Lise Lindstrom. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Wiener Staatsoper: „TURANDOT“ am 10.4.2018
Der Fachwechsel ist Roberto Alagna ausgezeichnet gelungen. Seine Stimme befindet sich derzeit absolut in Hochform. Nach dem wirklich spektakulären Otello kam noch ein sehr überzeugender Calaf hinzu. Seit dem Hausdebut 1992 als Nemorino stand die Zeit nicht still und hat die Stimme sehr verändert, sechsundzwanzig Jahre sind ein Lebensabschnitt, der Sänger ist gereift und auch die Stimme wurde im positivsten Sinn weiter entwickelt. Der Künstler startete diese Übergänge langsam auch nicht immer klippenfrei, und man kann hören, dies hat sich bewährt. Der Calaf war stilistisch hervorragend gesungen, die Stimme hat eine gute, leicht baritonale Färbung bekommen, an der lyrischen Dolcezza könnte noch gefeilt werden, die Piani kommen schön und „Nessun dorma“ wurde vom Publikum stürmisch gefeiert, obwohl das „Non piangere Liu“ fast noch schöner war. Ein wohl sehr erfolgreiches Debüt.
Alexandra Kurzak. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
An seiner Seite war auch Alexandra Kurzak erstmals als wunderbare Liu zu erleben. Sie stellte mühelos ihre Premieren-Vorgängerin in die zweite Reihe. Auch sie erntete viel Szenenapplaus nach der wirklich beseelten Umsetzung von „Signore ascolta„, ebenso schön und unter die Haut gehend konnte sie ihre große Szene vor dem Suizid gestalten. Auch beim Applauspegel hatte sie letztlich mit Roberto Alagna ein Kopf an Kopf-Rennen, Remis würde ich sagen.
Wolfram Igor Derntl stand wohl bisher noch nie auf dem Abendzettel der Wiener Staatsoper in der zweiten Zeile. Erstmals war er als Altoum zu hören und war auch stark und kernig, fast ungewöhnlich für diese Rolle stimmlich unterwegs. Seine Tochter Turandot war wieder Lise Lindstrom. Eine sehr gute Salome muss aber nicht immer eine gute Turandot sein. Die Stimme klingt sehr angestrengt, bereits in allen Lagen viel zu viel Vibrato, somit bleiben alle feine Phrasierungsbögen auf der Strecke, was sehr schade ist. Sehr positiv fiel Leonardo Navarro als Pong in der bewährten Ministerriege mit Jinxu Xiahou/Pang und Boaz Daniel/Ping auf. Das Arioso vom Haus am See mit viel Bambus (ein Panda hätte seine Freude) sang Boaz Daniel hervorragend phrasiert und mit schönster Stimme. Paolo Rumetz war ein kernig stark und schön singender Mandarin. Die Stimme von Ryan Speedo Green als Timur ist einfach zuwenig samtig. Absolut aufhorchen ließ das „Turandot“ des hinzurichtenden Prinz von Persien. Oleg Zalytskiy sang das fabelhaft. Auch die beiden Mägde Irene Hofmann und Vilma Maller klangen tadellos. Den für die Handlung unnötigen Clown spielte Josef Borbely sehr gekonnt.
Sehr gut wieder der große Chor unter Thomas Lang, der dekorativ herum stehen darf. Das Orchester klang ausgezeichnet, Frederic Chaslin hat eine gute Mischung der Lautstärke gefunden, und nimmt voll Rücksicht auf alle Sänger. Sehr liebenswert war, das er eine Pause nach dem „Nessun dorma“ legte, so dass nicht in die Musik geklatscht wurde, und der Tenor sich (im alten Stil) feiern lassen konnte. Alte Traditionen sollen nicht aussterben, man soll sie pflegen.
Die Aufführung war somit eine musikalische Bereicherung, die Inszenierung wird damit allerdings auch nicht schöner. Man kann sich nur schlecht daran gewöhnen.
Elena Habermann