James Vaughan, Leo Nucci. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Wiener Staatsoper: PHÄNOMENALES „SOLISTENKONZERT LEO NUCCI-JAMES VAUGHAN“ (13.3.2019)
Es gibt sie ja doch – Persönlichkeiten, die die Gesetze der „Zeit“ widerlegen: Leo Nucci ist einer davon. Der 1942 in der Nähe von Bologna geborene Bariton debütierte vor 40 Jahren an der Wiener Staatsoper und lieferte 4 Jahrzehnte später ein phänomenales Solistenkonzert mit dem ausgezeichneten britischen Pianisten James Vaughan.
W
Schon der Auftakt brachte die Staatsoper zum „Kochen“: Leo Nucci begann mit seiner Paraderolle aus Rossini‘s „Il barbiere di Siviglia“. Brillant, wortdeutlich und Höhen-sicher. Unglaublich, wenn man das Geburtsdatum betrachtet! Mit dem „Faktotum der Welt“ hatte der 25jährige Nucci übrigens 1967 in Spoleto sein Bühnendebüt, 12 Jahre später debütierte er als Barbier auch an der Wiener Staatsoper. Die Qualitäten von Leo Nucci waren schon damals: eher schlanke Stimmführung in der Mittellage. eine angeborene Musikalität und dazu unglaubliche Kraft bei den Spitzentönen. Bei ihm hatte man nie das Gefühl, er forciere zu sehr, er betreibe „Raubbau“ seiner vokalen Mittel. Nur so ist es erklärbar, dass man sich mehr als halbes Jahrhundert an der Spitze eines Faches halten kann, das seit einiger Zeit unter „Ausdünnung“ leidet.
Zweites Charakteristikum von Leo Nucci: die Vielfältigkeit seiner Rollen. Und so war auch der aktuelle Abend aufgebaut. Nach Rossini kam eine weitere Rolle des „komischen Faches“ an die Reihe.: Puccini’s „Gianni Schicchi“- wieder ein Aufschrei der Begeisterung. Dann der „böse Bruder“ aus „Lucia di Lammermoor“ – eine Arie die dem Bariton Enrico alles abverlangt – Flexibilität, perfekte Artikulation und eine perfekte Höhe. Der Jubel steigert sich nochmals! Dann zwei Verdi-„Gassenhauer“- „Eri tu“ aus „Un ballo in maschera“ und dann die Arie des Montfort aus „I vespri siciliani“.
Nach der Pause ging es ähnlich weiter: zunächst der Prolog des Tonio aus „I Pagliacci“, dann die Arie des Vaters aus „La Traviata“. Weitere Höhepunkte: die Arie des Luna (der Rivale des Trovatore) und zum offiziellen Ausklang: „Cortigiani“ – die große Arie des Rigoletto. Jetzt sitzen auch die Piani, der Kontrast zwischen Zorn und Flehen ist kaum zu ertragen! Der Mann ist ein Phänomen! Dann 3 Zugaben: unter anderem die Arie des Franz aus Verdi’s „I masnadieri“ sowie die Arie des Gerard aus „Andrea Chenier“ „Nemico della patria?“ In den endlosen Jubel zuletzt zwei Operndirektoren: Dominique Meyer bringt seinen Vorgänger Ioan Holender als Gratulanten mit, der offenbar Leo Nucci noch als Agent an die Wiener Staatsoper vermittelt hat. Sei es wie auch immer: ein unvergesslicher Abend eines unvergleichlichen Sängers!
Peter Dusek