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WIEN/ Staatsoper: „UN’AURA AMOROSA“ – Konzert mit Ensemblemitgliedern/ Ausschnitte aus Mozart-Opern

10.06.2020 | Oper


Copyright: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 9.6.2020: Konzert mit Ensemblemitgliedern „UN’AURA AMOROSA“ –
Ausschnitte aus Mozart-Opern

So klein kann der zur Verfügung stehende Bühnenausschnitt – vor dem Eisernen Vorhang und halb über dem verdeckten Orchestergraben  gar nicht sein, dass er nicht den 20 (zwanzig) Ensemblemitgliedern freie Bahn lässt, um sich endlich wieder auf einer öffentlichen Plattform ausleben zu können – singend und agierend.

Als einziges „Requisit“ steht da ein Bösendorfer-Flügel, der zwar den Freiraum nicht wesentlich einschränkt, aber: Was die Pianistin Annemarie Herfurth als einzige instrumentale Begleiterin der Sänger an diesem Abend leistet, muss man eigentlich als phänomenal bezeichnen. Nicht nur, weil sie souverän und brillant Mozarts Noten in Klang umsetzt, sondern weil sie es so tut, dass man in jeder präsentierten Szene oder Arie sogleich nicht nur erahnt, sondern weiß, wovon das jeweilige  Stück, wenn nicht die ganze Oper,  handelt. Hier wird Musiktheater gemacht! Kein Wunder, dass sämtliche SängerInnen es auch machen. Dazu muss ich wohl sagen, dass das, was sonst kaum je an die Öffentlichkeit gelangt, nämlich die Art und Weise der Einstudierung einzelner Szenen oder ganzer Werke, an diesem Hause von höchster Qualität sein muss! Was die 20 Vokalisten an diesem kurzen Abend (Beginn 19,30 Uhr, Ende ca 20,50 Uhr) darboten, war in jedem einzelnen Fall ein Stück Theater! Und was auf den 6 Seiten des Faltprogramms, wo nur die Musiknummern und Kurzbiografien der Mitwirkenden Platz hatten, nicht aufscheint: Wer hat den Abend „inszeniert? Das war nämlich perfekt. Kam die erste Solistin von der  Seite  rechts und ging dorthin wieder ab, erschien von links gleich der erste Tenor. Und das ging so flott weiter durch den ganzen Abend und war auch bei Nummern mit mehreren Personen bestens arrangiert, kulminiernd in den Schlussverbeugungen, wo – mit gehörigem Abstand – die einzelnen Personen quer über die Bühne, die anderen in die Gegenrichtung spazierten, bis die Bühne – sehr übersichtlich – mit allen Mitwirkenden gefüllt war, aber keiner keinem zu nahe trat. Dass der Schlussapplaus angesichts von so viel lebhafter  und auch ästhetischer Bewegung auf kleinstem Raum kaum enden wollte, sei schon vorweg verraten. (Sobald ich den Namen der Arrangeurs in Erfahrung gebracht habe, wird er nachgeliefert.)

Zu Beginn „La clemenza di Tito“:  Die schlanke junge Svetlina Stoyanova tritt als Sesto auf, mit weißem Hemd und fescher schwarzer Hose glaubt man ihr glatt den Jüngling, der vor lauter Liebe zu Vitella bereit ist, seine guten Freund, den Kaiser Titus zu töten. „Er“ singt sein „Parto, parto“ mit Anmut und Mozartscher Grazie. Der noble Mezzo der jungen Bulgarin macht glauben, dass Sesto aus Liebe nicht anders handeln kann. In allen Stimmlagen und Intervallsprüngen äußerst sich seine Noblesse, mag sie auch noch so kriminell eingesetzt werden.

Dann geht es sogleich aufs „Ganze“:Il mio tesoro“, vielleicht Mozarts schönste Tenor-Arie, gesungen vom chinesischen Ensemblemitglied Jinxu Xiahou, einer der großen Entdeckungen von Dominique Meyer.  Da steht ein echter „Don“, an Adel dem Don Giovanni ebenbürtig, mit kraftvollem, leuchtkräftigem Tenor auch die ihm innewohnende Kraft glaubhaft machend.

Und gleich danach der nächste Volltreffer: Jongmin Park, bereits weltweit – mit Recht  – als Star-Bass gehandelt, singt die Registerarie des Leporello hinreißend! Nicht nur mit kraftvollen Bassbariton-Tönen, sondern die ganze Raffinesse dieses Musikstücks auskostend bzw. diese köstlichen Bühnenfigur verkörpernd, die/der seinen Herrn total durchschaut und einerseits anprangert, andererseits mit Genuss von der komischen Seite her vorstellt. Momente wie der spontane Übergang zu „la piccina“, wo der Sänger sich plötzlich ganz klein macht und amüsiert um sich blickt, rief wie planmäßig Lacher hervor. Das war eine köstliche Mimik und Gestik, die wiederholt die der Arie zustehenden Lacher im Publikum provozierte und zugleich die vokale Meisterschaft dieses Sängers unter Beweis  stellte, der eigentlich alles kann, von der düstersten bis zur heitersten Rolle und von den mächtigsten Tönen mühelos ins zarteste Piano wechseln kann. Bravissmo!
Raffael Fingerlos,
aus den Salzburger Land ziemlich in der diretissima an Wiens erstes Opernhaus gelangt, durfte sich als belcantesker Don Giovanni mit dem schönen lyrischen Ständchen an Elviras Zofe „Deh vieni“ präsentieren, was er mit offensichtlichem Genuss tat, auf der Mandoline begleitet von  – Wolfgang Bankl!
Was die so lange offiziell arbeitslosen Künstler in diesen Monaten alles ausgebrütet haben, macht staunen und Freude.
Genug vom verführerischen spanischen Edelmann und seinen Abenteuern….


Margarita Gritskova. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Margarita Gritskova trat („Non temer, amato bene“) als Idamante, Idomeneos  hart geprüfter Sohn Idamante auf, den der Vater töten sollte. Die Mezzosopranistin aus St. Petersburg konnte da ihre ganze Virtuosität zu hochdramtischem Einsatz bringen, wobei die gewaltigen Oktavsprünge natürlich der Textverständlihckeit nicht immer förderlich sind. Immerhin nach den diversen Buffo-Partien, die sie gesungen hat, ein Schritt nach oben.

Der deutsche Bariton Samuel Hasselhorn war dann als Conte Almaviva mit dem Rezitativ „Hai gia vinta la causa“ und der folgenden  großen Arie im Großeinsatz, den er stimmlich klaglos bewältigte. Die Empörung darüber, dass man ihn offenar hinters Licht führen wollte, hätte er ruhig noch stärker zum Ausdruck bringen dürfen. Aber es war immerhin belkantesker Mozart.


Rafael Fingerlos, Annemarie Herfurth, Wolfgang Bankl (Mandoline). Foto: Wiener Statsoper/ Michael Pöhn

Ein Höhepunkt wurden dann die Szenen àus der „Zauberflöte“. Papagenos „hmhmhm“ zu Beginn des Quintetts mit Tamino und den drei Damen präsentierte Rafael Fingerlos nicht überraschend mit einer aktuellen Mund- und Nasenmaske. Und da tat sich von allen Seiten Erfreuliches. Quicklebendig dieser Papageno! Mit wunderschöner, raumfüllender Tenorstimme und Mozart‘schem Charme Jörg Schneider als Tamino, dazu die drei so unterschiedlichen Damen Fiona Jopson mit zartem Sopran, Zoryana Kushpler mit raffiniertem Mezzo und die großgewachsene schlanke Komödiantin Stephanie Houtzeel mit schönen Alttönen. Danach ließ die junge Russin mit dem schwer zu merkenden Namen Diana  NurmukhametovaDer Hölle Rache“ mit vehementem Einsatz Klang werden, wobei die Spitzentöne aber doch zu spitz gerieten, sodass es nicht nach freudigen Auskosten der Rache klang.  Zuletzt das Papapa-Duett des Vogelfängerpaares, mit Ileana Tonca und Rafael Fingerlos, locker und schön gesungen und gespielt.

Als letzter Block stand „Così fan tutte“ auf dem Programm. Olga Bezsmertna durfte mit „Come scoglio“ ihr ganzes dramatisches Potential, wie sie es schon in vielen Rollen getan hat, auch hier zu imposantem Einsatz bringen, ließ aber auch spüren, dass hinter dieser fingierten Entschlusskraft sehr wohl ein Hintertürchen offen gelassen wird…Sprühend vor Charme und Raffinesse in Spiel und Gesang präsentierte sich Andrea Carroll mit noch dazu wunderschönem Sopran als gefingelte Despina („In uomini“). „Soave sia il vento“ – ja, das war dann eine ausgeglichende  Selbstberuhigungs-Nummer für Olga Bezsmertna, Margaret Plummer und Peter Kellner, von dem man nicht ungern mehr gehört hätte.  Ein dritter tenoraler Höhepunkt: Josh Lovell. Das fesche, schlanke Bürschchen aus England, das wir im „Midnummer Night’s Dream“ erstmals kennen und schätzen gelernt haben, präsentierte Ferrandos sich selbst verklärendes „Un’aura amorosa“ mit einer so unglaublich sicheren und in allen Lagen ausgeglichenen Tenorstimme, dass man sich nur auf alles von ihm noch zu Erwartende uneingeschränkt freuen kann.

Großen Spaß, gemischt mit dem unverzichtbaren Ernst nach der ganzen Verkleidungskomödie, betitelt „Così fan tutte“, vermittelte uns das Schlussextett: mit Olga Bezsmertna, Rachel Frenkel, Simina Ivan, Josh Lovell, Rafael Fingerlos und  – diesmal singend  – Wolfgang Bankl als Don Alfonso.

Die Brillanz und das Einfühlungsvermögen der Pianistin Annemarie Herfurth, die allen Ernst der „opere serie“ und alle Komödiantik der Da Ponte-Opern und der “Zauberflöte“ waren einfach hinreißend. Fast hätte man meinen können, sie hätte auch ohne Gesangsstimmen Mozarts Opern verständlich und hochamüsant gemacht….Gratulation!

Ob die entfallene „Così“-Premiere wohl viel besser gewesen wäre…???

Freuen wir uns über diesen Abend, an dem die leidenschaftliche Liebe zur Kunstgattung Oper quasi aus allen Nähten platzte und sich einmal mehr von der Bühne auf die Zuschauer und Zuhörer übertrug!                           

Sieglinde Pfabigan

 

 

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