WIEN: Staatsoper: DON CARLO von Giuseppe Verdi
30. Aufführung dieser Inszenierung (als Wiederaufnahme geführt)
16. Dezember 2021
Don Carlo verspricht fast immer ein großer Opernabend zu werden. Auch in Covid-Zeiten, obwohl die Zahl der saisonbedingten Ausfälle durch Erkältungen durch die Pandemie noch zusätzlich erhöht wird. Dieses Mal verbleibt von der ursprünglich angekündigten Besetzung immerhin der Haupt-Darsteller Fabio Sartori in der Titelpartie, und für die Männerrollen konnte man gleichwertigen Ersatz finden. Bei den weiblichen Stars, die es zu ersetzen galt, hatte man weniger Glück. Dabei war die vielversprechende Besetzungsliste wohl für viele der Grund, sich eine Karte zu kaufen, vorrangig für Asmik Grigorian, der bekannten Salzburger Salome.
Die Inszenierung von Daniele Abado aus dem Jahr 2012 ist schon ausreichend bekannt. Sie gehört zu jenen Inszenierungen, zu denen man „Jein“ sagen kann. Die Bühnenausstattung stammt von Angelo Linzalata, die Kostüme von Carla Teti. Es ist alles sehr dunkel gehalten, düster und grau die Farben: Das Bühnenbild gleicht einem Tunnel. An sich eine gute Möglichkeit, die Tristezza und Bedrohlichkeit am spanischen Hof zu Zeiten der Inquisition zu schildern, aber für einen ganzen Abend doch zu eintönig. Beim Gartenbild ist es kaum möglich, an Nächte in den spanischen Gärten zu denken. Für die große Ketzerverbrennungsszene ist nicht genug Platz auf der Bühne, so dass der Chor teilweise auf die Seitenbühne ausweichen muss. Der Klang des Chores ist trotzdem ausgezeichnet.
Bei den Solisten dominiert an diesem Abend René Pape als König Philipp das Geschehen. Stimmlich wie darstellerisch zeigt und singt er fast alle Facetten dieser starken und zu gleich sehr wankelmütigen Figur. Dieser Philipp sucht flehend Freundschaft und Anerkennung, kann sich aber letztendlich nicht durchsetzen. Mit großem stimmlichen Ausdruck beklagt er sich beim Groß-Inquisitor über die Dominanz der Kirche über die Krone und zeigt wieder den erstaunlichen Tonumfang seiner voluminösen Bassstimme.
Der Großinquisitor wird von Ain Anger übernommen, stimmlich voll zufriedenstellend, doch in der Darstellung bleiben viele Wünsche offen. Diese von Verdi so knapp und markant geschaffene Figur verlangt schon viel Erfahrung in dramatischer Darstellung.
Höhepunkt des Abends ist sicher die große Auseinandersetzung zwischen König Philipp und Marquis Posa, hier als Rodrigo gelistet und von Boris Pinkhasovich gesungen. Der große Ausbruch „Liberta!“ kommt klar und prägnant – bei Schiller geht es ja um Gedankenfreiheit. Pinkhasovich verfügt über einen großen, ins dramatische Fach gehenden Bariton. Die mit Bravour gesungenen großen Arien werden vom Publikum auch entsprechend gewürdigt. Im Moment scheinen dieser Stimme keine Grenzen gesetzt zu sein. Ausdrucksmäßig könnte man sich etwas mehr Sensibilität wünschen, und ein intensiveres Hineinversenken in die Partie sollte noch hinzukommen.
Maria José Siri als Elisabeth von Valois hat diese Rolle von Frau Grigorian übernommen und bringt sie gut über den Abend. Einige schöne Spintosoprantöne lassen aufhorchen, aber es gibt eben nicht nur solche. Ein Opernhaus wie die Wiener Staatsoper sollte einen wirklich guten Verdi-Sopran aufbieten können.
Die dankbare Partie der Eboli wird von Ekaterina Gubanova übernommen. Auch hier wird eine ausreichende Leistung geboten, wenn auch die üblichen Ovationen nach der großen Arie ausbleiben. Darstellerisch machte Frau Gubanova eine gute Figur.
Fabio Sartori ist heute einer der besten Tenöre. Er singt den Don Carlo ohne Schwierigkeit. Wie der große Luciano gehört er zur Gruppe der Stehtenöre, mit einer Stimme, die aus einem Guss besteht und keine Begrenzungen kennt. Leider ist der Wiedererkennungswert seiner Stimme nicht so ausgeprägt wie bei manchen seiner Kollegen.
Bei den kleineren Rollen erfreute man sich an Dan Paul Dumitrescu als Mönch und an Ileana Tonca als Stimme vom Himmel. Isabela Sognoret als Tebaldo, Fabiola Varga als Gräfin Aremberg und Robert Bartneck als Lerma liefern gute Proben ihres Könnens.
Der Dirigent der Vorstellung ist Musikdirektor Philippe Jordan. Das garantiert Spannung und detailreiches Ausloten der Partitur. Um tatsächlich den Perfektionsgrad einer Wiederaufnahme zu erreichen, hätten vermutlich mehr Orchesterproben zur Verfügung stehen müssen. So gibt es im Laufe des Abends doch einige Schnitzer verschiedener Musiker.
Der Applaus am Ende ist heftig, aber doch kurz. Vermutlich wollen sich viele Zuschauer schnell ins Freie begeben, um sich von ihren Masken zu befreien.
Karlheinz Schöberl
17. Dezember 2021