14.09.2016 Theater an der Wien „Hamlet“
Theresa Kronthaler, André Schuen. Copyright: Theater an der Wien/ Monika Rittershaus
Das Shakespeare-Jahr und mangelnde Ideen laden dazu ein, sich eines bewährten Stoffes anzunehmen und daraus eine Oper zu komponieren. Thomas Jonigk, der Librettist, wagte sich an den „Hamlet“, ein kühnes Unterfangen. Dem Original entnommen sind einige Hauptdarsteller und eine Königsdynastie mit den dort üblichen Morden. Man sollte sich aber nicht so sehr um Verständnis der wirren Handlung bemühen, hier war die Musik eindeutig wichtiger. Der deutsche Komponist Anno Schreier schuf einen Klangvulkan der Sonderklasse. Durchaus „hörbare“ Musik, mit Anklängen an Richard Strauss‘ Rosenkavalier und Beethovens Fidelio sorgte er für das unbedingt notwendige „Aha-Erlebnis“. An die Ausführenden stellte er höchste Ansprüche, die vom Orchester und den Solisten ausnahmslos und bestens erfüllt wurden.
Michael Boder dirigierte das RSO mit großem Einsatz, alle Klanggruppen zu koordinieren, war eine sehr gut gelungene Schwerarbeit. Der Arnold Schönberg-Chor unter Erwin Ortner bot wie immer besten Hintergrund, besonders witzig war das „Ahhhhh“ bei der Ermordung Hamlets. Den Protagonisten darf man ein Pauschallob aussprechen, alle gaben ihr Bestes. Dennoch muss man die fabelhafte Marlis Petersen als Gertrude aus dem Ensemble herausheben. Selbst wenn man weiß, dass ihr gerade die schrillen Typen besonders gut liegen, ist es bewundernswert, wie sie sich immer wieder steigern kann, ihre Bühnenpräsenz ist beispiellos, die extremen Höhen fast nicht unangenehm anzuhören. Andre Schuen war in der Titelrolle eine Klasse für sich, sein kerniger Bariton meisterte alle Klippen makellos.
Hier darf man dem Regisseur Christof Loy den Vorwurf nicht ersparen, seine Darsteller allzuoft als Bühnenzoombis herumirren zu lassen, an diesem Abend war das Erklären der Handlung kein Thema. Bo Skovhus sang den Bösewicht Claudius mit markiger Stimme, Theresa Kronthaler war eine etwas entfremdete Ophelia, die ihre Rolle mit einer tollen Mezzostimme wiedergab. Auch Kurt Streit gestaltete seine Rolle als komischer Pastor mit Bravour. Jochen Kowalsky war als Geist von Hamlets Vater nur in einer Sprechrolle zu hören. Das langweilige Bühnenbild von Johannes Leiacker, Blümchentapete Mit Wohnzimmercouch konnte am sensationellen Publikumserfolg nichts ändern.
Johannes Marksteiner