann man streiten. Für mich waren die ersten vier Bilder in musikalischer Hinsicht recht seicht, sodass ich insgeheim dachte, satt Egk wäre das Akronym „Kegk“ (kein guter Komponist) wohl eher angebracht gewesen. Aber dann, nach der Pause, welch ein Wandel. Jetzt verdichteten sich die Ausdrucksskala und die Stilmittel von Egks Partitur. Natürlich konnte er den Einfluss seines Lehrer Carl Orff und mehr oder weniger dezenten Anleihen bei Kurt Weill und Ernst Krenek nicht verleugnen. Handwerklich gut gefertigt erklingt mit einem Mal sein bis dahin schwerfällig dahindümpelnder Orchestersatz. Es ertönen wilde Tänze wie Charleston und Tango mit jazzartigen Elementen unter Verwendung von Saxophon und gestopfter Trompete. Ähnlich wie Goethes Faust zieht auch Peer Gynt von der kleinen Welt Norwegens über den Umweg in das Reich der Trolle in die große Welt Mittelamerikas, wo er zu Reichtum gelangt, um  schließlich wieder zu seinen Wurzeln zurück zu kehren und von der alles verzeihenden Solveig, die die ganze Zeit auf seine Heimkehr gewartet hat,  wieder in die Arme geschlossen zu werden. Im Unterschied zu Goethes Faust ist Peer Gynt allerdings von Anfang an ein durch und durch verderbter Taugenichts und Fantast, der erst gegen Ende seines Lebens geläutert erscheint und dadurch der Rettung (seiner Seele) fähig wird.

Problematisch ist das Reich der Trolle. Wiewohl die Trollhymne eine Nachbildung des protestantischen Chorals darstellt sah der Kreis um Egk in den Trollen die herrschenden Nationalsozialisten, während andere in ihnen wiederum die sogenannten „rassisch unterlegenen“ Völker vermuteten. In seinem 1981 erschienen Opernbuch ortete Peter Czerny im Trollreich die „profitgierige Welt des Kapitalismus“, die wohl ansatzweise auch in die Regie von Regiezampano Peter Konwitschny eingeflossen sein mag (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Peer_Gynt_(Egk).

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Südamerika-Episode. Copyright: Werner Kmetitsch

Abgesehen vom historischen Kontext des Werkes sowie seines umstrittenen Komponisten gebührt dem Theater an der Wien das große Verdienst, dieses Werk einem interessierten Publikum endlich einmal auch szenisch in einer durchaus gefälligen Inszenierung präsentiert zu haben. Das Manko des Abends lag, meiner Meinung nach, in den allzu langen Umbaupausen zwischen den einzelnen Bildern, wäre man da mit dem Einsatz der Drehbühne nicht besser beraten gewesen? Helmut Brade bediente die gesamte Ausstattung. Besonders witzig gelang ihm die Szene mit dem abfahrenden Schiff in Mittelamerika, wo emporgezogene Tableaus des Schiffes dem Publikum die Entfernung desselben humorvoll nahelegten. Und auch das grelle Trollleben, dessen Ekstatik sich im Ausverkaufsrausch eines Kaufhauses entlädt, war gut durchdacht. Die zumeist bunten Kostüme der Trollwelt und der Eingeborenen in Mittelamerika hoben sich deutlich von den Kostümen der norwegischen Heimat ab. Guido Petzold zeichnete noch für die stimmungsvolle Beleuchtung verantwortlich.

Der Genuss des Abends wurde aber durch die Leistung von Bo Skovhus, den ich sonst als Sängerdarsteller sehr zu schätzen weiß, beträchtlich gemindert. Sein Bariton hörte sich zumindest im ersten Akt äußerst angestrengt an. Nach der Pause wurde es einigermaßen erträglicher. Aber der sympathische Sänger war an diesem Abend hörbar nicht in seiner Bestform. Schade! In der Doppelrolle als „gute“ Solveig, mit deren Sonnenbrille sie ihre Blindheit kaschiert“, und der „bösen“ Tochter des Trollkönigs, der Rothaarigen, bewies Maria Bengtsson mit ihrem höhensicherem leuchtenden Sopran Durchhaltevermögen und ließ auch darstellerisch keine Wünsche offen. Als Trollkönig war Rainer Trost mit seinem ausgewogenen Tenor stimmlich in Bestform.  Natascha Petrinsky durfte als weise Aase mit wohlklingendem Mezzo auch noch mit einem Maschinengewehr in die Hochzeitsgesellschaft ballern. Sie interpretierte auch rollengerecht den dritten schwarzen Vogel. Die iranische Sopranistin Nazanin Ezazi gefiel in den kleineren Rollen der Ingrid, Kellnerin und des ersten schwarzen Vogels. In weiteren kleinen Rollen wirkten noch Cornelia Horak als Frau des Vogtes und zweiter schwarzer Vogel, Andrew Owens als Mads und Bedienter, Stefan Czerny als der Präsident und ein Unbekannter, Michael Laurenz als erster Kaufmann, Vogt und Hoftroll, Zoltan Nagy als zweiter Kaufmann und Schmied und Igor Bakan als dritter Kaufmann, Haegstadbauer und Zuhälter mit. Klein Helga und der hässliche Junge wurden äußerst spielfreudig von Mia Jochum und Kanya Maierhofer dargestellt.

Musikalisch wurde der Abend von Leo Hussain am Pult des ORF Radio-Symphonieorchester Wien umsichtig geleitet. Der von Erwin Ortner geleitete Arnold Schoenberg Chor überzeugte in den unterschiedlichsten Kostümierungen.

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Maria Bengtsson (Rothaarige). Copyright: Werner Kmetitsch

Dem Publikum schien es gefallen zu haben, denn es spendete am Ende satten Applaus und es gab auch keinen einzigen Buhruf für das Regieteam, das einen solchen auch gar nicht verdient hätte. Altmeister Konwitschny hat bewiesen, wie man ein umstrittenes Werk aus NS-Zeiten in heutiger Zeit  – einigermaßen wertefrei – aufführen kann. Es war auch für den Rezensenten eine lohnenswerte Begegnung mit einem völlig unbekannten Werk, wofür er der Leitung des Theaters an der Wien zu großen Dank verpflichtet ist.

        Harald Lacina    

 

 

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