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WIEN/ Theater an der Wien: MAZEPPA. Tschaikowski-Rarität als konzertantes Gastspiel der Helikon Oper Moskau

21.02.2019 | Oper


Dirigent Evgeny Brazhnik, Solisten, Chor und Orchester der Helikon Oper Moskau C: Andrea Masek

WIEN / Theater an der Wien: „MAZEPPA“

Tschaikowski-Rarität als konzertantes Gastspiel der Helikon Oper Moskau

21.2. 2019 – Karl Masek

Die Helikon Oper Moskau besteht seit 1990 und nimmt zwischen den berühmten und ehrwürdigen russischen Operntempeln Bolschoi Theater Moskau und Mariinsky Theater Sankt Petersburg eine eher untergeordnete Position ein. Es gilt als das fortschrittlichere und unkonventionellere Opernhaus Moskaus, was szenische Realisationen betrifft. Der derzeitige Musikdirektor und Erste Gastdirigent ist der mittlerweile 86-jährige Vladimir Fedosejev, uns als langjähriger und sehr geschätzter Chefdirigent der Wiener Symphoniker bekannt. Er, der Unermüdliche, wird beim zweitägigen Gastspiel Tschaikowskys Opernfragment „Undine“ dirigieren.

Der Start also mit „Mazeppa“, uraufgeführt 1884 im Bolschoi Theater Moskau. Das Libretto schrieb Peter Iljitsch Tschaikowski unter Verwendung des Librettos von Wiktor Petrowitsch Burenin nach dem Poem „Poltawa“ von Alexander Puschkin.

Wer war Mazeppa?  „Ein schon etwas älterer Kosakenführer im ausgehenden 17. Jht, Vertrauter Peters des Großen, später abtrünnig und als Überläufer mit dem Schwedenkönig Karl XII. im Bunde…“, liest man in historischen Lexika. Die junge Marija hätte einen jungen Werber, Andrei, sie lehnt diesen jedoch ab, verliebt sich in Mazeppa und dessen Charisma. Sie folgt dem Kosakenführer gegen den Willen ihrer Eltern Wassili und Ljubow Kotschubei sowie gegen alle Vernunft und Konvention. Rachsüchtige Eltern, Aufstandspläne Mazeppas werden verraten, Vater Kotschubei wird hingerichtet, Mazeppa liefert ihn dem Henker aus. Marija muss die Enthauptung mit ansehen. Die Russen haben schließlich die Schweden im Kampf um die Ukraine geschlagen. Mazeppa tritt die Flucht an, Marija haben die Geschehnisse in den Wahnsinn getrieben. Sie hält den sterbenden Andrei, der auf der Seite des Zaren gekämpft hat, in den Armen – hält ihn  in ihrem Wahn aber für ein Kind, dem sie ein Wiegenlied singt …

Tschaikowsky interessierte aber mehr die konventionssprengende Liebe einer jungen Frau zu dem viel älteren Mann und politischen „Quertreiber mit zwei Gesichtern“. Und keiner der  männlichen Protagonisten (der Tenor nicht, der Bass nicht – und auch die Titelfigur nicht) hat „das letzte Wort“, sondern die irre gewordenen Marija mit ihrem Wiegenlied. Ein Morendo-Schluss mit Flöte und Harfe, der einem die Kehle zuschnürt.

Man hört dem 1884 im Bolschoi Theater uraufgeführten Werk zwischen den Lyrischen Szenen des „Eugen Onegin“ und der Tragödie des neurotischen Spielers in „Pique Dame“ stellenweise eine schwierige Entstehung an; Tschaikowski gestand ein, dass ihm diese Komposition alles andere als leicht gefallen ist. Es herrscht ein deutliches russisches Idiom vor, changiert zwischen intimem Ton mit Verarbeitung etlicher russischer Volksweisen und sensitiver Instrumentation und dem martialischen Kriegs- und Schlachtenlärm des blutrünstigen politischen Geschehens. In den Chorszenen und den Monologen des Wassili Kotschubei klingt es sehr nach Mussorgski,  bis hin zu fast zitatgetreuen Stellen aus der Krönungsszene im „Boris Godunow“.

Insgesamt eine lohnende musikalische Wiederbegegnung mit einem Werk, das in Österreich des Öfteren gastiert hat, u.a. bei den Bregenzer und den Salzburger Festspielen – oder 2003 in Graz bei einem Gastspiel des Mariinsky Theaters unter Gergiev.

Der Chor der Helikon Oper hat typisch russische Klangfärbung. Gerade, sozusagen direkte und scharfe Singweise, wie man es früher von Kosakenchören kannte.

Das Orchester der Helikon  Oper besticht nicht unbedingt durch klangliche Feinheiten. Sehr kompakt klingt das vor allem, stellenweise arg laut so als gelte es, Riesenräume wie die Met oder das Teatro Colon zu füllen.

Dirigent Evgeny Brazhnik war über weite Strecken ein trockener Sachwalter der Partitur, der pedantisch drauf achtete, dass „der Laden klaglos läuft“. Als besonderer Gestalter erwies er sich an diesem Abend nicht unbedingt. Das grobe Blech und vor allem die dröhnenden Becken wären mitunter zu zügeln gewesen. Der Sängerbesetzung war er ein aufmerksamer Begleiter.

Die schönste Stimme des Abends kam vom Bassisten Mikhail Guzhov als „Kotschubei“. Eine monumentale, dabei urgesunde Stimme, der man die Weiten Russlands resp. der Ukraine anzuhören meint. Kein Wunder, dass er in der Heimat alle großen Rollen seines Faches von Boris Godunow bis Kontschak („Fürst Igor“) rauf und runter singt.

Seine Tochter Marija sang die noch jung wirkende Olga Tolkmit.  Berührende  Ausdruckskraft und kraftvolle Dramatik zeigte ihr Sopran mit der typischen Prise slawischer Schärfe und Härte. Aber auch die Mezzavoce-Qualitäten für das Wiegenlied standen ihr zu Gebote.

Bildergebnis für aleksei isayev
Aleksei Isayev, Foto: Privat

Der Bariton Aleksei Isayev wartete als „Mazeppa“ mit schön timbriertem Bariton auf, wirkte deutlich jünger als die „Rollenvorgabe“. Die Stimme scheint  allerdings starkes Forcieren weniger zu vertragen, da wird das Organ  im passagio eng und angestrengt – darüber platzierte er aber dann doch einige explosive Höhen.

Larisa Kostiuk sang die Mutterrolle der „Ljubow Kotschubei“ persönlichkeitsstark mit ausladenden Kontraalt-Tönen. Ein ebenfalls ziemlich ausladendes Vibrato und schneidende Höhen mögen für diese Rolle wohl angehen. Igor Morozov war der weich timbrierte Tenor als unglücklicher „Andrei“. Sichere Höhenlage, Kraftreserven! Georgii Ekimov als „Orlik“ mit eiskalten und stahlharten „Verhörtönen“ vor der Hinrichtung Kotschubeis  und Ivan Volkov als „Iskra: Die beiden noch sehr jungen Sänger, ein Bassbariton, ein Tenor: sie ließen aufhorchen.

Das Gastspiel, erster Teil, wurde freundlich und wohlwollend akklamiert. Die Bravorufe kamen, so schien es, vor allem von den vielen Russen im Auditorium.

Karl Masek

 

 

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