Wiener Staatsoper, Tristan und Isolde – 10. Jänner 2015
Peter Seiffert als „Tristan“. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
So kann das Opernjahr 2015 gerne weitergehen: Die erste Aufführung der Jänner-Serie von Richard Wagners Tristan und Isolde brachte nämlich allen Mitwirkenden den verdienten Publikumsjubel, der über 15 Minuten andauerte – heutzutage eine wirkliche Seltenheit! Und der war auch in diesem Ausmaß berechtigt. Die Regie von David McVicar wurde auch von mir an diesem Platze schon mehrmals kritisiert, aber man muss ihr zugute halten, dass sie für einen Repertoireabend gar nicht die schlechteste ist. Einzige Ergänzung: Den Chor aus der Proszeniumsloge habe ich von meinem Merker-Sitz (Galerie Seite) das erste Mal wahrgenommen und es ist eigentlich sehr unprofessionell, wenn Mitglieder der Staatsopernchores mit ihren Lese- und Taschenlampen so störend durch die Gegend leuchten – diese drei Passagen könnte man wohl auch auswendig singen!
Aber damit ist das Gemeckere auch schon zu Ende. Denn akustisch wurden wir diesmal mehr als verwöhnt. Peter Schneider am Pult hat natürlich seinen Richard Wagner im kleinen Finger. Interessant, dass es trotzdem einige Zeit im ersten Akt dauerte, bis der Maestro das richtige Lautstärkegemisch gefunden hatte, anfangs gingen die Solisten doch ein wenig unter. Wobei es aber sehr positiv auffiel, dass Iréne Theorin im ersten Akt gar nicht versuchte ihre Isolde allzu laut werden zu lassen, sie skizzierte so eine eher stille irische Maid. Theorins Leistung war für mich doppelt überraschend, da sich ihre Venus am Wiener Haus und ihre Elektra in Salzburg in meiner Erinnerung als schrill und tremolierend festgesetzt hatten. Davon war diesmal – mit Ausnahme ihres Landgangs in Akt 3 – aber gar nichts zu merken, gerade die piano-Stellen gelangen vorzüglich. Und dass man die finale „höchste Lust“ auch in so zarten Tönen singen kann, das überraschte dann nochmals. Wesentlich handfester ging natürlich Peter Seiffert ans Werk, sein Tristan hatte so viel Power und so lyrischen Schmelz, dass man gar nicht genug kriegen konnte. Sein Schlussakt sitzt mir jetzt noch in den Knochen! Darstellerisch sicher sehr konventionell unterwegs, gestaltet Seiffert die Partie allein aufgrund seiner tollen Gesangskunst. Bravo!
Da hatten es natürlich die übrigen Protagonisten nicht leicht, aber Tomasz Konieczny sang seinen ersten Kurwenal mit Bravour, verbesserter Diktion und viel weiter vorne sitzender Stimme. Das kehlige Timbre ist fast weg, nur noch in tieferen Lagen kommt es nochmals durch, eine positive Entwicklung auf jeden Fall. Albert Dohmen gab einen spröden König Marke, der aber von der Rollengestaltung sehr überzeugend war. Dass er nicht die „volle Röhre“ hat, ist ja bekannt. Als Brangäne war ursprünglich Petra Lang vorgesehen, (zumindest) die erste Vorstellung musste sie krankheitsbedingt an Michelle Breedt abgeben. Die gebürtige Südafrikanerin war aber mehr als vollwertiger Ersatz, nur leider gelangen die tiefen Lagen nicht so toll und auch die „Habet acht!“-Rufe erzielten nicht ganz die gewünschte Wirkung. Rollendeckende Nebendarsteller: Gabriel Bermúdez als Melot, Carlos Osuna als Hirt, Il Hong als Steuermann und (erfreulicherweise) der Debütant Jason Bridges als junger Seemann.
Der größte Jubel galt am Ende natürlich Peter Schneider und dem Wiener Staatsopernorchester. Es war eine Freude seinem unaufgeregten Dirigat zuzusehen, bei dem jeder Einsatz der Sänger exakt zu erkennen war. Und wie er mit einer lässigen Handbewegung das Orchester in Bruchteilen von Sekunden auf die richtige Dynamik zurechtweist, das muss ihm erst einer nachmachen. Neben dem Dirigenten ergoss sich der Jubel über (in dieser Reihenfolge) Seiffert, Theorin und Konieczny und die anderen!
Ernst Kopica