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WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert PRETTY YENDE

Sternstunde mit einem neuen Publikumsliebling

WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert mit PRETTY YENDE und VANESSA GARCIA DIEPA am Klavier

3. Mai 2023

Von Manfred A. Schmid

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Pretty Yende singt am Samstag bei der Königskrönung in London

Die angekündigte und erwartete Sternstunde mit Pretty Yende findet also doch statt. Nicht in Jules Massenets Oper Manon, in der sie zwar eine beachtenswerte Leistung erbringt, den Verdacht aber doch nicht ganz entkräften kann, dass die dem Luxus alles opfernde Titelfigur (noch?) nicht zu ihren passendsten Rollen gehört. Die Sternstunde ereignet sich im Solistenkonzert im ausverkauften Haus am Ring.

Der erste Teil ist, wie man in Österreich sagen würde, „a gmahte Wiesn“ für Pretty Yende. Bei Rossini, Bellini und Donizetti geht die aus Südafrika stammende Sängerin gewissermaßen ein und aus. Belcanto, perlende Koloraturen, Virtuosität und perfekte Technik sind beste Voraussetzungen für Rossinis Canzonetta „La promessa“. Ein beliebtes Konzertstück nach einem Text von Metastasio, bestens geeignet zum gesanglichen Aufwärmen, was auch für das anschließend dargebotene Lied „Vanne, o rosa fortunata“ von Vincenzo Bellini gilt. Gaetano Donizettis „Me voglio fa’ma casa“ und „L’Amor funesto“ sind ebenfalls auf vielen Einspielungen, von Georghiu bis Bartoli, zu finden. Auch von Pretty Yende gibt es eine auf youtube abrufbare Aufnahme davon. Da ist sie ganz in ihrem Element, leichtfüßig und kokett, mit ausdrucksvoller Mimik und sparsamen Gesten werden diese Ariettas und Canzones serviert. Das Publikum folgt begeistert

Der Mittelteil wirkt auf dem ersten Blick etwas ungewohnt. Debussy und Liszt würde man vermutlich nicht unbedingt auf einem Liedprogramm von Pretty Yende erwarten, doch  die ausgewählten Lieder klingen anmutig duftend und hell. Die fünf frühen Liedkompositionen von Claude Debussy, darunter „Clair de lune“ und „Apparition“, sind impressionistische Klangmalereien voll von Sonne und Licht. Ernster geht es dann in Franz Liszts Tre Sonetti di Petrarca zu. Kühne chromatische Verläufe und ungewohnte Harmonik stellen Herausforderungen dar, die die aus Südafrika stammenden Sopranistin und Vanessa Garcia Diepa, ihre wunderbare Begleiterin am Klavier, souverän meistern. Warum das so ist, begreift man erst, wenn man weiß, dass Yende mit diesen Liedern erstmals bereits 2014, also vor fast zehn Jahren, in einem Konzertsaal aufgetreten ist. Die langjährige Beschäftigung und Vertiefung tragen also gute Früchte. Außerdem sind die Petraca-Vertonungen kaum dem deutschen Liedschaffen verpflichtet, sondern vielmehr von italienischen Canzone-Traditionen beeinflusst.  Yendes Interpretation legt die Wurzeln dieser Stücke in der Musik von Bellini und Donizetti frei. Und dann versteht man auch, warum die Sängerin schon so früh von diesen beiden Kompositionen fasziniert war und das bis heute geblieben ist.

Ein überraschendes Terrain betritt Pretty Yende auch im Schlussteil des offiziellen Programms. Da geht es um südländische Rhythmen und Leidenschaften. Drei zündende, melodiensatte Lieder des spanischen Zarzuela-Komponisten Gerónimo Giménez sorgen für einen schwungvollen Ausklang, auf den dann noch drei enthusiastisch gefeierte Zugaben folgen. Darunter eine sehr freie, mit allerlei stimmlichen Raffinessen ausgestattete Version von „Una voce poco fa“, aus Rossinis Il barbiere di Siviglia, sowie der Broadway-Schlager „I want to  be a Prima Donna“. Pretty Yende besingt darin, mit feinem Humor und in bester Broasdway-Manier, einen Traum, der für sie längst in Erfüllung gegangen ist. Mit einer Ausnahme: Das für eine Primadonna typische Gehabe wird man bei dieser so natürlich gebliebenen und überaus sympathischen Sängerin vergeblich suchen.  Und auch deshalb wird sie geliebt und bewundert. Nicht nur vom Wiener Publikum, das in ihr längst schon einen neuen Publikumsliebling gefunden hat, sondern auch von King Charles. Sie wurde eingeladen, bei den Krönungsfeierlichkeiten am 6. Mai dabei zu sein und zu singen! Pretty Yende wird also von Wien direkt nach London fliegen. Gute Reise und Auf ein baldiges Wiedersehen und Wiederhören!

 

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