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WIEN / Staatsoper: TOSCA

Würdiger Abschluss der Puccini-Aufführungen zum Gedächtnis des 100. Todestags

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Freddie De Tommaso (Cavaradossi) und Lise Davidsen (Tosca). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien / Staatsoper: TOSCA mit Rollendebüts in den drei Hauptrollen

653. Aufführung in dieser Inszenierung

7. Dezember 2024

Von Manfred A. Schmid

Jüngst war hier bei einer Tosca-Aufführung von der gefühlt einhundertsten Vorstellung die Rede, man könnte aber die aktuelle durchaus auch die schon eintausendste bezeichnen, so vertraut sind Bühne und Kostüme von Nicola Benoin und die szenischen Abläufe in der längst zur Legende gewordenen Inszenierung Margarete Wallmanns. Da wartet man gespannt, welche darstellerische Eigenheiten die neuen Interpreten jeweils mitbringen. Diesmal wird man gleich zu Beginn hellwach: Als der auf der Flucht befindliche Cesare Angelotti (Attila Mokus) gehetzt in der Kirche auftaucht, setzt er sich erst einmal hin. So viel Zeit zum Verschnaufen muss einfach sein.

Das Hauptaugenmerk gilt allerdings den Rollendebüts von Lise Davidsen und Freddie De Tommaso, die nun innerhalb von knapp vier Monaten – nach Berlin, München und New York – auch in Wien als Flora Tosca und Mario Cavaradossi gemeinsam auf der Bühne stehen. Das neue Traumpaar im Puccini-Jahr 2024? Soweit sind sie noch nicht, aber immerhin eine interessante Paarung. Auf jeden Fall spricht für sie, dass sie auf Augenhöhe singen können, was bei der hochgewachsenen norwegischen Sopranistin (1,88 m) nicht so oft der Fall ist.

Freddie De Tommaso ist bekannt für seinen kraftvollen, robusten, metallisch schimmernden Tenor, der in „Recondita armonia“ zunächst vor allem laut und wenig nuanciert daherkommt, im Schlussakt, oben auf der Engelsburg, im nostalgisch rückwärtsgewandten, lebenbejahenden „È lucevan le stelle“ durchaus auch lyrische Qualitäten zeigen kann. Dabei nimmt er sich einige interpretatorische Freiheiten heraus, die eigentlich erst bei einem allfälligen Da capo am Platz wären. Dazu ist es diesmal aber nicht gekommen. De Tommaso ist ein noch junger Tenor, dessen Karriere im Dezember 2021 begann, als er als Einspringer mitten in einer Aufführung der Tosca am Royal Opera House in London die Vorstellung rettete und international von der Kritik gefeiert wurde. Früher Ruhm ist nicht immer eine ideale Voraussetzung für stimmliches Reifen. Aber von diesem begabten Sänger kann noch viel erwartet werden. Ein starkes Asset ist die Italianita, die die Stimme des britischen Tenors italienischer Abstammung auszeichnet.

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Alexey Markoc (Scarpia) und Lise Davidsen (Floria Tosca)

Lise Davidsens große Stimme, die sie repertoiregemäß längt auch schon in Richtung Richard Wagner geführt hat, ermöglicht ihr eine farbenreiche, nuancierte Auslotung der Rolle der etwas kapriziösen, aber auch verletzlichen  Diva, die, mit ungeheuerlichen Umständen konfrontiert, bemerkenswert über sich hinauswächst und Unvorstellbares leistet. Dazu kommt eine ausgefeilte Technik, die feingesponnenes Legato, glatte stimmliche Übergänge, hochdramatische Ausbrüche und zartestes Pianissimo mühelos entfalten lässt. Davidsen gelingt es hervorragend, Toscas Wandlung darzulegen, stimmlich wie auch darstellerisch. „Vissi d‘arte“ berührt. Ganz überzeugend ist die Interaktion zwischen Tosca und Cavaradossi an diesem Abend merkwürdigerweise doch nicht. Mag sein, dass sich nach so vielen gemeinsamen Auftritten innerhalb so kurzer Zeit doch etwas Routine eingeschlichen hat.

Die insgesamt stärkste Leistung des Abends erbringt der russische Bariton Alexey Markov, der bisher in Wien als Eugen Onegin, Tomski und Escamillo in Erscheinung getreten ist und nun als Scarpia so richtig zeigen kann, was für eine pralle stimmliche und darstellerische Palette an Ausdrucksmitteln ihm zur Verfügung steht und wie trefflich er diese einzusetzen weiß. Überragend sein gewaltiges, bedrohliches Einstimmen in das „Te Deum“ am Ende des ersten Akts und dann das hartnäckige, teils lauernde, teils werbende, dann wieder brutal zynische und grausame Spiel mit der in seinem verhängnisvollen Netz verfangenen Tosca, von ihm „Falke“ genannt.

Pier Giorgio Morandi ist der musikalische Leiter eines insgesamt sehr bewegenden italienischen Opernabends, an dessen Erfolg neben dem Orchester auch der Chor, Bühnenorchester und Opernschule beteiligt sind, und der einen würdigen Abschluss der Puccini-Opernaufführungen zum 100. Todestag ihres Schöpfers bildet.

 

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