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WIEN/ Theater an der Wien: GIULIETTA E ROMEO on Niccolò Antonio Zingarelli in konzertanter Aufführung

27.01.2018 | Oper

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Der ukrainische Einspringer Yuriy Mynenko (C: Eire Kramer)

 

WIEN / Theater an der Wien:  Oper „GIULIETTA E ROMEO“ von Niccolò Antonio Zingarelli in konzertanter Aufführung
am 27.1. 2018 – Karl Masek

Man sagt, „Giulietta e Romeo“ sei in nur acht Tagen komponiert worden. Musikwissenschaftler, die das handschriftliche Autograph im Ricordi-Archiv in Mailand studiert hatten, sind sicher, dass das Stück in großer Eile geschrieben worden ist. Schnelllebig waren damals die Opernzeiten. Publikumsstrukturen änderten sich rasch, Moden und das „Zeitgeistige“, der Publikumsgeschmack in der Oper noch schneller.

Niccolò Antonio Zingarelli ist von seinen Lebensdaten her – 1753 geboren, starb er 1837, wurde also 84 Jahre alt – und auf Grund seines Schaffens der letzte Vertreter der barocken scuola napoletana und ein Bindeglied zwischen Barock, Klassik, Rossini und der Belcanto-Oper der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Bellini (dessen Lehrer er auch war) bis Donizetti. Im Todesjahr Zingarellis  „komponierte“ Rossini längst nur mehr Kochrezepte …

„Giulietta e Romeo“ entstand in einer Zeit, als die Opera seria des 18. Jhts, neuen Strömungen auf der Opernbühne Platz machen musste. Man verlangte nach packenden Dramen – und statt Helden der Antike wendete man sich mit großem Interesse den Shakespeare-Dramen zu, wobei man mit den Originalen sehr freizügig umging.  Ein besonderes Beispiel ist „Juliette e Romeo“. Vom Original weicht Zingarellis Opus erheblich ab. Einige Figuren wurden gestrichen, Die Figur des „Gilberto“  in der Oper ist eine Mischung zwischen Romeos Freund Mercutio und dem Pater Lorenzo, der Julia den verhängnisvollen Trank überreicht.
Aber auch die damaligen Superstars unter den Sängern, die Kastraten, haben den Komponisten als so genannte Kofferarien-Schreiber dazwischen gefunkt und sich einfach effektvolle Arien dazu komponiert. Ein Beispiel dafür: Die Arie des Romeo im III. Akt, Ombra adorata, wurde für eine Aufführung 1796 in Reggio Emilia vom Star-Counter Crescentini selbst komponiert. Sehr zum Missfallen Zingarellis, aber die Arie war so ein Erfolg, dass die Originalarie seither durch Crescentinis Einlage ersetzt wurde.

Verdienstvoll, dass das Theater an der Wien (vielleicht auch auf persönliche Empfehlung von Max Emanuel Cencic) Zingarellis Shakespeare-Vertonung  für eine konzertante Aufführung brachte. Die in Italien lange Zeit erfolgreiche Oper wurde 1796 uraufgeführt, blieb trotz der o.a. Kurzlebigkeit der musikalischen Moden noch bis 1829 auf den Spielplänen etlicher italienischer Opernhäuser. Nach langer Zeit der Vergessenheit wurde es szenisch beim Festival „Winter in Schwetzingen“ 2016 aufgeführt.

Cencic war für die zentrale Rolle des „Romeo“ vorgesehen, erkrankte aber kurzfristig. Es gelang den Verantwortlichen aber, einen Einspringer für diese Rarität „herbeizuzaubern“. Der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko war der tollkühne Retter.
Kurze Vorstellung des Newcomers: Geboren 1979, studierte er in seiner Jugend Klavier und Chordirigieren. Fortsetzung des Studiums in Odessa, Sologesang – ursprünglich als Bariton, erst später Umstieg als Countertenor. Referenzen kommen von umfangreicher Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Alan Curtis, Diego Fasolis, Reinhard Goebel, Andris Nelsons und George Petrou, dem Dirigenten auch dieses Abends.
Er lernte die höchst anspruchsvolle und umfangreiche Rolle in drei Tagen und bewältigte sie bravourös. Da schien sich auch wieder besonders bewährt zu haben, wenn Sänger auch ausgezeichnete „Blattleser“ sind.
Seine Stimme: Ein technisch fundierter Counter, höchst angenehm timbriert, fabelhaftes Legato, Zärtlichkeit und die nötige „Träne“ in der Stimme, besonders intensiv zu vernehmen in der Arie „Che vago sembiante!“ im I. Akt. Jubel löste die perfekt gelungene Bravourarie „Ombra adorata…“ im III. Akt aus.

 

Ann Hallenberg © Oerjan Jakobsson
Ann Hallenberg (C: Örjan Jakobsson)

Die schwedische Mezzosopranistin Ann Hallenberg sang die „Giulietta“ mit seelenvollem, edlem  Ausdruck ihres weich timbrierten Mezzosoprans, der gleichwohl in der Höhe herrlich aufblühte. In der subtil gestalteten Arie „Adora i cenni tuoi…“  kam besonders deutlich zum Tragen, was für ein eleganter Melodiker Zingarelli  gewesen ist. Berührend, wie sie das „Gleiten in den Scheintod“ imaginierte, wo der musikalische Puls immer unregelmäßiger wird, wenn der unselige Gifttrank zu wirken beginnt.

Kein Schwachpunkt an diesem Abend. Und es störte auch nicht, dass Zingarelli allzu sehr auf hohe Stimmen gesetzt hat (2 Counter, zwei hohe Mezzos, eigentlich Soprane, zwei Tenöre). Also, ich hätte jedenfalls die böse Vaterrolle „Everardo“ einem Bariton gegeben, könnte ich komponieren! Aber Daniel Behle setzte seinen virilen Edeltenor  mit kraftvoller Lyrik ein und war auch in reuevoller Spätphase im Angesicht des Todes seiner Tochter niemals larmoyant. Von ihm (der im Vorjahr auch in Bayreuth sang, nämlich sehr erfolgreich den „David“ in den Meistersingern!) möchte man noch ganz viel hören, z.B. die Titelrollen in Mozarts „Idomeneo“ und „Clemenza di Tito“ …

„Gilberto“ Xavier Sabata wurde ebenfalls als krank angesagt. Ja, die Grippezeit im Jänner! Aber auch er rettete die Vorstellung, setzte seinen dunklen Altus vorsichtig ein – was kein Fehler war, denn die Stimme klang (technisch beherrscht, wie immer) angenehm – und er war der Einzige, bei dem man das Gefühl hatte, er würde gerne  szenisch mehr tun!

Die beiden Randfiguren erfüllten ihre Rollen aber auch mit Leben. Im Falle des „Teobaldo“, von Julia ungeliebt und so überhaupt kein Sympathieträger, ist das „Bühnenleben“ ja recht kurz. Er wird schon im Finale des I. Aktes umgebracht. Sebastian Monti lieferte davor ein paar beachtliche Hochtöne. Und die Vertraute Julias, „Matilde“, rundete mit ausgeglichenem Mezzosopran die Besetzung trefflich ab (Irini Karaianni).

Das griechische Ensemble Armonia Atenea machte große Freude. Es wurde gepflegt musiziert. Seidige Tongebung, schöne Soli. Die Einleitung zum III. Akt („Gruft mit brennenden Lampen, wo sich die Gräber der Capelli befinden“), gelang mit den Holzbläsersoli – besonders melancholisch das Fagott! – und den sechzehn Mann des wie immer ausgezeichneten Arnold Schoenberg Chors mystisch. Da spürt man schon den speziellen Bellini-Ton und „Lucia di Lammermoor“ wetterleuchtet ebenfalls.

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George Petrou (C: Ilias Sakalak)

George Petrou war das Kraftzentrum dieses am Schluss heftig bejubelten Abends. Das hoch postierte Orchester zeigte eine sensible Bandbreite auch im Leisen. Ästhetisch, klang- und schwungvoll, leichtgewichtig durfte musiziert werden. Er war der sanfte Ermöglicher stilistisch weit gefächerter Klangwelten, begleitete auch souverän am Hammerklavier.

Acht Minuten starke Akklamation, rhythmisches Klatschen, gelöste Stimmung, glückliche Gesichter.

Karl Masek

 

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