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WIEN / Staatsoper: Verdis RIGOLETTO

 

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Ludovic Tézier (Rigoletto) und Rosa Feola (Gilda). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: RIGOLETTO von Giuseppe Verdi

32. Aufführung in dieser Inszenierung

20. März 2022

Von Manfred A. Schmid

Die vor Schmutz starrende Inszenierung von Pierre Audi (Premiere 20. 12. 2014), mit verloren herumstehenden Baumgerippen, Pfahlbauten und einer desolaten Raumkapsel als Behausung Sparafuciles,  gehört zu den schlechtesten der an missglückten Neuproduktionen nicht gerade armen Ära von Dominique Meyer. Regietheater ist es aber nicht, was da geboten wird, denn die Geschichte der Ver- und Entführung einer jungen, unschuldsvollen Frau und der sich fatal entwickelnden Rache ihres Vaters wird geradlinig und ohne Umdeutungskapriolen erzählt. Sind Spitzenkräfte am Werk, wie es diesmal – trotz einiger coronabedingt erforderlicher Umbesetzungen – der Fall ist, lässt sich das trostlose Bühnenbild ausblenden. Einem erfreulichen gesanglichen Opernabend steht dann kaum mehr was im Wege.

Ludovic Tézier bringt bei seinem Wiener Rollendebüt als Rigoletto einen vom Schicksal wegen seines Verhaltens schwer geprüften Hofnarren auf die Bühne, der sich als zynischer Spaßmacher am Hof des Herzogs von Mantua keine Freunde, sondern nur Feinde gemacht hat. Alle warten bloß auf die Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen. Sein kummervolles, intensives Betteln in „Cortigiani, vil razza dannata“ um Informationen über den Aufenthalt seiner verschwundenen Tochter, geht unter die Haut. Doch die Adressaten, an die sein verzweifeltes Plädoyer gerichtet ist, verhöhnen ihn mitleidslos und voll grausamer Schadenfreude. Téziers fein nuancierter, dennoch robuster Bariton zeigt einen Mann, der miterleben muss, wie das Wichtigste in seinem Leben gefährdet, geschändet und schließlich dem Spott preisgegeben wird. Diese brutalen Erfahrungen sprengen den Panzer, den er, der körperlich Missgebildete, zum Schutz seiner verletzlichen Seele sich hat wachsen lassen. Gefühle wie Rachegelüste und Versagensängste führen ihn und seine Tochter ins Verderben. Tézier stellt diese gebrochene Figur mit starkem Einfühlungsvermögen und gewohnt ausdrucksfähiger Stimme dar.

Wie schon als Einspringer in Castorfs Faust braucht Francesco Demuro auch als Herzog einen ganzen Akt, bis er sich einigermaßen eingesungen hat und die Duette mit Gilda und Maddalena auf Augenhöhe bestehen kann. „La donna è mobile“ gelingt dann allerdings tadellos. Bei Faust ließ sich als Begründung anführen, dass Demuro tatsächlich erst knapp vor Beginn der Vorstellung in Wien gelandet war und ihm daher nicht genügend Vorbereitungszeit zur Verfügung stand. Da dies hier nicht zutrifft, liegt der Verdacht nahe, dass der aus Sardinien gebürtige Sänger zwar einen höhensicheren, hellen und klaren, aber eher klein dimensionierten Tenor hat und mit seinen Kräften dosiert vorgehen muss. Es gab allerdings schon anlässlich seines Wien-Debüts als Alfredo in La Traviata vor mehr als zehn Jahren Zweifel an der Tragfähigkeit seiner Stimme, was ihn aber nicht daran gehindert hat, bis zum heutigen Tag im italienischen Fach immer wieder bei großen Bühnen zu landen. Auch in Wien. Aber Punktlandung war es keine.

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Noa Beinart (Maddalena) und Francesco Demuro (Herzog von Mantua).

Der strahlende Mittelpunkt der Aufführung ist die Gilda von Rosa Feola, mit wunderschöner, fein geführter Stimme, voll Anmut und Grazie. Eine ideale Besetzung für das unschuldige, etwas naive Mädchen, das, lange Zeit abgeschottet von der Welt lebend, bei der ersten Begegnung mit einem Mann dessen charmanten und vielerprobten Verführungskünsten, Liebesbeteuerungen und Schwüren erliegt und sich dann, als er sich als schändlicher, untreuer Casanova entpuppt, dennoch für ihn aufopfert. In „Caro nome“ beschwört sie voll Sehnsucht und Vertrauen eine erste Liebe, die zugleich ihre letzte sein wird. Voll Wärme und mühelos gestaltet sie jeden Moment ihrer Verzückung. Eine hell schimmernde, silbrige Stimme, die – wegen ihrer Geschmeidigkeit und luftigen Wendigkeit – von einem Rezensenten einmal zu Recht als „quecksilbrig“ beschrieben worden ist. Kein Wunder also, dass diese Sopranistin derzeit als weltbeste Gilda gilt. Und schön, dass Feola nach langer Zeit endlich wieder einmal in Wien ist.

Sämtliche weiteren Rollen sind mit Kräften aus dem Haus besetzt. Als geschäftstüchtiger Berufskiller Sparafucile erweist sich Evgeny Solodovnikov bei seinem Rollendebüt stimmlich und darstellerisch überfordert. Zu hölzern und in der Tiefe etwas wackelig. Eine starke – auch erotische – Ausstrahlung hat hingegen Noa Beinart als seine verführerische Schwester Maddalena, die im Quartett mit dem Herzog, Gilda und Rigoletto auch stimmlich reüssieren kann.

Dan Paul Dumitrescu darf als in seiner Ehre gekränkter Graf von Monterone das tun, was er am besten kann: seinen Bass stimmlich mächtig aufdrehen. Isabel Signoret, Hiroshi Amako und Michael Arivony aus dem Opernstudio sind prägnante Besetzungen für Giovanna, Borsa und Marullo. Ebenfalls aus dem Opernstudio kommt Johanna Wallroth als Gräfin von Ceprano. Deren Ehemann, der Graf von Ceprano, wird von Ensemblemitglied Attila Mokus gestaltet. Ileana Tonca macht in einem kurzen Auftritt als Page wieder einmal auf sich als vielseitig einsatzbare, verlässliche Stütze des Ensembles aufmerksam.

Wo Marco Armiliato als Dirigent draufsteht, ist immer authentische Italianità und diesmal bester Verdi drin. Wieder einmal hervorzuheben: das beseelte Cello-Solo.

Viel und länger anhaltender Applaus. Auch für den Chor, der bei der Erzeugung der gruseligen nächtlichen Gewitterstimmung im letzten Akt besonders gefragt ist.

21.3.22.

 

 

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