WIENER STAATSOPER: SALOME Salome – die letzte und die beste der Serie
Mit einer imposanten Vorstellung ging diese Serie von Salome, der dritten Oper von Richard Strauss zu Ende. Was von diesen vier Abenden am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben wird, ist die unglaubliche Qualität der schauspielerischen Leistungen. Alle Rollen waren gewissenhaft gestaltet und es wurde verdeutlicht, dass auch nach über vierzig Jahren und über 200 Vorstellungen in einem realistischen Umfeld eine spannende Geschichte dargestellt werden kann – wenn man kann! Die Regie von Boreslaw Barlog in der Ausstattung von Jürgen Rose ist einfach, funktionell und schön.
Imposant waren auch die Klänge aus dem Orchestergraben. Simone Young ist ja dafür bekannt, dass sie nicht zum „Kleckern“ sondern zum „Klotzen“ neigt – mit den diesmal aufgebotenen, stimmgewaltigen Gesangssolisten ist ihre Rechnung voll aufgegangen und wir kamen in den Genuss einer kraftvollen, mitreißenden Interpretation, die an vielen Stellen ein intensiveres Erlebnis als gewohnt hervorriefen. Die temperamentvolle Dirigentin, die auch optisch ein Kraftwerk verkörpert, verlor aber nie die Feinfühligkeit, die den Sängern jede Gestaltungsmöglichkeit erlaubte. Das Staatsopernorchester in Höchstform nahm die Möglichkeiten zum Schwelgen ausführlich an und verzauberte uns mit Perfektion und Gefühl. Die Holzbläser gestalteten die typischen Salome-Stimmungen, die sechs Wiener Hörner klangen außergewöhnlich berührend, die anderen Blechbläser erzeugten mächtigen, bedrohlich wirkenden Ausdruck und die Streicher komplettierten das, was wir als „Wiener Strauss- Kompetenz“ so schätzen.
Der Schleiertanz und die „Verliesgitter-Zumachmusik“ wurden zu aufwühlenden symphonischen Erlebnissen.
Die amerikanische Sopranistin Catherine Naglestad entwickelte sich im Laufe dieser Serie zu einer fulminanten Salome und ließ in den letzten beiden Vorstellungen keine Wünsche offen. Ihr hochdramatischer Sopran klingt auch in der Tiefe und im Piano präsent und kündet von einer großen Stimme. Obwohl die glockenhellen, zarten Töne berührend klangen, waren doch ihre temperamentvollen, fast hysterischen Ausbrüche der dominierende Eindruck. Das Finale, in dem sie scheinbar mit Leichtigkeit, ohne unangenehme Schärfe über die Young’schen Klangstürme hinwegsang, war nachhaltig beeindruckend.
Einen ähnlich mächtigen Eindruck hinterließ Tomasz Konieczny als Jochanaan. Er war schon aus dem Kerker deutlicher zu hören als manche seiner Rollenvorgänger von der Rampe. Sein bedrohlicher Bassbariton passt hervorragend zu der Figur des besessenen Predigers; trotzdem gelang die Szene, in der er von IHM berichtet, mit hingebungsvoller Zartheit. Die leidenschaftliche Darstellung des unbeirrbaren Märtyrers macht den Jochanaan zu einer Rolle, in der wir Tomasz Konieczny – wie auch als Alberich und als Kurwenal – jederzeit gerne wieder erleben möchten.
Auch das Königspaar war in dieser Serie einfach sensationell. Für Herwig Pecoraro ist die Partie des Herodes – neben dem Mime – zu der Traumrolle geworden. Sein dominanter Tenor erlaubt ihm den stimmlichen Ausdruck dieses grenzwertigen Charakters ohne Kompromisse; die schauspielerische Gestaltung war einzigartig und wurde von Elisabeth Kulman als Herodias kongenial ergänzt. Auch sie ist stimmlich in beneidenswerter Verfassung und erfreut selbst in dieser exaltierten Rolle mit angenehmen tiefen Tönen. Die Darstellung der zänkischen, hysterischen Furie gelingt mit vielen kleinen Gesten mit beängstigender Überzeugung, sodass man mit dem herzlosen, abartigen Herodes fast Mitleid bekommen könnte – wer solch ein Weib gefunden: „brrr!“
Eine berührende Szene neben der Haupthandlung boten Norbert Ernst als Narraboth und Ulrike Helzel als Page. Nicht nur, dass die beiden Ensemblemitglieder stimmlich diese kleinen, aber so wichtigen Rollen souverän bewältigten, spielten sie diese Beziehung mit einer noch nie gesehenen Innigkeit. Man spürte förmlich, wie der Hauptmann an der Kaltherzigkeit der verwöhnten Prinzessin leidet und schließlich zerbricht; und wie der Page liebevoll – aber vergeblich – versucht, Narraboth zu trösten und zu retten: Kompliment! – Große Schauspielkunst!
Eine der eindrucksvollsten Szenen stellt der Streit der Juden dar – wenn sie gut dargestellt wird. Diesmal hat sowohl musikalisch – mit schrillen Dissonanzen – und schauspielerisch alles gepasst, was den „fünf Juden“ Jason Bridges, Michael Roider, James Kryshak, Benedikt Kobel und Ryan Speedo Green zu danken ist. Ein köstliches Detail am Rande lieferten die beiden Nazarener Dan Paul Dumitrescu und Clemens Unterreiner. Staunend und verständnislos verfolgten sie das Gezänke der Juden von der Seite; mischten sich aber dann ein, als ihre religiösen Ansichten berührt wurden und übernahmen mit luxuriösem, balsamischem Gesang die Szene. Genau mit so einer Luxusbesetzung merkt man, welches Potential in diesen kleinen Miniaturen stecken kann!
Alfred Sramek und Il Hong als Soldaten, Jens Musger als Cappadocier und Daniel Lökös ergänztem mit gutem Gesang und Spiel den tollen Gesamteindruck dieses kurzen, aber intensiven Opernabends. Der frenetische Applaus zeigte, dass nicht nur wir begeistert und beeindruckt waren.
Maria und Johann Jahnas