A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM v. B. Britten – Theater an der Wien, 17.4.2018 – 2. Aufführung
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Im Gegensatz zu den meisten Opern Brittens – vielleicht mit Ausnahme der Historie „Gloriana“ – in denen immer wieder Aussenseiter der Gesellschaft oder zumindest in ihrer Persönlichkeitsstruktur eigenwillige Charaktere im Mittelpunkt stehen, handelt es sich hier um eine romantische Komödie nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare, wobei die Handlung auf drei Akte verknappt wurde und sich mit Ausnahme des zweiten Teiles des dritten Aktes – dieser spielt am Hof des Theseus – ausschließlich auf die Wald-Szenen beschränkt. Ansonsten hält sich das Libretto von Britten selbst und Peter Pears weitestgehend an die Vorlage Shakespeares.
Der Orchesterpart ist von großem Melodienreichtum gekennzeichnet, wobei die drei Handlungsebenen durch verschiedene Klangkonstruktionen gekennzeichnet sind. In der Elfenwelt domninieren die hohen Streicher, die Harfen und Rythmusinstrumente, wobei Puck im Gegensatz dazu primär durch Blechbläser charakterisiert wird. Den beiden Liebespaaren sind, vor allen Dingen von den Streichern bestimmte, blühende Melodien zugedacht und die Szenen der Handwerker werden von Marsch- und Tanzmusik beherrscht. Besonders köstlich das als Parodie auf die italienische Oper gestaltete Rüpelspiel im dritten Akt. Auch stimmlich unterscheiden sich die einzelnen Handlungsstränge. Entsprechen die Liebespaare den herkömmlichen Stimmzuordnungen Sopran-Mezzo-Tenor und Bariton, so wird Oberon von einem Countertenor und Titania von einem Koloratursopran gesungen, während Puck eine Sprechrolle ist.. Den Handwerkern sind durchwegs Charakterstimmen zugedacht, wobei höchstens Bottom (Zettel) auch melodiöse Passagen hat.
Das Werk wurde mit grossem Erfolg 1960 in Aldeburgh uraufgeführt und bald von zahlreichen Häusern, so auch 1962 von der Wr. Staatsoper nachgespielt. Dort wurde es bis 1964 15 mal aufgeführt. 1998 kam es dann an der Wr. Volksoper zu einer Neuproduktion. Beide Produktionen waren in deutscher Sprache – die Originalsprache war in der Staatsoper damals noch auf das italienische und französische Repertoire beschränkt. 2006 wurde die Volksopernproduktion dann in englischer Sprache wiederaufgenommen.
Zurück in die Gegenwart. Dem Theater an der Wien ist es grundsätzlich positiv anzurechnen, dieses Werk wieder einmal in Wien aufzuführen. Leider wird diese Freude bereits beim Eintritt in den Zuschauerraum getrübt, als man auf der bereits offenen Bühne eine Mischung aus Veranstaltungssaal und Turnsaal wahrnimmt. Damit wird sofort klar, dass man nicht dieses Shakespeare-Stück Benjamin Brittens zu sehen bekommen wird, sondern eine von Regisseur Damiano Michieletto neu erdachte Geschichte. Allerdings muss man zugeben, dass alles andere eine grosse Überraschung gewesen wäre. Von den zahlreichen Zugangsarten des aktuellen Theaters wählt er die auch nicht mehr ganz neue Methode des Heraushebens einer Figur aus dem Rollenverzeichnis, die dann im Mittelpunkt der Geschichte steht.
Michieletto lässt das Stück in dieser Art Turnsaal eines, den Schuluniformen nach, britischen Internats spielen. Mit Ausnahme von Theseus und Hippolyta, die der Direktor und die Erzieherin sind, und Oberon und Titania, sind alle anderen Figuren Schüler verschiedener Altersklassen. Die beiden Liebespaare sind Teenager die ihre ersten Beziehungskrisen abarbeiten und die „Handwerker“ sind Abiturienten, die offenbar ein Theaterstück für die Jahresschlussfeier proben. Im Mittelpunkt des Stückes steht aber Puck. Dieser ist nicht, wie es das Libretto vorsieht, der dienstbare Geist Oberons, sondern ein Einzelgänger unter den Schülern. Er ist, wie wir später durch ein eingespieltes Video erfahren, eine Waise, dessen Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Oberon und Titania existieren, ebenso wie die Elfen, nur in seiner Phantasie, sie dienen ihm letztlich als Elternersatz, wobei das alles mit dem Text und der Musik wenig zu tun hat. So wird aus einer luftig-leichten romantischen Komödie ein bleiernes Psychodrama.
Dabei ist die Inszenierung handwerklich sehr gut gemacht. Die Personenführung ist sehr differenziert und ausgefeilt. Am besten geglückt ist die Theateraufführung, wo plötzlich diese Leichtigkeit zu spüren ist. Irgendwie fragt man sich den ganzen Abend, warum der Regisseur eigentlich diese Verfremdung braucht. Das Bühnenbild von Paolo Fantin ist kühl und sachlich, eine „Traum“-Stimmung kommt dabei nie wirklich auf, aber das ist offenbar auch nicht gewünscht. Die Kostüme von Klaus Bruns – größtenteils Schuluniformen – sind sachlich langweilig, wobei Bottoms Eselskostüm eher einem Tyrannosaurus Rex ähnlich sieht.
Das ist umso ärgerlicher, als die Aufführung musikalisch auf einem durchaus guten Niveau steht. Zwar hätte man sich von Antonello Manacorda ein manches mal etwas differenzierteres und transparenteres Dirigat gewünscht, aber im Gesamten gesehen, war die Aufführung gut einstudiert und die Begleitung der Sänger zufriedenstellend. Die Wr. Symphoniker spielten sehr gut und klangschön.
Die Sänger boten eine sehr gute Ensembleleistung. Ausgezeichnet Bejun Mehta in der Counter-Partie des Oberon. Er meisterte alle Schwierigkeiten der Partie problemlos und vermochte sogar stimmlich zu gestalten. Auch darstellerisch konnte er überzeugen. Ähnliches gilt für Daniela Fally als Titania. Auch sie hatte mit den schwierigen Koloraturen kaum Probleme und überzeugte im Gesamteindruck. Die beiden Liebespaare waren sehr homogen besetzt. Mirella Hagen (Helena) sang sehr schön auf Linie und Martina Kawalek ließ als Hermia einen schönen Mezzo hören. Rupert Charlesworth sang den Lysander mit schön geführtem Tenor und Tobias Greenhalgh war als Demetrius durchaus überzeugend. Darstellerisch hätte man sich alle vier etwas konturierter gewünscht.
Abräumer des Abends waren natürlich die „Handwerker“. Zentrale Figur war der Bottom des Tarq Nazmi. Er trumpfte mit seinem kräftigen Bariton auf, auch wenn manchesmal etwas weniger mehr gewesen wäre. Darstlellerisch war er ebenfalls sehr überzeugend. Ebenfalls sehr gut der Flute des Michael Laurenz. Er verfügt über eine sehr markante Charakterstimme, mit der e rauch gestalterisch sehr viel bewirkt. Darstellerisch war er sehr amüsant. Auch Lukas Jacobski überzeugte als Quince mit schöner Bass-Stimme und engagiertem Spiel. Dumitru Madarasan, Andrew Owens und Kristjan Johannesson vervollständigen die Truppe. Günes Gürle und Ann-Bett Solvang blieben als Theseus und Hippolyta eher unauffällig.
Bleibt zum Schluß noch die hier aufgewertete Rolle des Puck. Im Gegensatz zu anderen Produktionen wurde er hier von einer Frau, Maresi Riegner, gespielt, wohl um die Knabenhaftigkeit darzustellen. Sie sprach sehr deutlich und war darstellerisch in dem ihr vorgebenen Rahmen durchaus überzeugend. Gut auch die St. Florianer Sängerknaben (Einstudierung: Franz Farnberger) inklusive ihrer vier Solisten.
Am Ende viel Jubel für alle Mitwirkenden.
Heinrich Schramm-Schiessl