Tomasz Konieczny. Foto: Theater an der Wien/ Monika Rittershaus
Theater a.d. Wien – HALKA v. St. Moniuszko – 17.12.2019
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Sie gilt als die polnische Nationaloper und wurde zu einer Zeit komponiert, als Polen – als Spielball der grossen Mächte – wieder einmal von der Landkarte verschwunden war. Moniuszko gilt als einer der wichtigsten Komponisten Polens und ist „Halka“ neben dem „Gespensterschloss“ sein bedeutenstes Werk.
Auch in der Wiener Operngeschichte spielt „Halka“ eine nicht unbedeutende Rolle, fand doch in der Volksoper 1926 die deutschsprachige Erstaufführung statt. Fast vierzig Jahre später gab es ebendort im Dezember 1965 in der so facettenreichen Direktionszeit von Albert Moser eine Neuproduktion – abermals in deutscher Sprache, allerdings in einer neuen Übersetzung von Marcel Prawy. Christiane Sorell sang die Titelrolle, Ion Buzea den Jontek und Ernst Gutstein den Janusz. Bis zum März 1967 gab es insgesamt 19 Aufführungen.
Die Oper handelt von dem armen Bauernmädchen Halka, das die Geliebte des Edelmannes Janusz ist und von diesem ein Kind erwartet. Dieser hat sich mittlerweile anders orientiert und beabsichtigt Zofia, die Tochter des Schlossherrn zu heiraten. Alle Versuche Halkas Janusz umzustimmen schlagen fehl. Auch Jontek, ihr Jugendfreund, kann sie nicht davon überzeugen, dass es besser wäre, Janusz zu vergessen. Als alle Versuche, Janusz von der Hochzeit abzuhalten nichts bringen, beabsichtigt sie zunächst die Kirche, in der die Trauung stattfindet, anzuzünden, schreckt aber im letzten Moment davor zurück. Letzten Endes stürzt sie sich verzweifelt von einem Felsen in den Fluss.
Die durchkomponierte Musik verfügt sowohl über schwungvolle als auch gefühlvolle Passagen. Moniuszko verarbeitet viele Eindrücke von Zeitgenossen. Da hört man Mendelssohn und Lortzing aber auch mancher Italiener oder Franzose dieser Zeit hat Pate gestanden. Allerdings beinhaltet die Partitur auch Anklänge an dir polnische Volksmusik.
Nun erleben wir dieses Werk in Wien also erstmals im polnischen Original und zwar aus Anlass des 200. Geburtstages des Komponisten in einer Koproduktion des Theaters an der Wien mit dem Teatr Wielki Opera Narodowa Warschau. Demzufolge kommt auch das Produktionsteam aus Polen.
Der Regisseur Mariusz Trelinski verlegt das Werk, wie könnte es im Theater an der Wien anders sein, in eine andere Zeit und an einen anderen Ort. Das Stück spielt demzufolge nicht in Polen am Ende des 18. Jahrhunderts sondern in den 1970er-Jahren in einem Hotel im kommunistischen Polen. Jetzt kann man die zeitliche Verlegung mit der Zeitlosigkeit der Geschichte – die Demütigung von Frauen hat es immer schon gegeben, gibt es leider heute und wird es trotz aller Gegenbenühungen leider auch in Zukunft geben – argumentieren, aber dass das Ganze in einem Hotel spielen muss, nur weil die Regisseure heute gerne eine „Einheit des Ortes“ wollen, ist unverständlich. Man hätte ruhig auch ein polnisches Dorf der 1970er-Jahre auf die Bühne bringen können.
Dabei erzählt der Regisseur die Geschichte zwar, setzt jedoch zahlreiche veränderte und zum Teil falsche Akzente. Außerdem hat man zahlreiche Dejavus mit dem sogenannten Regietheater. Das beginnt einmal damit, dass die Geschichte in Form einer Rückblende erzählt wird. Dann ist natürlich die Ouvertüre szenisch aufgelöst – fünf Minuten nur Musik vor geschlossenem Vorhang zu hören ist natürlich ein No-Go. Ebenso wird man wieder mit der typischen Ostblocktristesse konfrontiert, wie man sie auch schon zigmale auf der Bühne gesehen hat. Andererseits ist die Personen- und Chorführung durchaus interessant.
Das Bühnenbild von Boris Kudlicka ist ein hauptsächlich aus Glaselementen bestehender Bau, der bedingt durch die Drehbühne von allen Seiten eingesehen werden kann, womit verschiedene Schauplätze ermöglicht werden. Die Kostüme von Dorothée Roqueplo sind der Zeit entsprechend. Diese fast zur Gänze in schwarz-weiss gehaltene Optik ermüdet mit der Zeit das Auge, sodass sich stellenweise das Gefühl einer leichten Fadesse einstellt.
Dabei ist am musikalischen Teil des Abends, zumindest was die Sänger betrifft, nicht allzuviel auszusetzen. Corinne Winters bietet in der Titelrolle eine gute Leistung. Ihr durchaus schön klingender Sopran vermag eher die dramatischen Ausbrüche als die gefühlvoll-tragischen Momente zur Geltung zu bringen, neigt aber manchmal zu einer gewissen Härte. Ausgezeichnet Pjotr Beczala als Jontek. Er ist, wie man im Vorfeld hören und lesen konnte, der Mentor dieses Projekts. Er gestaltet diese etwas im Schatten stehende Rolle – immerhin dauert es mehr als eine Stunde bis er vokal in Erscheinung tritt – mit dem ihm eigenen Temperament und singt mit dramatischen Aplomb, wobei er seine Leistung mit sicheren Spitzentönen krönt. Eine angenehme Überraschung war für mich Tomasz Konieczny, dem ich sonst immer eher reserviert gegenüber stand, als Janusz. Er spielt diesen charakterlich durchaus zweifelhaften Menschen ziemlich glaubwürdig und ist auch stimmlich sehr präsent. Alexey Tikhomirov war als Stolnik sowohl stimmlich als auch darstellerisch zufriedenstellend. Das Gleiche gilt für Natalia Kawalek als Zofia. Von den übrigen Sängern fiel leider Lukasz Jakobski (Dziemba) durch eine etwas fahl klingende Stimme unangenehm auf.
Der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schönberg-Chor entledigte sich seiner Aufgabe mit der gewohnten Präzision und Qualität.
Nicht ganz so glücklich wurde ich mit dem Dirigenten Lukasz Borowicz. Zwar spielte das ORF-Radiosymphonieorchester in der gewohnten Qualität, aber da klang manches zu grob und zu laut. An manchen Stellen hätte ich mir mehr Einfühlsamkeit gewünscht.
In der Gesamtsicht kann man sagen, dass das Werk zwar nie – zumindest außerhalb Polens – ein echtes Repertoirestück werden wird, aber häufigere Aufführungen hätte es sich schon wegen der durchaus dankbaren Rollen verdient.
Am Ende gab es viel Applaus für alle Beteiligten und angemessenen Jubel für die Hauptrollensänger.
Heinrich Schramm-Schiessl