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WIEN/ Staatsoper: TOSCA – mit Kammersänger-Ehrung

WIEN / Staatsoper: „TOSCA“ – 02.12.2022

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Erwin Schrott, Camilla Nylund. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 In den letzten Jahrzehnten wurden Sänger immer mehr in bestimmte Fächer „eingeteilt“: Wagner-Sänger, Sänger des italienischen Fachs, Mozart-Sänger, Barock-Sänger etc. Bernd Weikl hat sich schon während seiner aktiven Sängerlaufbahn darüber beklagt, dass er an der MET in New York nur deutsches Fach angeboten bekommt. Früher gab es das nicht. Ein Leo Slezak hat den Otello und den Stolzing, den Manrico und den Lohengrin, den Faust und den Raoul, den Belmonte und den Tamino gesungen. Durch die heutige „Einteilung“ der Sänger haben diese immer weniger Möglichkeiten ihr Können in einer großen Bandbreite präsentieren zu können. Ich habe glücklicherweise noch die letzten „Tosca“-Vorstellungen von Birgit Nilsson erlebt. Auch wenn sie vielleicht keine ideale Tosca war, waren wir doch alle froh sie auch in dieser Rolle gesehen zu haben. Und sie selbst hat immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist zwischen all den Brünnhilden, Elektras und Isolden auch mal eine Tosca zu singen, das war ihrer Meinung nach wichtig für ihre Stimmhygiene.

Umso mehr kann man verstehen, dass Camilla Nylund zwischen all den Kaiserinnen, Elsas und Agathen auch mal eine Tosca singen will. (Bis jetzt habe ich sie nur einmal im italienischen Fach erlebt: als „Carlos“-Elisabeth in Amsterdam, und das ist schon mehr als zehn Jahre her). Wenn man beckmessern will, kann man vielleicht einwenden, dass ihre Stimme zu wenig Feuer und Wärme für das italienische Fach besitzt. Aber wie sie vom ersten Auftritt bis zum Sprung von der Engelsburg die Partie gestaltet, mit einer Wahrhaftigkeit des Ausdrucks, wischt sie eventuelle kleine Einwände sofort hinweg. Da steht eine liebende, leidende, leidenschaftliche Frau auf der Bühne, die in jedem Moment glaubhaft und überzeugend wirkt. Und stimmlich berückt sie mit wunderbaren Piani, die vielleicht so manche Sängerin des italienischen Fachs nicht singen kann.

Stefano La Colla war ihr leider kein gleichwertiger Partner. Es besitzt eine angenehm timbrierte Stimme, der allerdings jeglicher Glanz fehlt und die mit unsauberer Intonation und größtenteils in einer Einheitslautstärke geführt wird. Hätte der Dirigent nach „Recondita armonia“ nicht abgeklopft, hätte sich nach der Arie wohl keine Hand gerührt. Am besten gelang dem Tenor noch die „Sternderl“-Arie, aber auch die haben wir schon unzählige Male besser gehört. Dazu kommt noch, dass seine darstellerischen Fähigkeiten nicht sehr ausgeprägt sind. Da gab es keinen Moment lang ein Knistern zwischen Tosca und Cavaradossi.

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Erwin Schrott.  Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Ganz im Gegenteil zu der erotischen Hochspannung, die zwischen Tosca und Scarpia bestand. Es gibt verschiedene Arten den Polizeichef anzulegen. Erwin Schrott gehört zu jenen, die Scarpia als eleganten Fiesling spielen. (Es war übrigens eine jener vielen „Tosca“-Vorstellungen, bei denen man nicht versteht, warum Tosca nicht am Ende des 1. Aktes dem Malermeister den Laufpass gibt und mit Scarpia durchbrennt.) Atemberaubend war dann die Auseinandersetzung zwischen Tosca und Scarpia im 2. Akt. Was sich da zwischen Camilla Nylund und Erwin Schrott abspielte, dafür braucht man keinen Regisseur, dafür braucht man nur zwei erstklassige Singschauspieler. Und genau deshalb geht das Wiener Publikum zum 250. oder 300. Mal in diese legendäre Wallmann-Inszenierung in die Staatsoper, um diese einmaligen, nicht wiederholbaren Momente zu erleben. Möge uns diese Inszenierung noch lange erhalten bleiben und noch weiteren Sängern die Möglichkeit bieten, uns unvergessliche Vorstellungen zu bieten.

Die übrige Besetzung (Attila Mokus als Angelotti, Wolfgang Bankl als Mesner, Andrea Giovannini als Spoletta, Marcus Pelz als Sciarrone und Jusung Gabriel Park als Schließer) ergänzte zufriedenstellend. Besonders schön gesungen war diesmal das Hirtenlied im 3. Akt von Julia Oos. Chor und Orchester der Wiener Staatsoper waren in guter Form. Nach dem Fiasko, das man zwei Tage zuvor aus dem Orchestergraben vernehmen musste, konnte man an diesem Abend mit dem Dirigat von Giacomo Sagripanti trotz etwas schleppender Tempi durchaus zufrieden sein.

Obwohl am Ende des 3. Aktes alle drei Protagonisten tot sind, gab es an diesem Abend noch einen 4. Akt. Nach der Vorstellung wurde Erwin Schrott auf offener Bühne zum Kammersänger ernannt. Die Ehrung wurde von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić und Jürgen Meindl, Sektionschef des Bundesministeriums für Kunst und Kultur, vorgenommen.

Staatsoperndirektor Bogdan Roščić würdigte in seiner Laudatio Schrotts herausragende Stimme sowie das Charisma und die Bühnenpräsenz des „Singschauspielers“ im besten Wortsinn, die jeden Opernabend zu einem besonderen Erlebnis machen.

Erwin Schrott debütierte 1999 als Banquo in Verdis Macbeth an der Wiener Staatsoper und ist seitdem regelmäßiger Gast am Haus am Ring. An diesem Abend stand er zum 81. Mal auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Möge der frischgebackene Kammersänger noch oft an diesem Haus zu sehen sein.
Walter Nowotny

 

 

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