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WIEN / Staatsoper: RUSALKA

27.01.2014 | Oper

Rusalka sie und Wassermann Rusalka sie
Fotos: Barbara Zeininiger

WIEN / Staatsoper:
RUSALKA von Antonín Dvorák
Premiere: 26. Jänner 2014

Mit ein paar Buh-Rufen für das Leading Team ist immer zu rechnen (nicht, dass sie gänzlich unberechtigt gewesen wären) – aber im Großen und Ganzen erinnert man sich seit langem nicht an einen so stürmischen Premierenerfolg an der Wiener Staatsoper. Und das mit Dvoraks „Rusalka“, die zwar wirklich berühmt und musikalisch schlechtweg anbetungswürdig ist, als Geschichte aber nicht viel hermacht – dreieinhalb Opernstunden, deren inhaltliche Dürftigkeit in jeder Hinsicht zu kompensieren ist. Was den musikalischen Teil des Abends betrifft, so ist es nahezu vollinhaltlich (kleine Abstriche hier und dort) gelungen.

Die titelgebende Wassernixe ist ein bedauernswertes Geschöpf: Da verliebt sie sich in einen Menschen und fragt gar nicht, ob er es auch wert ist (wie es Frauen im Lauf der Weltgeschichte eben immer wieder passiert). Sie gibt ihre Nixenexistenz für eine stumme Menschenexistenz auf, wird schnell enttäuscht (ohne dass man ihr mögliches Glück dazwischen erlebte) und kann den immer noch Geliebten am Ende nur noch in den Tod holen bzw. begleiten: Dafür darf sie über weite Strecken des zweiten Aktes nichts singen. Aber sonst! Und hier schlägt die Stunde der Krassimira Stoyanova. Man hat viel Gutes und Schönes von ihr gehört (und manches nicht ganz so Überzeugende), aber die Rusalka ist für ihre Stimme wie Persönlichkeit zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt die Rolle ihres Lebens. Was Dvorak da zwischen Lyrik und Dramatik verlangt, meistert sie mit links, herrliche Kantilene, blühende Höhen (die wirklich nie in Schärfe ausarten), wunderbar verhaltene Pianophrasen, kurz, das stimmt alles. Und sie spielt das leider durchwegs gequälte Geschöpf ohne Übertreibung mit so viel Innigkeit und Überzeugungskraft, dass der Eindruck kaum perfekter sein könnte. Eine solche Titelrollensängerin ist die halbe Bank einer Produktion, und die anderen Protagonisten erfüllen die andere Hälfte mehr als zufrieden stellend.

Wenn Michael Schade sein Repertoire von Mozart und dem „vorsichtig“ angegangenen deutschen Fach (womit nicht sein Versuch mit Florestan gemeint ist) ausweiten will, ist er sicher bei den Slawen richtig. Seine Erscheinung – zu Beginn im Jägergewand mit Jägerhut, einem fülligen Ludwig II. gleichend – ist vielleicht nicht die eines jungen Prinzen, aber stimmlich meistert er die Partie fraglos. Vielleicht nicht immer so strahlend, wie es möglich wäre, und am Ende mit seinem Abschied von der Welt mehr ersterbend als glanzvoll, aber das kann ja auch Konzept sein. Kurz und gut – eine sehr gute Besetzung.

Rusalka sie und Prinz

Dritter im Bunde (und vom Beifall für die Protagonisten an zweiter Stelle, ehrlich bejubelt) ist hier Günther Groissböck als Wassermann, der nach seiner Anfängerzeit nun mit großen Rollen an die Staatsoper zurückkehrt. Natürlich ist er kein rauer, schwarzer Baß, wie ihn die Kollegen aus dem Osten in dieser Rolle hören lassen, aber als kraftvoller Kavalierbariton dunkler Prägung meistert er sie tadellos, zumal er mit langem weißen Haar (wie sie die Elben in Science-Fiction-Filmen tragen), weißem Gesicht, schwarzem Gewand und höchster darstellerischer Intensität sich immer wieder ins Zentrum spielt. Zu Beginn wird Wagner (der ja auch ununterbrochen auf das Schönste durch die Partitur geistert) höchst präsent, wenn dieser Wassermann mit seinen Wasserelfen posiert wie Alberich mit den Rheintöchter, wobei er hier allerdings immer wieder klar machen muss, dass er eigentlich in Rusalka verliebt ist…

Monika Bohinec bekam mit der fremden Fürstin, die man oft hoch besetzt, als Ensemblemitglied eine Chance, die sie mit ihrem voll klingenden Mezzo nützte, wenngleich ihre hohen Töne und der immer „böse“ Gesichtsausdruck den Eindruck ein wenig schmälerten (wer verführerisch wirken will, soll auch so dreingucken und nichts Brunnenvergiftendes ausstrahlen). Seltsam, wie reduziert und im Grunde stimmschwach Janina Baechle als Hexe Jezibaba erschien, da wäre mehr herauszuholen gewesen.

Erstmals konnte Gabriel Bermúdez auf Staatsopernbrettern überzeugen, als Heger an der Seite des lebhaften Küchenjungen der Stephanie Houtzeel erfüllten die beiden ihre Funktion als komisches Element der Oper. Dass sie so elend krepieren müssen, danken sie dem Regisseur. Auch dass die drei Elfen (stimmlich allen voran Valentina Nafornita, aber auch Lena Belkina und Ilseyar Khayrullova weitgehend auf der Höhe ihrer Aufgaben) zu blutrünstigen Kannibalinnen werden, ist eine seltsame Idee – nicht die einzige dieses Abends, die die drei jungen Damen zuerst mit Stohhütchen und den langen Nachthemden von Internatsschülerinnen auf die Bühne schickt, um sie bald in Nüttchen zu verwandeln, die zu ihren hautengen Kleidern noch künstliche Hängebrüstchen verpasst bekommen…

Sprechen wir also von der Regie zuerst. Was Sven-Eric Bechtolf und das Ehepaar Glittenberg (Rolf für das Bühnenbild, Marianne für die Kostüme) jeweils als Team zeigen, ist hochgradig Geschmackssache und in Wien langsam ein bisschen sehr häufig. Das prägt unseren „Ring“ jetzt wohl auf Jahrzehnte, das geht manchmal ganz dumm (wie in „Cenerentola“), manchmal ein wenig besser (wie in „Arabella“) aus. Die besagte Geschmackssache ist es wohl auch bei der „Rusalka“, die „Wasser“-Geschichte schlechthin ohne Wasser, dafür Schnee, und das angebliche Märchen in einer Trostlos-Landschaft dürrer Bäume vor dem Hintergrund einer Betonwand, offenbar ein Abbruchhaus. Da könnte man ganz gut „Warten auf Godot“ oder anderes Absurdes spielen.

Andererseits ist „Rusalka“ ja ein extrem tragisches Märchen, wenngleich man ihm nicht noch Märchenhaft-Böses (wie die Mord- und Schlachtszene im dritten Akt) aufdrücken sollte. Und man fordert durch ein solches Ambiente die Regie – wenn da kein Wasser ist, in dem man den Prinzen laut Vorlage final ertränken könnte, muss man ihn halt für Absterbens Amen an einen Baumstamm fesseln. Was soll’s, ist ohnedies alles erlaubt.

Seltsam liest sich’s natürlich im Programmheft: „Eigentlich muss man es schaffen, dass das Publikum während der Vorstellung ein bisschen den Verstand ausschaltet und diese seltsamen, düsteren und manchmal auch grotesk komischen Szenen auf sich wirken lässt und anschließend darüber nachdenkt, was ihm da eigentlich erzählt wurde“, meint der Regisseur. Wenn das Bilder von so vagem Nichtssagen ergibt wie etwa das „rote“ Bühnenbild als Prinzenpalast im 2. Akt und darstellerisch oft nicht mehr als leeres Herumgestehe, da wird man mit dem Nachdenken, was man da gesehen hat, nicht weit kommen. Dann ist es wieder einmal nicht mehr als eine Aufführung ohne Eigenschaften, die sich mit ein paar Exzentrizitäten „modern“ schmücken will… Dazu muss auch Choreograph Lukas Gaudernak beitragen, der im zweiten Akt ein Paar (das Programmheft identifiziert sie nicht) mit einer Albernheits-Kopulationsszene über die Bühne tanzen lässt…

Aber zurück vom Regieteam, das ein paar Buh-Rufe bekam, zum stürmischen Erfolg, und der ging auch auf den ultimativen Glücksfall des Abends zurück, auf den Dirigenten Jirí Belohlávek. Wenn jemand eine so außergewöhnlich schöne, seelisch reiche, kostbare Musik geschrieben hat wie Dvorak für „Rusalka“, dann ist es auch legitim, diese ohne Abstriche als solche zu interpretieren. Wissen die Götter im Musikhimmel, wie er es gemacht hat, aber unter Belohlávek klangen die Philharmoniker, als seien sie mit Moldau-Wasser getauft, sie interpretierten diese Mischung aus Spätromantik, Wagner und slawischem Melos so hinreißend, dass man sich nicht satthören konnte. Und das, dank des Dirigenten, in voller Einbindung der Sänger, ein musikalisches Gesamtkunstwerk. Es wurde auch, schon vom ersten Akt an, bejubelt wie seit langem nichts.

Renate Wagner

 

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