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WIEN/ Theater an der Wien: FALSTAFF von Antonio Salieri

22.10.2016 | Oper

WIEN/ Theater an der Wien: FALSTAFF 21.10.2016

Fallstaff Salieri
Copyright: Herwig Prammer

Dieser andere, weniger bekannte Falstaff hat es wirklich in sich. Sowohl musikalisch als auch in der aberwitzigen Inszenierung Torsten Fischer. Aber außer Salieri, Verdi und Nicolai, gab es noch eine ganze Reihe weiterer Komponisten, die Shakespeares wohlbeleibtem, trink- und raufsüchtigem Ritter, Sir John Falstaff, eine eigene Oper widmeten. Meine Recherche im Internet hat Folgendes ergeben. Michael William Balfe (1838), Adolphe Adam (1856) komponierten jeweils Opern mit dem Titel „Falstaff“, Ralph Vaughan Williams einen „Sir John in Love“ (1929). Peter Ritter (1794) und Karl Ditter von Dittersdorf (1796) komponierten beide ihre „Lustigen Weiber von Windsor“ und Gustav Holst (1925) setzte mit „At the Boar’s Head“ der Figur des tragisch komischen Helden ebenfalls ein musikalisches Denkmal. Noch ältere französische  Vertonungen stammen von Jean Papavoine „Le vieux coquet ou Le deux amis“ (1761) und François-André Danican Philidor „Herne le chasseur“ (1773).

Man sieht also, dass sich Shakespeares Held auch im musikalischen Bereich einer großen Beliebtheit erfreute. „Falstaff ossia Le tre burle“ (dt. Falstaff oder Die drei Streiche) ist ein dramma giocoso in zwei Akten, das Antonio Salieri (1750-1825) nach einem Text von Carlo Prospero De Franceschi (tätig um 1800) vertonte und am 3. Januar 1799 im Kärntnertortheater in Wien uraufgeführt wurde.

Bei Torsten Fischer gerät das laszive Verführungsspiel zwischen Falstaff und Mrs. Alice Ford, die zu Beginn wie Herzogin Kate aussieht, zu einer sich steigernden Spirale der Eifersucht von Mr. Ford alias Mr. Bond. Fischer verlegt die Handlung in ein Windsor der Gegenwart, wo die Queen daselbst mir ihrem Gatten, dem Duke of Edinburgh, „very amused“ das Geschehen beobachten. In diese Welt der Hocharistokratie tänzeln Falstaff und Bardolfo in den Masken von „Stan und Ollie“ hinein. Ihr Verhältnis zueinander ist so angespannt wie jenes zwischen Leporello und seinem Herrn Don Giovanni. Beide durchlaufen während der Oper eine eigene Metamorphose, indem Bardolfo, nachdem er Ford die beabsichtige Eroberung seiner Gattin durch Falstaff verraten hat, allmählich wahrhaft diabolische Züge annimmt und die Intrige mit tänzelnden Schritten an unsichtbaren Fäden wie ein Marionettenspieler dämonisch zieht. Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer haben hierfür eine bewegliche, in Rechtecke  unterteilte Spiegelwand vom Plafond der Bühne herabhängen lassen, die am Ende des ersten Aktes effektvoll zum Einsatz gelangt als vom Schnürboden angeblich 165.000 Plastikkugeln mit einem Gesamtgewicht von 1800 kg (ich habe sie weder nachgezählt noch gewogen!) geräuschvoll in ein Bassin hinabfallen und damit die Illusion des Wassers der Themse vorstellen. Der aus dem „Wasser“ mühsam hervorkletternde Falstaff wird durch den gekippten Spiegel dergestalt  auch von oben gezeigt. Äußerst humorvoll wird Sir John, der inzwischen ordentlich „abgespeckt“ hat – in Ermangelung einer kongenialen Fuge wie bei Verdi – von Bardolfo genüsslich in zwei Teile zersägt, trotz seines jammervollen Bedauerns „mai più“ (nie wieder) wolle er solch dummen Gedanken nachhängen.

Falstaff1_Salieri
Copyright: Herwig Prammer

Christoph Pohl zeichnete den tragisch komischen Titelhelden mit äußerster Spielfreude als einen selbstbewussten Casanova und unterlegte ihm auch eine gehörige Portion an psychologischem Tiefgang. Zu seinem ausdrucksstarken Spiel gesellte sich aber noch sein bestens geführter erdiger Bariton. Während des dritten Streiches darf er dann auch als Tante von Alice Ford, in Verkleidung von Dame Edna Everage, auf hochhakigen Pumps herumstaken. Als sein diabolischer Diener Bardolfe war der  kanadische Bassbariton Robert Gleadow zu sehen, der in seinem Äußeren ein wenig an Nick Shadow in Strawinskys „The Rake’s Progress“ erinnerte.

Anett Fritsch als Alice Ford überbrachte Falstaff in Ermangelung einer „Mrs. Qickly“ und verkleidet als Tedesca“ auch noch die Botschaften zum Stelldichein. Und gerade diese Szene zwischen ihr und Falstaff, in der sich beide in einer Mischung aus Deutsch und Italienisch radebrechend unterhalten, und die so auch im Libretto geschrieben steht (1. Akt Szene 11), hat Fischer besonders lustvoll in Szene gesetzt. Der russische eher lyrische Tenor Maxim Mironov vergeht förmlich vor Eifersucht und steigerte sich in halsbrecherische Koloraturen ohnendazugehörigem italienischen Schmelz hinein. Alex Penda als Mrs. Slender tritt zu Beginn in Gestalt von Camilla Parker Bowles, der nunmehrigen Duchess of Cornwall, auf. Ihr zur Seite ein etwas farblos gezeichneter Mr. Slender des finnischen Bariton  Artuu Kataja. Mirella Hagen durfte als possierliche Dienerin Betty, zu Beginn und am Ende der Aufführung noch das Licht auf der Bühne ein- bzw. abschalten und ließ im Laufe des Abends noch einige beeindruckende Spitzentöne von sich hören.

René Jacobs leitete umsichtig das Orchester der Akademie für Alte Musik Berlin und machte dadurch die musikalische Nähe zu Mozarts „Figaro“ hörbar. Salieris Musik ist aber noch sehr stark dem Spätbarock bzw der Frühklassik eines Christoph Willibald Gluck verpflichtet, wovon man sich bei dessen derzeit in der Staatsoper gezeigten „Armide“ überzeugen kann. Salieri erweist sich gerade in seinem Falstaff als ein Meister der Instrumentierung und effektvoller Soli, etwa für Violine, Violoncello und Klarinette. Er verlässt auch das althergebrachte Terrain der Nummernoper und setzt mit dem Falstaff verstärkt auch größere zusammenhängende Szenen, wofür ihm offensichtlich Mozart ein dankenswertes Vorbild war. Beeindruckend war auch der von Erwin Ortner geleitete Arnold Schoenberg Chor, der gesanglich vom Komponisten und darstellerisch von Regisseur Fischer besonders stark gefordert war. Ein vergnüglicher Abend, der mit langem Applaus alle Mitwirkenden bedankte und zugleich wohl eine Lanze für Salieris Musik und insbesondere seinen „Falstaff“ gebrochen hat.                                                                                   

Harald Lacina

 

 

 

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