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WIEN/ Staatsoper/ Staatsballett: NUREJEW-GALA 2017

30.06.2017 | Ballett/Tanz

NUREJEW GALA 2017 – das Wiener Staatsballett auf sicherem Erfolgskurs. 28.6.2017

Murmuration_Ensemble (c) Wiener Staatsballett - Ashley Taylor
„Murmuration“. Copyright: Ashley Taylor/ Wiener Staatsballett

Diese Nurejew Gala 2017 ist ein überlanger dreiteiliger Abend mit sich überstürzenden Eindrücken gewesen. Zu lang geraten vielleicht, um in allen der vierzehn präsentierten Programmnummern mit voller Lust mitzuleben. Tänzerische Schwachpunkte waren keine bemerkbar, doch einigen der aus ihren choreographischen Zusammenhängen herausgerissenenTanzepisoden mangelte es ein kleinwenig an Spannung. Vielleicht hat es auch an einem reinen Unterhaltungsstück gefehlt – doch einmal ohne Popmode-Draufgabe auszukommen sollte ja nicht zu bemängeln sein. Die Tänzer des Wiener Staatsballetts haben in der zu Ende gehenden Saison der Reihe nach ganz exzellente Leistungen erbracht. Es fehlt bloß ein eigens für das Ensemble geschaffenes Stück, welches zu einem echten Markenzeichen der Wiener Staatsoper werden könnte. Solche schwer erfüllbaren Wünsche können sich wohl auch andere große Kompanien nicht erfüllen. Es mangelt in den derzeitigen Strömungen und Entwicklungen in der Tanzkunst nicht an Könnern, an guten, sehr guten Choreographen, wohl aber an kreierenden geistigen Persönlichkeiten mit bahnbrechenden frischen Ideen. 

An genialen Choreographen-Persönlichkeiten hat es im 20. Jahrhundert nicht gefehlt. Jetzt in der Nurejew-Gala zu erleben: George Balanchine etwa. Ein Exzerpt aus seiner „Symphonie in C“ (1947, auf Musik von Georges Bizet) – da blitzt und funkelt es nach wie vor. Oder in seinem „Tschaikowski – Pas de deux“ aus dem Jahr 1960 wirbelten Gastsolistin Ludmila Pagliero und Jakob Feyferlik hochelegant und luftig federnd über die Bühne. Und Balanchines fulminanter Pas de deux aus „Stars and Stripes“ (1958, ein flottes US-John Philip Sousa-Potpourri) hätte auch Publikumsliebling Davide Dato diese Chance gegeben – Tänzertragik: persiflierend stolzierend und hoch durch die Lüfte segelnd setzte Dato unglücklich auf, eine Kniescheibe sprang heraus, er stürzte zu Boden, konnte sich nicht mehr bewegen, der Vorhang musste fallen.

Ein anderer, noch immer aktiver schöpferischer Schrittmacher aus früheren Jahre ist John Neumeier. Mit einem Ausschnitt aus „Magnificat“ (1987), feingeistig manieriert mit beseeltem Atem zu sakraler Musik von Johann Sebastian Bach. Und im finalen Solo seiner heuer in Wien einstudierten Version aus dem Jahr 1972 von Igor Starwinskis „Le Sacre“ tanzte sich Rebecca Horner die Seele aus dem Leib. Eine weitere Reminiszenz: Hans van Manen, Hollands großer stilbildender Tanzästhet, nun schon ein reifer Mittachziger, ist nach Wien gekommen, um mit Masayu Kimoto, Richard Szabó und Géraud Wielick sein 1997 kreiertes „Solo“ auf eine Bach-Violinpartita einzustudieren; grotesk furiose Soli, abwechselnd jeweils für die drei Tänzer. Und elegant bewältigten Maria Yakoleva und Roman Lazik eine heute nicht mehr allzu aufregende Episode aus Roland Petits „Proust ou les Intermittences du coeur“ (1974, Camille Saint-Saens).

Die eingeladenen Gäste Maria Shirinkina und Vladimir Shklyarov stellten sich in dem berühmten Adagio–Pas de deux aus Aram Chatchaturjans „Spartacus“ in Yuri Grigorowitschs Choreographie aus dem Jahr 1968 als perfekt posierende und völlig durchtrainierte Tanzathleten vor. Und Elena Vostrotina wirkte in William Forsyths „In the Middle, Somewhat Elevated“ (1987, also auch bereits eher historisch, zu grimmigem Sound von Thom Willems) wie eine in jeder Faser stahlgestählte Maschinendame. Den Auszügen aus Ludwigs Minkus´ „Die Bajadere“ in der Version von Rudolf Nurejew, darunter der wunderschön elegische ´Schattenakt´, schien es ein kleinwenig an poetischer Ausstrahlung zu mangeln. So auch dem durch die stilistisch ständig wechselnden Musikpiecen geforderten Orchester unter Kevin Rhodes.

Schließlich noch diverse Ausschnitte aus neueren Choreographien von Jorma Elo, Edwaard Liang, Liam Scarlett: Lebendig gemacht und gefällig, je nach Geschmack zu empfehlen. Und zuletzt noch: Masayu Kimoto ist nach der Gala von Ballettchef Manuel Legris vom Solisten zum Ersten Solisten empor gehievt worden. Und wenn die Namen der so vielen sehr fein tanzenden Damen der Kompanie hier nicht aufscheinen – vier von ihnen sind in der Hierarchie aufgerückt: Die Italienerinnen Elena Bottaro, Adele Fiocchi und Sveva Gargiulo sowie die Russin Oxana Kiyanenko dürfen sich nun für ihre sehr schwere und trotz anerkennendem Applaus kaum bedankter hingebungsvoller Hingabe nun Halbsolistinnen nennen.

Meinhard Rüdenauer

 

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