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WIEN/ Staatsoper: UN BALLO IN MASCHERA

99. Vorstellung in dieser Inszenierung

25.10.2018 | Oper


Sterbeszene mit Maria Nazarova (Oscar), Ramon Vargas (Gustav III) und Elena Pankratova (Amelia). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn


Wien / Staatsoper 

UN BALLO IN MASCHERA von Giuseppe Verdi am

24.Oktober 2018                                      
99. Vorstellung in dieser Inszenierung

 

Als der Vorhang aufgeht, wirkt der erste Eindruck dieser über 30 Jahre alten Inszenierung der Oper Un ballo in maschera von Gianfranco de Bosio eher beklemmend. Vieles mag ja gegen das moderne Regietheater einzuwenden sein, aber so historisierend museal, wie das auf Detailtreue setzende Bühnenbild Emanuel Luzzatis, muss es im Gegenzug nun auch wieder nicht sein. Da fehlt einfach ein augenzwinkernd-ironisierendes Element, und damit jeglicher Charme. Man würde sich wohl auf Anhieb nicht so richtig wohlfühlen – wäre da nicht die höchst lebendige Musik, für die der stets mit raschen Schritten zum Dirigentenpult eilende Maestro Giampaolo Bisanti und das Staatsopernorchester sorgen. – Obwohl: Die Ouvertüre lässt Verdi ungewohnt zart und sparsam instrumentiert beginnen. Ein Glück, dass in dieser Inszenierung aus dem Jahr 1986 nicht – wie heute leider allzu oft gehandhabt – bereits die Ouvertüre durch irgendwelche pantomimische Darbietungen, oder sei es auch nur durch sinnlose Herumschreiterei einiger Akteure, bebildert wird. So aber kann der Opernabend so zart und leise beginnen, wie er laut Partitur vorgesehen ist. (Dass einige Opernbesucher auf der Galerie zunächst noch munter weiter plaudern, steht freilich auf einem anderen Blatt.) Im Laufe des Abends nimmt Verdis Musik in Bisantis sängergerechter Interpretation immer mehr Fahrt auf, da gehen die Wogen von Liebe und Eifersucht hoch, und der Dirigent lässt, wo angebracht, auch mal richtig die Funken sprühen. Und diese Funken springen über – auf die Sängerinnen und Sänger auf er Bühne und auf das Publikum.

Ramón Vargas, in der Partie des unglücklich in die Frau seines treuesten Freundes verliebten Königs Gustav III., setzt seine ebenso helle wie schmeichelnde Tenorstimme versiert und mit leidenschaftlichem Impetus ein. Einige wenige Phrasierungsbögen in der Höhe mögen vielleicht schon etwas angestrengt wirken, aber der Gesamteindruck ist mehr als solide und in der Sterbeszene einfach berührend. Der sympathische Mexikaner, in Wien längst heimisch geworden, ist stets ein verlässlicher Garant für ansprechende Leistungen. Als Amelia, das angebetete Ziel seiner gezügelten und dennoch brennend heißen Liebe, feiert Elena Pankratova ein beeindruckendes Rollendebüt. In ihrer hinreißend gestalteten Entsagungsarie am Beginn des letzten Aktes, „Morrò, ma prima in grazia“, meistert sie mühelos die dramatischen Höhen der Partie und verströmt feinen, klagenden Wohlklang. Überzeugend auch das Duett mit Gustaf im gespenstischen Ambiente des Galgenbergs, in dem sie einander ewige Liebe beteuern und gleichzeitig – aus Loyalitätsgründen und des gesellschaftlichen Anstands wegen – dagegen ankämpfen.


Bongiwe Nakani (Ulrica). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Rollendebütant Roberto Frontali als Graf René Ankarström ist das noch fehlende Glied im unheilvollen Beziehungsdreieck. Sein Bariton klingt am Anfang etwas belegt, er singt sich aber bald frei und gestaltet glaubwürdig den Übergang vom ergebenen Freund des Königs in dessen Todfeind und Mitverschwörer. Bongiwe Nakani zeichnet eine ebenso faszinierende wie abgründige Wahrsagerin Ukruica. Ihr dunkler Mezzo passt gut zur geheimnisumwitterten Aura, die diese exotische Figur umgibt. Oscar, dargestellt von Maria Nazarova, ist das genaue Gegenteil: Ein frohgemuter Page, leichtfüßig in seinen Bewegungen wie auch in der Stimme. Wo immer sie, einem Wirbelwind gleich, auftaucht, strahlt die zierliche Nazarova Unbekümmertheit und Schalkhaftigkeit aus: Ein unerlässliches Element  in einer unaufhaltsam auf eine Tragödie zusteuernden Handlung.

Alexandru Moisiuc und Sorin Coliban, mit schwarzem Bass bzw. Bariton ausgestattet, sind die düsteren Verschwörer-Grafen, die auf den geeigneten Moment ihrer Rache lauern. Ihr gemeinsam mit dem Chor der Mitverschwörer vorgetragenes „He-he-he“-Spottlied klingt bedrohlich, kündigt Gewalt an und ist dramaturgisch wie musikalisch – gemeinsam mit der gleichzeitig sich anspielenden Auseinandersetzung zwischen René und Amelia wegen vermeintlicher Untreue – ein musikdramatischer Geniestreich Verdis und wird zu einem der Höhepunkte des Abends.

Fazit: Die Staatsoper ist auf dem besten Weg, die erfreulichste Opernbühne Wiens in diesem Herbst zu werden bzw. zu bleiben. Die Sternstunde tags davor – der Lohengrin mit dem phänomenalen Rollendebüt Andreas Schagers – ist natürlich nicht zu toppen, aber auch die darauffolgende Vorstellung von Verdis Un ballo in maschera kann also mit durchaus guten Leistungen aufwarten. Sieht ganz so aus, als ob der „Lauf“, den Repertoirebetrieb der Staatsoper gerade hat, in die Verlängerung geht! Und wer nun dem – frei zitierten – Diktum des Geheimrats von Goethe beipflichten will – „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen“ – kennt einfach richtige Opernliebhaber nicht!

Manfred A. Schmid

25.10.2018

 

 

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