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WIEN / Staatsoper: SALOME

Hauptsache: Es stinkt nicht zum Himmel, nicht einmal bis zur Galerie

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Tomasz Konieczny (Jochanaan), Vida Mikneviciute (Salome). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: SALOME mit Rollendebüts

14. Aufführung in dieser Inszenierung

21. September 2024

Von Manfred A. Schmid

Die Leistungsschau mit Neuinszenierungen aus den ersten vier Jahren von Bogdan Roscic als Staatsoperndirektor geht hurtig weiter. Nach Carmen und La Traviata ist nun, unterbrochen nur von der Wiederaufnahme von Roméo et Juliette, Richards Strauss‘ Salome an der Reihe, gefolgt von Le Nozze di Figaro, bis dann mit der Don Carlo-Premiere wohl die vorläufige Krönung ins Haus steht. Das stolze Schaulaufen findet dann auch im Oktober seine Fortsetzung, wenn mit Don Giovanni und Cosi fan tutte Barrie Koskys Mozart/DaPonte-Zyklus komplett wieder zu Aufführung kommt und mit Macbeth eine weitere Neuerung im Repertoire auf dem Programm steht. Eine beachtliche Reihe von Innovationen jedenfalls, mit denen Roscic und sein Chefdramaturg Sergio Morabito der Wiener Staatsoper ihren eigenwilligen Stempel aufgedrückt und viel Aufsehen – die einen sagen so, die anderen sagen so – erregt haben.

Cyril Testes Salome, die im Februar 2023 die jugendstilgeschwängerte Vorgängerinszenierung von Boleslav Barlog ablöste, an der man sich schon sattgesehen hatte, hat einige Vorzüge aufzuweisen, ist aber nicht unumstritten. Die Einführung von zwei weiteren Salomes – eine im Kindesalter und eine als Teenager – lässt das Missbrauchstrauma, unter dem die Titelfigur leidet, plausibel werden und wird auch im Schleiertanz, auch wenn er ganz ohne Schleier und mit nur wenig Tanz abläuft, dramaturgisch gut umgesetzt. Nicht gelungen ist hingegen die erschütternde, wohl auch heute noch geradezu skandalös wirkende Schlussszene. Da kann auch Vida Miknevciute, in der Barlog-Inszenierung noch 2019 gesanglich und darstellerisch grandios, den unerhörten Wunsch Salomes, das abgeschlagene Haupt des Propheten zu küssen, nur bedingt dramatisch wirksam umsetzten. Dass der Kopf von ihr wie eine Art Skalp am Schopf herumgetragen und zwischendurch dem Überbringer aufgesetzt wird, mag zwar andeuten, dass sie in ihrem Wahn den ganzen leibhaftigen Jochanaan zu umarmen glaubt, ist aber nicht so überzeugend wie die übliche Präsentation des Kopfes auf einem Silbertablett, die den ausgedehnten Liebesmonolog mit diesen makabren Gegenüber so einzigartig macht. Die litauische Sopranistin singt mit ihrer hellen, silbrig glänzenden Stimme ausdrucksstark und mit großer Wortdeutlichkeit und macht das darstellerisch Mögliche daraus.

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Matthäus Schmidlechner (Herodes), Monika Bohinec (Herodias)

Gespannt sein durfte man auf das Rollendebüt von Monika Bohinec. Ihre Herodias ist eine blasierte, elegant Zigaretten am langen Spitz rauchende Dame, bühnenpräsent, wie zu erwarten, und eine durchaus einprägsame Erscheinung. Eine Frau ohne Gewissensbisse, souverän und selbstbewusst. Nicht gerade furchterregt nimmt sie die Anschuldigungen Jochanaans zur Kenntnis, ist aber dann doch erleichtert, als ihre Tochter dessen Kopf verlangt. Auch stimmlich überzeugend. Anfangs, im Vergleich zu Herodes und Salome, vielleicht noch eine Spur zu leise, was sich dann aber legt.

Neu ist auch der österreichische Tenor Matthäus Schmidlechner, der nach langjähriger Tätigkeit am Landestheater Linz und einem gelungenen Hausdebüt als Mime nun Ensemblemitglied der Staatsoper ist und einen windigen Tetrarchen abgibt. Ein Charaktertenor, der an den Herodes von Herwig Pecoraro denken lässt und in dessen Repertoire sowie in dem des unvergessenen Heinz Zednik gewiss gute Figur machen wird.

Wie Mikneviciute ist auch Tomasz Konieczny schon in der Vorgängerinszenierung aufgetreten und noch in bester Erinnerung. In der neuen Inszenierung ist Jochanaan nicht der die Avancen von Salome von Vornherein brüsk zurückweisende Prophet, sondern es gibt Momente, in denen er mit der Versuchung zu kämpfen hat, sich von Salome berühren lässt und ihre Anschmiegsamkeit erduldet, bis er sich ihrer Annäherungen dann klar und endgültig entzieht. Ein Gottesmann im Test seiner Keuschheit, was die blutjunge Verführerin, ihrer Wirkung auf die Männer voll bewusst, nur umso mehr anstachelt. Diese Verunsicherung drückt sich auch in seinem Gesang aus, der sich von den bestimmten und klaren Tönen, mit denen er seine Warnungen und Ermahnungen aus dem Verlies kundtut, ziemlich deutlich unterscheidet und nicht ganz so homogen ist, sondern fragil und unbeständig wirkt. Die starke Gestaltung eines temporären Ausnahmezustands, auch wenn der polnische Bassbariton am Anfang in der Tiefenlage kurz in Bedrängnis geraten sein mag.

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Alma Neuhaus (Page), Monika Bohinec (Herodias)

Daniel Jenz aus dem Ensemble ist ein famoser, Salome bedingungslos anbetender Narraboth, der von ihr manipuliert wird und ein tragisches Ende nimmt. Alma Neuhaus, ebenfalls eine Hausbesetzung, debütiert als Page mit einigen Schwierigkeiten mit den tiefen Tönen dieser Rolle.

Sämtliche Besetzungen der weiteren Nebenrollen kommen ebenfalls aus dem Ensemble. Die vier Juden, Lukas Schmidt, Andreas Giovannini, Carlos Osuna, Hiroshi Amakov und Evgeny Solodovnikov, werden bei ihrem Streit über Herkunft Joachanaans Herkunft von Orchester leider übertönt, was aber zum Glück der einzige Einwand gegen das ansonsten dynamisch perfekt abgestimmte und, was Tempi betrifft, dramatisch fein ausgewogene Dirigat Philippe Jordans bleibt.

Gut bewähren sich Clemens Unterreiner und Jusung Gabriel Park als Nazarener sowie Ilja Kazakov und Marcus Pelz als Soldaten. Für die entbehrlichen Duftnoten sorgt angeblich wieder der auf dem Programmzettel mit Porträtfoto verewigte französische „Meisterparfümeur“ Francis Kurkdjian. Gewiss eine wichtige, jedenfalls erwähnenswerte  Komponente dieser Produktion. Aber man riecht nichts, und es stinkt auch nicht. Wenigstens nicht bis in die Galerie. Doch was da ohnehin für die Ohren und großteils auch für die Augen geboten  wird, genügt vollauf und wird mit begeistertem Applaus gefeiert. Während es in der Volksoper etwa zur gleichen Zeit, wie man nachlesen kann, Buhrufe für die inszenierende Lotte de Beer gibt. Die dortige Salome von Luc Bondy kann allerdings mit der Staatsopern-Salome durchaus mithalten. Die neue Carmen offenbar nicht. Angesichts der gefeierten sozialkritischen Carmen von Calixto Bieto wäre da schon ein anderes Kaliber gefragt gewesen. Aber das ist eine andere Geschichte…

 

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