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WIEN/ Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE – 2. Vorstellung. Eine Erregung

Tristan und Isolde – Eine Erregung

Wiener Staatsoper, 18.4.2022

PRÄMISSE –

  • Ich zitiere den Dr. Schuster aus Thomas Bernhards „Heldenplatz“ (2.Aufzug) – „Manchmal gestatte ich mir eine Erregung“
  • Ich verbrachte meine ersten 30 Lebensjahre in Floridsdorf und Stadlau (für diejenigen, die Wien nicht so gut kennen – das sind Arbeiterbezirke/-viertel). Und man kann zwar den K.V. aus Floridsdorf rausbringen, aber nicht Floridsdorf aus dem K.V.
  • Dies ist bereits die dritte von mir geschriebene und entschärfte Betrachtung des Abends
  • Meine bisherigen Eindrücke zu den von mir besuchten Neuproduktion der Ära Roscic –
    1. Hervorragend – Eugen Onegin, Madama Butterfly
    2. Sehr gewöhnungsbedürftig (1 x genügt) – Die Entführung aus dem Serail, Macbeth
    3. Interessant, ein neuer Blickwinkel – Carmen
    4. Durchwachsen – Parsifal, Wozzeck

Die Premierenkritiken waren doch eher durchwachsen, aber ich sah dem Abend im Prinzip positiv entgegen, obwohl es mir leid tat, dass die letzte Inszenierung, die mir persönlich sehr gut gefallen hat, abgesetzt und durch eine Neuproduktion unter der Federführung von Calixto Bieto ersetzt wurde. Richard Wagner hat den „Tristan“ ja nicht als Oper bezeichnet, sondern als „Handlung in drei Aufzügen“. Dementsprechend schwierig ist es, etwas Brauchbares auf die Bühne zu bringen – meines Erachtens nach wäre es für alle Beteiligten besser, das Werk konzertant aufzuführen (oder die Kosky-Inszenierung von „Macbeth“ zu verwenden – schwarze Bühne, schwarze Kostüme und zwei Sessel im Scheinwerferlicht…).

Ich muss mich bei allen Lesern entschuldigen, dass ich nicht den ganzen Abend rezensiere, aber aus gesundheitlichen Gründen (Blutdruck) verließ ich die Vorstellung nach einigen Minuten des 2. Aufzugs – etwas, dass ich in meiner „Karriere“ als Opern- und Konzertbesucher erst ein Mal (bei der „Entführung aus dem Serail“ im Burgtheater) gemacht hatte – rein um meine Nerven zu schonen…

Mein Eindruck der Produktion kurz zusammengefasst –

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… wobei ich zugeben muss, dass mir die ersten Minuten sehr gut gefallen haben – das von Philippe Jordan dirigierte Orchester der Wiener Staatsoper (für meinen Geschmack teilweise zu laut) führte das Vorspiel zum 1.Aufzug bei geschlossenem, schwarzen Vorhang auf (kurz vor dem Einsetzen des ersten Taktes wurde der Saal komplett verdunkelt!). Das waren eindeutig die besten Minuten des Abends (okay, zumindest so lange ich anwesend war).

Dann fing es schwach an und ließ stark nach.

Der erste Aufzug spielt – zumindest steht es so im Libretto – auf einem Schiff, das Isolde von Irland nach Cornwall bringen soll. Bieto und die Bühnenbildnerin Rebecca Ringst haben die Handlung anscheinend, den Kostümen von Ingo Krügler nach zu schließen, in die zweite Hälfte des 20.Jahrhunderts verlegt. Kann man machen, muss aber nicht. Bis jetzt weiß ich nicht, ob die Handlung auf dem Deck eines Kreuzfahrtschiffs oder auf einem Kinderspielplatz angesiedelt ist – man sieht viele, von Kindern besetzte Schaukeln (gut, zumindest saßen sie nicht auf Koffern, die vor einigen Jahren sehr en vogue waren), und der ganze Bühnenboden war mehr oder minder mit Wasser geflutet. Aus diesem Grund mussten alle Protagonisten Plastikstiefel tragen. Positiv fiel mir auf (und ja, das ist wirklich so gemeint!), dass die beiden Frauen rothaarig waren (eine in Irland durchaus nicht seltene Haarfarbe) und ihre Kleider die der „grünen Insel“ entsprechende Farbe hatten.

Kurwenal (Iain Paterson) dürfte sich aus dem seinerzeitigen Archiv der Creditanstalt bedient haben – ich erinnere mich deutlich, dass die Kollegen dort ebenfalls graue Mäntel in dieser Facón trugen. Spielte er einen Archivar?!??

Ich kann mir vorstellen, wie unangenehm es für Sänger sein muss, 90 Minuten lang im Wasser liegen zu müssen – dieses Schicksal musste Andreas Schager, der im 1.Aufzug eine überragende Leistung bot, ertragen. Dann musste er von Martina Serafin, deren Stimme etwas flackerte, eine „g’sunde Watschn“ einfangen, riss sie darauf an den Haaren, und wurde wieder ins Wasser gestoßen. Dieses dürfte allerdings doch eine angenehme Temperatur haben, weil sich auch die Isolde darin wälzte. Das fand übrigens schon statt, bevor im Libretto der Liebestrank zu sich genommen wurde. Den virtuellen Liebestrank – aus heiterem Himmel (Brangäne verbrachte die Zeit damit im Hintergrund zu schaukeln) – schlürfte die Isolde aus den Handflächen des Tristan (und beide waren darob so entzückt, dass sie sich wieder diversen Wasserspielen hingaben).

Soweit zum 1.Aufzug

Ekaterina Gubanova wechselte im 2.Aufzug ihre Rolle. Vorher noch als Brangäne auf der Bühne, spielte sie nun die Jellosubmarine (dem geneigten Asterix-Leser als Frau des Fischhändlers Verleihnix bekannt) und begann unmotiviert Fische zu tranchieren.

Beim Liebesduett wurden Tristan und Isolde in zwei große Schachteln gesteckt, sie konnten einander nicht sehen. Wahrscheinlich aus Frustration ob dieser Tatsache begannen sie, die Einrichtungen zu zerstören und Tapeten herunter zu reißen.

.. und dass war dann der Augenblick, in dem ich die Vorstellung verließ.

Der Floridsdorfer in mir sagt „Verarschen kann ich mich selber, da brauche ich mir nicht stundenlang diesen Sch… anzuschauen“

Kurt Vlach

 

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