Copyright: Werner Kmetitsch/ Theater an der Wien
DER BESUCH DER ALTEN DAME – Theater a.d. Wien, 3.Vorstellung am 20.3.2018
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Ältere Stammbesucher der Wr. Staatsoper werden sich vielleicht noch an den 23. Mai 1971 erinnern, als Gottfried von Einems vierte Oper uraufgeführt wurde. Es war damals durchaus ein Publikumserfolg, wobei das in erster Linie wohl auf die zweifelsohne gelungene Produktion in der Inszenierung von Otto Schenk mit dem Protagonistenpaar Christa Ludwig und Eberhard Wächter zurückzuführen war. Manche meinten sogar, dass hier endlich wieder ein echtes Repertoirewerk entstanden sei – ein Prognose, die sich im Rückblick als falsch erweisen sollte. Zwar wurde das Werk bald danach an einigen deutschen Häusern nachgespielt, aber eine Nachhaltigkeit war nicht gegeben. Letztlich kamen Produktionen dann zustande, wenn sich grosse Sängerinnen für die Hauptrolle interessierten, wie z.B. Regina Resnik (San Francisco 1972) oder Magda Olivero (Neapel 1977). In Wien hielt sich das Werk mit Unterbrechungen bis zum März 1989, u.a. mit Astrid Varnay oder Kerstin Meyer, im Repertoire, was jedoch weniger dem eher endenwollenden Publikumsinteresse als dem kulturpolitischen Einfluss des Komponisten geschuldet war. Für Ende der 80er-Jahre war sogar eine Neueinstudierung mit Leonie Rysanek bereits im Staatsopern-Infoblatt angekündigt, aber aus welchen Gründen immer kam es dann nicht dazu.
Die „Alte Dame“ war nach dem „Danton“ die zweite wirklich erfolgreiche Oper Einems. Er musste allerdings beim Autor des gleichnamigen Theaterstückes, Friedrich Dürrenmatt, viel Überzeugungsarbeit leisten, bis dieser einer Vertonung zustimmte. Angeblich war es eine Aufführung von „Dantons Tod“ in der Staatsoper, die den Dichter überzeugte. Dürrenmatt selbst richtete dann das Libretto ein, was sicher massgeblichen Anteil am Erfolg hatte. Die Musik Einems ist den Sängern gegenüber freundlich und über weite Strecken rythmisch angelegt. Sie versteht es aber, die verschiedenen Gefühlsregungen musikalisch stark zu illustrieren bzw. dramaturgische Höhepunkte entsprechend zu verstärken Es gibt zum Teil durchaus kühne Klangfärbungen und in den Szenen im Konradsweilerwald sind auch interessante Naturelemente zu hören.
Katarina Karneus. Copyright: Theater an der Wien
Die nunmehrige Produktion im Theater an der Wien ist gut, hinterlässt aber doch einige zwiespältige Eindrücke. Das liegt in erster Linie an der Sängerin der Titelpartie. Katarina Karnéus fehlt für diese Rolle etwas der dramatische Unterbau ihrer Stimme, was daher rührt, daß die Tiefe nicht sehr ausgeprägt ist. Da die Stimme ausserdem in der extremen Höhe etwas schrill klingt wirken die dramatischen Entladungen eher geschrien denn gesungen. Darstellerisch konnte man zufrieden sein, auch wenn etwas mehr Persönlichkeit kein Fehler wäre. Sehr gut war hingegen der Ill des Russell Braun. Er achtet trotz aller dramatischen Ausbrüche immer auf die Gesangsliunie und schafft alle Klippen der Rolle nahezu mühelos. Auch seine Rollengestaltung ist durchaus beeindruckend. Sehr gut auch der Bürgermeister des Raymond Very. Er beginnt zwar etwas vorsichtig aber in den dramatischen Stellen kommt ihm seine heldisch gefärbte, leicht ins Charakterfach neigende Stimme sehr entgegen. Darstellerisch hätte man sich vielleicht etwas mehr Skurrilität gewünscht. Stimmlich ausgezeichnet war Adrian Eröd als Lehrer, blieb aber darstellerisch gegenüber sonstigen Rolleninterpretationen merkwürdig blass. Markus Butter war ein jugendlich lockerer Pfarrer der stimmlich zufrieden stellte. Enttäuschend war für mich der Butler des Mark Milhofer. Er war stimmlich einigermaßen überfordert und als Figur praktisch nicht vorhanden. Vor allen Dingen in seiner grossen Szene im dritten Bild fehlte jede deklamatorische Schärfe. Alle übrigen Rollen war ordentlich besetzt.
Eine ausgezeichnete Leistung bot das RSO-Wien unter Michael Boder. Boder zählt ja zu den Spezialisten für die Musik des 20. Jahrhunderts. Er realisierte die für das Orchester ziemlich schwierige Partitur ausgezeichnet, setzte die Höhepunkt dort, wo sie angebracht sind. vergass aber auch in den lyrischen Momenten nicht auf die Feinheit des Klanges. Der Arnold Schönberg-Chor (Einstudierung: Erwin Ortner) sang wie immer ausgezeichnet.
Die Inszenierung von Keith Warner war librettogetreu mit einigen Merkwürdigkeiten. So mussten manche Figuren und vor allen Dingen der Chor manchmal im Takt der Musik ziemlich zappelig agieren. Ich werde wohl nie begreifen, warum in heutigen Inszenierung fast immer alles in Bewegung sein muss. Warum Warner das letzte Bild als Faschingsveranstaltung interpretiert, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. In den Szenen im Konradsweilerwald fehlte mir zudem etwas Natur. Die Ausstattung von David Fielding war von den Bühnenbildern her praktibel und durchaus werkentsprechend. Seine Kostüme passten zum Stück.
Am Ende gab es verhaltenen Jubel für Sänger und Dirigenten.
Heinrich Schramm-Schiessl