WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert JUAN DIEGO FLÓREZ / VINCENZO SCALERA
- November 2022
Von Manfred A. Schmid
Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Seit seinem Debüt an der Wiener Staatsoper 1999 als Graf Almaviva in Rossinis Barbiere di Siviglia gilt Juan Diego Flórez als internationale Größe im italienischen Fach. Als Tenore di grazia und als Belcanto-Tenor ist er ohnehin eine Klasse für sich und längst zu einem Publikumsliebling geworden, was neben seinem künstlerischen Können wohl auch mit seiner liebenswürdigen, sympathischen Persönlichkeit zu tun hat. Bewundert und verehrt werden auch andere Kollegen, ihn aber hat das Wiener Publikum tatsächlich ins Herz geschlossen, was bei seinem jüngsten Solistenkonzert, wo er innig gefeiert wird, wieder einmal bestätigt wird.
Floréz ist als Sänger und Darsteller unvergleichlich, was Kritikerkollegen schon zu weit hergeholten Assoziationen verleitet hat. „An exceptional virtuoso with an immaculate technique, he is the Roger Federer of opera, “ kann man in der englischen Tageszeitung The Telegraph lesen, und in der altehrwürdigen The Times wurde schon darüber spekuliert, was wohl der wichtigste Exportartikel von Peru sei, Floréz oder Paddington Bear. Dazu ist anzumerken, dass das beliebte britische Maskottchen laut seinem Schöpfer Michael Bond tatsächlich aus Peru stammen und in jungen Jahren mit einem Boot nach England gekommen sein soll. Juan Diego Floréz aber hat es nicht auf die Brexit-Insel verschlagen, sondern er lebt mit seiner Familie in Wien, wenn er nicht gerade wieder an einem der großen Opernhäuser gastiert.
Das Programm seines Soloabends mit seinem langjährigen Klavierbegleiter Vincenzo Scalera, der mit zwei Solostücken, darunter „Romanza senza parole in Fa maggiore“ von Verdi, brilliert und als bewährter Partner in Erscheinung tritt, ist ausschließlich italienischen Komponisten gewidmet. Mit einer Ausnahme: Floréz beginnt das Konzert mit Christoph Willibald Glucks „O del mio dolce ardor, einem melancholischen Liebesbekenntnis aus dem dramma per musica Paris und Helena. Darauf folgen zwei Stücke von italienischen Komponisten aus der Zeit des Übergangs von der Renaissance zum Barock bzw. aus der Entstehungszeit der ersten Opern Anfang des 17. Jahrhunderts. Giulio Caccinis „Amarilli, mia bella“ von Giulio Caccini schließt mit seiner klagenden Wehmut gut an Glucks Arie an. Die zunächst schlicht erscheinende Melodie entfaltet sich schmachtend und seufzend und wird zunehmend von erstaunlichen Manierismen und Koloraturen ausgeziert, die von Floréz mit perfekter Diktion und schönem Legato dargeboten werden. Wie sehr Floréz die damals charakteristischen Stilmerkmale verinnerlicht hat, zeigt er auch in seinere Gestaltung von Giacomo Carissimis strahlend dargebotenem „Vittoria, mio core“.
Ganz in seinem Element präsentiert sich der Florézdann in den ausgewählten Liedern aus Péchés de vieilesse, von Gioachino Rossini, bevor es mit Don Ramiros flammender Arie „Si ritrovariam io giuro“ aus der Oper La Cenerentola in die Pause geht.
Mit Arien aus dem italienischen Fach und aus Werken aus dem späten 19. Jahrhundert geht es danach weiter. Auf „A te, o cara“ aus I Puritani von Vincenzo Bellini folgen „Linda si riitirò“ aus Linda di Chamounix und „Seul sur la terre“ aus Dom Sebastien, Roi du Portugal, beides nicht so oft gespielte Opern von Gaetano Donizetti.
Der Rossini-Tenor Floréz verwandelt sich dann in einen Verdi-Tenor und verweist damit auf seinen seit einiger Zeit eingeschlagenen Weg hin zu einem lyrisch-dramatischen Tenor, der bislang nicht immer unbedingt geglückt ist. „Brezza des suo natio… Dal più remoto esilio… Odio solo ed odio atroce“ aus Giuseppe Verdis I Due Foscari wird aber – ebenso wie „Torna ai felici dì“aus Puccinis Opernerstling Le Villi – selbstbewusst und wunderbar phrasiert dargeboten.
Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Wer Juan Diego Floréz schon im Konzert erlebt hat, weiß, dass der Abend mit dem offiziellen Programm, begeistert bejubelt, noch lange nicht zu Ende ist. Was folgt, ist so umfangreich, dass es mit rund acht Zugaben eigentlich wie ein zweites Konzert gelten könnte. Nicht fehlen dürfen dabei, von ihm selbst auf der Gitarre begleitet, lateinamerikanische Volksweisen aus seiner Heimat, darunter das mit Hingabe gestaltete “Cucururrucucu Paloma“, gefolgt von Arien u.a. aus Romeo et Juliette, La Bohème („Que gelida manina“) und „Donna e mobile“ aus Rigoletto. Das macht ihm so leicht kein anderer nach. Dazu gehören hervorragende Technik, starke Präsenz sowie Liebe zur Musik und zum Publikum. Alles das ist in Juan Diego Floréz zum Glück in Übermaß vorhanden.
Manfred A. Schmid