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WIEN/ Staatsoper: THOSS/ WHEELDON/ ROBBINS – ein Rausch der Gefühle

02.11.2015 | Ballett/Performance

Wien/ Staatsballett in der Staatsoper: Thoss/Wheeldon/Robbins — ein Rausch der Gefühle

  1. Vorstellung des Ballettabends am 31. Oktober 2015

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Ioanna Avraam beim Training. Foto: Wiener Staatsballett/ Taylor

Der neue dreiteilige Ballettabend des Wiener Staatsballetts ist keine leichte Kost und schwer in Worte zu fassen. Dennoch: ein Versuch, Gedanken zu diesem Abend zu Papier zu bringen, und sei es nur, um zu verdeutlichen, daß das Programm unbedingt sehenswert ist. Denn eines ist gewiß: Das tänzerische Können der Compagnie ist längst auf Weltklasse-Niveau angelangt.

 Blaubarts Geheimnis von Stephan Thoss, einigen Ballettfreunden bereits aus der Volksoper bekannt, ist dennoch wieder völlig neu, da den Tänzern auf der großen Bühne der Staatsoper viel mehr Bewegungsfreiheit geboten wird. Natürlich ist dies verbunden mit der Aufgabe, den größeren Raum auch mit Ausdruck und Leben zu erfüllen.

 Zur Musik von Philip Glass entfaltet sich ein zwischenmenschliches Drama, das den aufmerksamen Besucher völlig sprachlos in die Pause entläßt. Inmitten von Dunkelheit tanzt als wärmendes Licht Alice Firenze die liebende Frau Judith, die unermüdlich bemüht ist, ihren Mann Kirill Kourlaev, Blaubart, aus den spinnengleichen Fängen seiner Mutter Rebecca Horner und den Leichen/Schatten der Vergangenheit zu befreien, und auch dessen Alter Ego Andrey Kaydanovskiy, zu bekämpfen. Ein beklemmendes Stück zu einer im ersten Moment monoton wirkenden Musik, das sich aber sehr schnell zu einer fesselnden, im wahrsten Sinne des Wortes gewaltigen Geschichte aufbaut.

 Christopher Wheeldon’s Fool’s Paradise zur Musik von Joby Talbot bringt eine ganz andere Ästhetik auf die Bühne. Paare und Gruppen verbinden sich, vermischen sich, gehen wieder auseinander, um in Schlußbild scheinbar zu einem Körper zu werden. Die Choreographie wirkt, als spielten Kinder: frei von Zwang, die pure Lust am Leben, an der Liebe und am Zusammenspiel.

 Ioanna Avraam und Eno Peci, Kiyoka Hashimoto und Davide Dato, Gala Jovanovic, Greig Matthews und Richard Szabo sowie Olga Esina mit Roman Lazik sind die Bewohner dieses Paradieses. Mit dem ersten Betreten der Bühne wird sofort spürbar, wer hier die Königin im Reich ist: Olga Esina tanzt derzeit auf dem Zenith ihrer Karriere.

 Nach einer zweiten, wohlverdienten Pause, sowohl für die Tänzer als auch die Zuschauer, folgt die Krönung des Abends; betrachtet man die farbenfrohe Ausstattung, eine meisterliche „Zuckerbäckerkrone“. Zu Ballettmusiken von Giuseppe Verdi hat der geniale Choreograph Jerome Robbins sich eine Reise durch die Jahreszeiten ausgedacht: The Four Seasons. Mit unglaublich viel Esprit und Humor entwickelt sich ein bunter Reigen durch das Jahr. Beginnend mit einem entzückendem frierenden Winter, Ioanna Avraam, läßt Robbins einen zögerlichen Frühling sprießen, Maria Yakovleva und Mihail Sosnovschi. Zart und elfengleich die Frühlingsdame, herausfordernd und jugendlich frisch ihr Partner. Ganz anders die schwüle Sommerhitze, anmutig und raubtiergleich Ketevan Papava und Robert Gabdullin. Man freut sich geradezu auf den Herbst, die Temperaturen lassen nach und noch ist die Erde reich an Leben. Hier gesellt sich zum Paar Liudmila Konovalova und Denys Cherevychko noch als erdiges Element der Faun, Davide Dato. Das tänzerische Feuerwerk, das diese drei Tänzer entzünden, überträgt sich auf die Zuschauer. Die Freude, dabei sein zu dürfen, ist nicht zu überhören.

 Beschwingt verläßt der Besucher nach dieser Wanderung durch die menschlichen Seelenregungen, denn dies ist das verbindende Element, das Haus. Einen bedeutenden Anteil an dem Erfolg darf das Orchester der Wiener Staatsoper unter Leitung von Alexander Ingram für sich verbuchen. Man sollte sich ruhig einmal in Erinnerung rufen, daß es nicht immer den Luxus gab, einen „gemischten“ Ballettabend mit Orchester zu erleben.

 Folgevorstellungen am 6. und 10. November 2015

 Ulrike Klein

MERKEROnline

 

 

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