Wiener Staatsoper: „VERISMO PUR“: TOSCA MIT UMBESETZUNG (5.12.2015)
Marie José Siri. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Puccini’s „Tosca“ gilt als Paradebeispiel von „Verismo pur“. Bei keiner anderen Oper ist das kreative Potential der Stars (und des Dirigenten) so gefordert. Und die Inszenierung von Margarethe Wallmann aus dem Jahr 1958 mit einer Ausstattung von Nicola Benois hat in den bis her insgesamt 582 Vorstellungen wirklich alles Erdenkliche erlebt. Brennende Perücken und wieder lebendig werdende Scarpias, fehlende Erschießungskommandos, geplatzte Perlenketten…
Bei der Wiederaufnahme der Puccini-Oper kam es zum makabren Höhepunkt. Beim finalen „Sprung von der Engelsburg“ brach sich Martina Serafin den Fuß und zog sich einen doppelten Bänderriss zu. Totalausfall für Monate. Und eine herbe Enttäuschung für alle, die sich auf das Trio Martina Serafin – Roberto Alagna und Michael Volle besonders gefreut hatten. Selten war die Papierform so vielversprechend und die Berichte von der Tosca am 2. Dezember bestätigten diese „Mär“! Nun also Tosca ohne die derzeit beste Vertreterin der Titelrolle.
Doch siehe da. Das Besetzungsbüro von Dominique Meyer fand vollwertigen Ersatz. Die aus Urugay stammende Sopranistin Maria José Siri, die vor fast zwei Jahren als Tosca in der Staatsoper debütierte (und seither auch als Maddalena in Andrea Chenier auftrat) sprang in der Titelrolle ein. Und begeisterte mit einer grandiosen Leistung, in der die dramatischen wie die lyrischen Aspekte genauso überzeugten. Eine stolze, attraktive Frau, die von Akt zu Akt besser wurde. In der „Psycho-Hölle“ der Folterszene des 2. Aktes, im Gebet und vor allem im Belcanto-Finale. Sonderapplaus für die lateinamerikanische Primadonna aus Montevideo, die auch den frischgebackenen „Kammersänger“ Roberto Alagna zur Höchstform animierte. Er widmete sich zu Beginn voll Innbrunst seinem Gemälde, schmetterte sein „Vittoria“ und begeisterte mit der „Sternenarie“ und den „Dolci mani“.
Leider war der Dritte im Bunde so gar nicht in Form. Michael Volle hatte schon im Finale des 1. Aktes Mühe mit dem Chormassen (Chor der Wiener Staatsoper, Leitung Martin Schebesta) und Orchester-„Fluten“. Dazu kam, dass der Dirigent Dan Ettinger den 1.Akt ( und später den 3.Akt)„verschleppte“. Im zweiten Akt wirkte der sonst als Wagner-Heldenbariton gefeierte deutsche Bariton jedenfalls regelrecht indisponiert. Die Szene vor dem Gebet konnte er nur durch Markieren retten. Überhaupt nimmt man ihm die sadistische Wollust nicht ab, über die ein guter Scarpia verfügen müsste.
Der aus Israel stammende Dirigent Dan Ettinger hatte ebenso nicht seinen besten Tag…Am besten gelang der 2.Akt mit der Folterszene. Ausgezeichnet die restlichen Mitwirkenden: Alfred Sramek als kauziger Mesner, Ryan Speedo Green als etwas ungeschlachter Angelotti, Benedikt Kobel als intriganter Spoleta, Hans Peter Kammerer als flinker Sciarrone und Il Hong als sonorer Schließer. Fast zum Eklat kam es beim zu leisen und unsicheren Hirtenjungen aus der Opernschule. Das darf es an der Staatsoper einfach nicht geben. Das Fazit: Sternstunden sind nicht planbar. Und : die Wallmann-Tosca für Renata Tebaldi möge uns noch lange erhalten bleiben.
Peter Dusek