Wiener Staatsoper
UND ES BLITZTEN NUR WENIGE STERNE…“TOSCA“ MIT ANJA HARTEROS (13.10.2016)
Die Papierform war besser als es die tatsächliche Vorstellung war. Trotz einer neuen, interessanten Interpretin der Titelpartie kam die populäre Oper von Giaccomo Puccini (in der historischen Inszenierung durch Margarethe Wallmann, Ausstattung Nicola Benois aus dem Jahr 1958) zwei Akte nicht in Schwung. Ein schwacher Dirigent – Mikko Franck – lähmte das Orchester der Wiener Staatsoper, den Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Martin Schebesta) und die Solisten, die so gar nicht zueinander passten. Der Tenor Jorge de Leon (aus Teneriffa) war viel zu heldisch, Anja Harteros, die deutsch-griechische Star-Sopranistin kam im 2. Akt an ihre Grenzen und begeisterte erst wirklich im 3.Akt. Und auch der Sänger des Scarpia – der Italiener Marco Vratogna – wirkte schon im ersten Akt-Finale vokal überfordert. Es blitzten also nur wenige Sterne an diesem Abend der Wiener Staatsoper, der wohl kaum in die Annalen der Wiener Staatsoper eingehen wird. Ein Vorhang nach dem 2. Akt sagt eigentlich alles über diese Vorstellung aus.
Doch halten wir uns an die Chronologie: im 1. Akt bereits zerdehnte Tempi und Sänger, die sich erst einsingen mussten. Immerhin ein ausgezeichneter Angelotti: Jongmin Park ist eines der größten Talente in der Ära von Dominique Meyer. Ideal auch Wolfgang Bankl als urkomischer Mesner. Doch dann – Auftritt von Cavaradossi: Jorge de Leon forciert, die Stimme wirkt noch nicht freigesungen. Und darauf: das erste Duett Tosca-Cavarossi. Die „Diva“ manieriert, fragil, lyrisch – er grobschlächtig, ohne Piano oder Mezzavoca. Nun der Auftritt des „Bösewichts“: Marco Vratogna ist weder widerlich noch lüstern, nur das große Finale ist ihm zu viel. Zuletzt versucht er erst gar nicht den Chor zu „übersingen“. Ähnlich der 2. Akt: der finnische Dirigent schleppt, der italienische Bariton hatte mit der hohen Tessitura seine liebe Not. Immerhin punktet jetzt Jorge de Leon mit einem effektvollen „Vittoria“. Anja Harteros hat mit den emotionalen Ausbrüchen in der Folterszene einige Mühe, sie spielt zwischen gelangweilt und aufgesetzt. Wenn er sich um sein Leben singt, schaut sie desinteressiert um sich. Mit dem Messer in der Hand wird sie plötzlich Furie. Als sie Scarpia den Passierschein entwindet, lacht sie wie eine Irre. Zuletzt hebt das Kreuz wie eine Gotteskämpferin. Und auch stimmlich machen ihr die vielen Sprünge und die Dramatik zu schaffen. Darüber hinaus wird sie vom Dirigenten um die Wirkung des „Gebets“ gebracht. Dennoch ist dies der Höhepunkt einer „Tosca“, die erst im 3. Akt in Fahrt geriet. Jorge de Leon liefert zwar wieder eine zu „heldische“ Sternenarie; Aber die Stimme hat nun Glanz, das Timbre passt zu Puccini und das abschließende Duett rüttelt das Publikum wach. Anja Harteros bietet ein wunderbares „Messer-C“, sie schwelgt in Piano-Phrasen und ist einfach in ihrem Element. Apropos „manieristisches Spiel“ – das behält sie auch auf dem Dach der Engelsburg bei. Wenn sie Cavaradossi zeigt, wie er sterben soll, dann legt sie sich theatralisch auf den Boden. Das war wirklich neu in dieser 590.Vorstellung seit der Premiere mit Renata Tebaldi unter Herbert von Karajan.
Bleibt noch zu erwähnen, dass Michael Roider ein ganz und gar unitalienischer Spoletta, Marcus Pelz ein ausgezeichneter Sciarrone und Alexander Moisiuc ein Luxus-Schließer war, der an Ljubomir Pantscheff erinnerte. Am Ende der restlos ausverkauften Vorstellung gab es für Anja Harteros und Jorge de Leon echten spontanen Jubel. Puccini hat also doch noch gesiegt.
Peter Dusek