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WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert PIOTR BECZALA/TYSMAN

Intensives, wehmutsvolles Abschiednehmen

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Sarah Tysman (Klavier) und Piotr Beczala. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert PIOTR BECZALA / SARAH TYSMAN

18. April 2023

Von Manfred A. Schmid

In der Titelpartie der Oper Lohengrin feierte er eben erst einen großen Triumph, die Folgevorstellungen am 20. und 23 April sind restlos ausverkauft. Auch bei seinem Solistenkonzert ist die Staatsoper prall gefüllt. Kein Wunder: Der polnische Tenor Piotr Beczala befindet sich seit einigen Jahren in einem wunderbaren Flow. Gereift und am Höhepunkt seines Könnens angelangt, gelingt ihm einfach alles, ob es sich um duftige, zarte Lieder von Tschaikowski und Rachmaninow handelt, in denen das erwachende und stets auch gefährdete Leben im Frühling und die aufkeimende Liebe besungen werden, oder um einen Querschnitt aus Massenets Oper Werther, der tiefe Einblicke in die Seelenqualen eines hoffnungslos verliebten jungen Mannes eröffnet, der mehr und mehr in Verzweiflung stützt und im Tod die Erlösung sucht. Auch hier steht am Ende – in „Pourquoi me réveiller“ – die Beschwörung des Frühlings, auf den kein Sommer folgen wird. Die Wehmut liegt hier aber nicht allein in der Musik, sondern hat ihren Grund auch in einer ganz persönlichen Beziehung Beczalas zum Werther-Schwerpunkt in seinem Programm. Hiermit nimmt er, wie er in im Staatsopermagazin Opernring Zwei verrät, gewissermaßen „Abschied von der Rolle des Werther“. Dass dieser Hintergrund seiner Interpretation damit eine besonders emotionale Tiefe verleiht, macht diesen Programmteil zu einem einmaligen Ereignis.

Ein Schleier der Melancholie liegt auch über den meisten der anderen dargebotenen Lieder und Arien. Das beginnt schon mit dem Arioso aus Eugen Onegin, in dem der Dichter Lenski aufgewühlt seine ewige Liebe zu Olga beteuert: Diese Liebe, so verkündet er im Überschwang, werde keinem Schmerz und keiner Freude weichen und nie verglühen. Und doch weiß man bei Anhören dieser leidenschaftlichen Worte, dass sie sich nicht erfüllen werden. Dass hier der Keim des Scheiterns immer schon da ist, kann aus Beczala Gestaltung herausgehört werden. Beczala, der 2019 am Theater an der Wien in der Aufführung der polnischen Nationaloper Halka von Stanislaw Moniuszko mitgewirkt hat, legt bei seinem Konzerten großen Wert darauf, polnische Komponisten bekanntmachen. Die diesmal in das Programm aufgenommene Arie des Jontek beschwört ebenfalls eine zurückgewiesene Liebe.

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Es geht an diesem Abend also vor allem um Blütenträume, die nicht reifen werden, wie die Titel der Lieder „Warum sind die Rosen so blass?“, „In trüber Stund‘“ oder „Die Sonne ist untergangen“, aber auch die Auswahl von Massenets Arie „Elegie“ andeuten. Wehmut verströmt auch Rachmaninows Lied „Ne poi Krassavitsa“ nach einem Text von Puschkin, in dem die Sehnsucht nach der fernen Heimat Georgien und dem “fernen, lieben Mädchen” besungen wird. Sarah Tysman, Beczalas langjährige Partnerin am Klavier, beginnt mit einem orientalisch anmutenden Vorspiel, das ein Volksinstrument nachzuahmen scheint, und zeigt dabei auf, wie zentral die Rolle des Klaviers in Rachmaninovs Liedschaffen ist. Impressonistische und exotische Facetten tragen zum starken Gesamteindruck bei.

 Beczala beschließt das offizielle Programm mit je einer Arie aus Gacomo Meyerbeers L’Africaine und Jules Massenets Le Cid, die von der eher schwermütigen Stimmung der vorhergegangenen Stücke nicht merklich abweichen. Dankbar ist man für die Gelegenheit, diesen nicht so oft zu hörenden Arien wieder einmal begegnen zu können.

Ungetrübt versöhnlich geht es dann im Zugabenteil zu. Da steht im Mittelpunkt das kleine Glück, das es zu bewahren gilt und das alle Gefährdungen überdauern wird. Ein kleines Volkslied aus Polen als Liebeserklärung an seine Frau, das Lied „Still wie die Nacht von Carl Bohm und Lehars „Dein ist mein ganzes Herz“ als Umarmung des Publikums. Großer, herzlicher, begeisterter Applaus.

 

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