WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert YONCHEVA & MARTINEAU
1. Oktober 2024
Von Manfred A. Schmid
Die bulgarische Sängerin beginnt ihr Konzert mit italienischen Liedern, gewissermaßen zum Aufwärmen für die nach der Pause angekündigten Puccini-Arien. Auch hier stehen, neben Kompositionen von Paolo Tosti und Giuseppe Martucci, Beispiele aus dem Liedschaffen der beiden Titanen der italienischen Oper, Verdi und Puccini, auf dem Programm. Den Anfang machen vier Lieder von Giacomo Puccini, die von idyllischer Beschwörung von Licht und Liebe in „Sole amore“ über dem Traum vom Meer und Wind in „Terra e mare“ bis hin zu trostlose Gefühlsregungen in „Mentia l’aviso“ (Die Ankündigung war eine Lüge) führen, bevor sich die Gemütsaufwallungen in „Canto d’anime“ allmählich wieder beruhigen und in hellen, kraftvollen Tönen ausklingen.
Als nächstes folgte das Lied „Al folto bosco, placida ombria“ von Giuseppe Martucci, ein Komponist, der vor allem als Schöpfer von Instrumentalwerken, inspiriert von Wagner und Brahms, geschätzt wird. Martucci komponierte, in Italien eine Seltenheit, keine Opern, gerade aber dieses Stück aus seinem Zyklus La canzone die ricordi (Das Lied der Erinnerung), von Malcolm Martineau mit einer üppigen Einleitung kraftvoll in Gang gesetzt, nimmt sich ziemlich opernhaft aus und erinnert mit seiner gesteigerten Chromatik an Wagners Tristan und Isolde, bei deren italienischer Erstaufführung Martucci übrigens am Pult stand. Dieses Lied kommt dem Gefühl für Dramatik, das die Opernsängerin Sonya Yoncheva, neben ihrer ausgefeilten Technik, auszeichnet, sehr entgegen und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Ein Fixstern am italienischen Liederhimmel ist Paolo Tosti, ohne dessen reiches Schaffen die legendäre neapolitanische Volksmusik nicht zu denken wäre. Das Lied, „L’ultimo bacio“, kurz wie ein Kuss, erzählt von süßer Liebe und wird von Yoncheva mit mild strahlender Stimme ergreifend gestaltet. Im darauffolgenden Lied „Ideale“ betört die Sopranistin mit atemberaubender Zartheit.
Drei Lieder von Giuseppe Verdi beenden den ersten Teil des gut besuchten, nicht ganz ausverkauften Abends. „In solitaria stanza“ (In einem einsamen Raum) stammt aus der Frühzeit des Komponisten und beklagt in einem leicht fließenden, auf und ab schwingenden 6/8-Takt das Leiden einer schmerzgeplagten einsamen Frau. „Ad una stella“ ist die sanfte, von Bewunderung angetriebene Anrufung eines Sterns, die sich steigert und hauchzart ausklingt. Die letzte Nummer, „L’esule“, beginnt mit einer langen Einleitung am Klavier, entpuppt sich aber bald als eine farbenprächtige Opernarie en miniature mit Rezitativ und abschließender Kabaletta, mit der Yoncheva eigentlich schon perfekt in den zweiten Teil ihres Programms überleitet.
Nach der Pause erscheint Sonya Yoncheva, zuvor in Weiß gekleidet, in einem roten Kleid mit Schleppe, Rosenblätter verstreuend, auf der Bühne. Bestens vorbereitet für die nun folgenden Highlights aus Puccini-Opern. Den Beginn macht „Se come voi piccina“ aus dem ersten Akt der Oper Le Villi, in der die unschuldige Anna von ihrem Verlobten Roberto verlassen wird und an gebrochenem Herzen stirbt. In dieser Arie träumt sie, erfüllt von Sehnsucht nach baldiger Rückkehr Roberts, von ihrem gemeinsamen Leben. Yoncheva lotet in der zarten und nachdenklichen Musik die Emotionen Annas, von frohgemuter Kontemplation bis hin zu süßer Erwartung der Wonnen der Liebe, eindrucksvoll aus.
„Vissi d’arte“ , die Arie der Tosca aus dem zweiten Akt der gleichnamigen Oper, ist ein inniges Bekenntnis zur Kunst und fragt nach dem Warum eines die Diva heimsuchenden grausamen Schicksals. Yoncheva ist keine typische Spinto-Sopranistin, gestaltet diesen Gefühlsausbruch aber mit tiefem innerem Glanz.
Nach einem von hispanischen Rhythmen und Melodien geprägten Solo des Pianisten Martineau, dem Tango in D von Isaac Albeniz, bringt Yoncheva die berührende Liebesbeteuerung der Mimi „Donde lieta use“ zu scheuen und aufrichtigem Erblühen und beendet das offizielle Programm mit dem sehnsuchtsvoll vorgetragenen „Un bel di vedre“ der Cio-Cio-San aus Madama Butterfly, eine Rolle, in der sie in Wien bereits ebenso erfolgreich aufgetreten ist wie als Tosca.
Das begeistert applaudierende Publkum wird mit drei Zugaben belohnt, darunter eine überraschend feurige „Habanera“ aus der Carmen. In dieser Rolle wird sie an der Wiener Staatsoper natürlich nicht zu sehen sein. Freuen darf man sich in dieser Saison aber noch auf Auftritte von Sonya Yoncheva in Tosca, Iolanta und Andrea Chenier.