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WIEN / Theater an der Wien: DEMOFONTE

24.11.2014 | Oper


WIEN / Theater an der Wien:
DEMOFONTE von Christoph Willibald Gluck
Konzertante Aufführung in italienischer Sprache
23. November 2014

Es ist Gluck-Jahr, und keiner kümmert sich darum – mit Ausnahme des Theaters an der Wien, das sogar von seinem „Gluck-Fest“ spricht, wenn es angesichts der Aufführung von „Demofonte“ auch einige Hindernisse und einige nicht ideale Konstellationen gab. Dennoch – für Alan Curtis, der vor wenigen Tagen 80 wurde, war es wohl ein großartiges Geburtstagsgeschenk, das er sich machte, als er diese weitgehend vergessene Gluck-Oper hervorholte. Und mehr als das: Die Arien des Werks (plus Duett und Chor-Finale) sind zwar erhalten, die Rezitative aber nicht. So „konnte ich der Versuchung nicht widerstehen“, wie Curtis im Programmheft schreibt, „die Rezitative im Stile Glucks zu rekonstruieren“. Keine Frage, dass er so etwas kann. Auf diese Art allerdings gewann der Abend im Theater an der Wien dann die „barocke“ Länge von 3 Stunden und 40 Minuten… Aber er bot gewissermaßen die „ganze“ Oper.

Das Libretto von Pietro Metastasio ist eine echte politische Haupt- und Staatsaktion über Macht und Verantwortung eines Herrschers, und es ist unglaublich oft komponiert worden – von Caldara über Vinci, von Jomelli über Graun bis Hasse und Galuppi, ja sogar Cherubini (um nur jene zu nennen, deren Namen uns noch vertraut sind) – und mitten drin Christoph Willibald Gluck, der 38jährig diesen „Demofonte“ für Mailand schuf (1743). Hörbar für ihn noch ein „Frühwerk“, das der barocken Tradition mehr verdankt als jener „Opernreform“, deren Exponent er selbst werden sollte.

Die Wiener Aufführung verlor im Vorfeld durch Krankheit die vorgesehene Sängerin der Creusa, und da ja kein Sänger dieses Werk „im Repertoire“ hat, konnte in aller Schnelle kein voller Ersatz gefunden werden. Immerhin leistete die junge Spanierin Nerea Berraondo Außerordentliches, indem sie neben ihrer Rolle (dem Adrasto) noch die kompletten Rezitative der Creusa einstudierte und sang (da verzieh man auch manches Gepiepse und furchtbar viel unnötiges Fuchteln mit den Händen). Von den vier Arien der Rolle hat Natalia Kawalek-Plewniak vom Jungen Ensemble des Theaters an der Wien immerhin zwei geschafft, die erste achtbar, die zweite – kurz vor dem Finale – mit großem Erfolg gesungen.

Alan Curtis, für den dieser „Demofonte“ ja gewissermaßen auch „sein“ Kind ist, leitete das Werk mit seinem Orchester „Il complesso barocco“ zügig und dramatisch, wo immer Gluck es zuließ (also meist). Neben Ouvertüre und einem Marsch und als erwähnte „Abweichler“ einem Duett und dem Chor am Ende sind vor allem Arien zu begleiten, die meisten noch virtuose Da Capo-Arien im alten Stil mit Koloraturen und Verzierungen für virtuose und geläufige Gurgeln.

Leider konnte die Besetzung des Abends – mit Ausnahme des kraftvoll-schönen Baritons von Vittorio Prato (Matusio) – nicht unbedingt dem entsprechen, was Gluck und das Publikum erwarten durften: nicht der tenorale Titelheld Colin Balzer, nicht die Sopranistin Sylvia Schwartz (Dircea), nicht der noch unausgegorene Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen (Timante) und nicht die so affektiert übertreibende Mezzosopranistin Romina Basso (Cherinto).

Das nicht allzu dicht gefüllte Haus spendete freundlichen Applaus. Immerhin war man einem unbekannten Gluck begegnet.

Renate Wagner

 

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