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WIEN/ Staatsoper: SIEGFRIED

18.01.2016 | Oper

Richard Wagner: »Siegfried«


17. Jänner 2016

19.Vorstellung in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf


Tomasz Konieczny (Wanderer). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

I.
Nach dem Lento ma non troppo des Vorabends und dem Andante sostenuto des ersten Tages nun also das Scherzo des zweiten mit der Unterbrechung in der Komposition von 1857 bis 1869 am Beginn des zweiten Aufzuges. Adam Fischer setzte mit dem prachtvoll aufspielenden Staatsopernorchester — die Soli der tiefen Blechbläser! —, geführt von Rainer Honeck und Albena Danailova, dort fort, wo das Finale der Walküre in den höchsten Sphären verklang: nicht zu rasch und ohne den zwingenden Vorwärtsdrang anderer, aber den Themen breiten Raum gebend und weit ausschwingend. Und unter Beachtung der dynamischen Vortragszeichen, in welchen doch erst der ganze Unterschied liegt. Ein Wagner-Abend für Connaisseurs also, und von diesen mit gespannter Aufmerksamkeit bedankt.

II.
Scherzo. Herwig Pecoraro, der dem Mime schon in der Première 2008 Stimme und Spiel geliehen hatte, beschenkte die Zuhörerschaft mit einer vor allem schauspielerisch bewundernswerten Durchdringung seiner Partie und großer Textdeutlichkeit. Ein Kabinettstück seine Szene mit Siegfried im zweiten Aufzug! Natürlich könnte man beckmesserisch das eine oder andere anmerken, auch und vor allem im Rückblick auf jene aus der Vergangenheit in unsere Tage herüber winkende Sänger. Aber wer im Hier und Heute zwei oder drei bessere Interpreten zu benennen weiß, der trete vor.

Rätselspiele waren, wir erfuhren es, schon im 19. Jahrhundert sehr beliebt, vor allem bei den Göttern. Der Wanderer macht da keine Ausnahme. Man merkte es Tomasz Koniecny an seinem teilweise lausbübischen Gesichtsausdruck an, mit welcher Freude er bei der Sache war. Als »Rateonkel« auch mit dynamischen Schattierungen aufwartend, war er im dritten Aufzug ein stimmgewaltiger Göttervater, und wie er da mit den Orchesterausbrüchen mithielt, das allein nötigt einem schon Respekt ab. Es ist ihm und uns zu wünschen, daß er eines Tages jene dynamische Differenzierung, mit welcher er uns in der letzten Walküre beschenkte, auch als Wanderer zur selben Meisterschaft führen möge.

III.
Trio. Lustvoll trat Tomasz Koniecznys Wanderer an, den Alberich Jochen Schmeckenbechers zu verhöhnen und Fafner, den Wurm, zu Unzeit zu wecken. Letzterer, erstmals in Wien von Sorin Coliban interpretiert, ist Siegfried ein fairer Verlierer und gab ihm vor seinem Verscheiden noch wertvolle Tips. Sorin Coliban tat dies gestern mit sonorer und voller Stimme. Jochen Schmeckenbecher schloß an seine gute Leistung im Rheingold an, mit sichtlichem Spaß am Spiel.

»Siegfried und Fafner bezeichnen wir als Kasperl und das Tier, welches ihn happen will, R. sagt, es ist derselbe Typus.«, notierte Cosima Wagner in ihrem Tagebuch (16. Oktober 1870). Was Wunder, dass unser unbekümmerter Held auch hier das Fürchten nicht lernte. Dazu bedurfte es schon des Rats des erstmals von Andrea Carroll gesungenen Waldvogels, sich doch auf die Suche nach Brünnhilde zu begeben. (Wie wir nicht erst seit Loriot wissen, ist dies jener Augenblick, in dem jeder junge Mann zum ersten Mal in seinem Leben nackte Furcht empfindet und nach seiner Mutter ruft.) Andrea Carroll also, das junge Ensemble-Mitglied, wieder mit vollem, runden Sopran, sicher, doch in manchen Phrasen noch verbesserungswürdiger Textdeutlichkeit. Nach den bisher gezeigten Leistungen wird es spannend sein, die weitere Entwicklung dieser Sängerin zu beobachten. 

Und schließlich soll auch Anna Larsson als Erda nicht unerwähnt bleiben, die von Wotan im Schlaf gestörte Wala. Stark verbessert gegenüber dem Rheingold, präsentierte sich Anna Larsson gestern in jener stimmlichen Verfassung, welche man von dieser Sängerin gewohnt ist. 

IV.
Coda. Linda Watson sang die Brünnhilde, welche — eher ungewöhnlich für eine Frau — ihren Neffen bereits liebte, bevor dieser noch geboren war. Sie bot ebenfalls eine sehr gute Leistung. Mag die Partie auch kurz sein, Wagner verlangt der Sängerin einiges ab und führt (man jubelt schließlich in C-Dur) die Stimme des öfteren bis zu diesem Ton. Mit einem auch nicht gerade im piano säuselnden Orchester galt es da also einige Herausforderungen zu meistern.  Siegfried, der Neffe und Titelheld, wurde zum ersten Mal in dieser Inszenierung von Christian Franz interpretiert. Er war der Retter des Abends in zweifacher Hinsicht: Kurzfristig für Stephen Gould eingesprungen, griff er, nicht unbemerkt vom Wanderer, schon im ersten Aufzug des öfteren nach der Flasche. Intime Kenner der Szene wunderten sich, da wurde nach der ersten Pause die Erklärung nachgeliefert: Unser aller Held litt an einer fiebrigen Darminfektion und nahm es trotzdem auf sich, den Abend zu singen. Dafür ist Christian Franz, der sich im übrigen wacker schlug und über seiner Unpäßlichkeit das Spiel mit seinen Kollegen keineswegs vernachlässigte, uneingeschränkt Respekt zu zollen. Bewaffnet mit Feldflaschen und auch dem einen oder anderen auf der Bühne eingenommenen Medikament, sang er bis zum Schluß aus. Wir wünschen ihm, daß sich seine Stimme bis zur Götterdämmerung von diesem Par force-Ritt erholt und er wieder gesund wird.

Wiederum großer Jubel. 

Thomas Prochazka
MerkerOnline
17.
Jänner 2016

 

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