WIEN / Staatsoper: ROSSINI-GALA – 08.07.2022
Das „Gala-Ensemble“. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Mit einem fulminanten Gala-Konzert ging nicht nur das Gastspiel der Oper von Monte-Carlo, sondern zugleich auch die Spielzeit an der Wiener Staatsoper zu Ende.
Vor Beginn der Vorstellung wies Direktor Bogdan Roščić noch einmal darauf hin, dass es sich bei diesem Konzert um eine Benefiz-Gala zugunsten von AMADE (Association Mondiale des Amis de l’Enfance) unter der Schirmherrschaft und Präsidentschaft von I.K.H. Prinzessin Caroline von Hannover handelt und alle Mitwirkenden unentgeltlich auftreten.
Wie auch an den Abenden zuvor spielten Les Musiciens du Prince – Monaco unter der musikalischen Leitung von Gianluca Capuano. Es standen Ausschnitte aus neun Opern von Gioachino Rossini auf dem Programm. Aber auch an diesem Abend handelte es sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) nicht um ein reines Konzert, das die Sänger in Frack und Abendkleid absolvierten, sondern um gespielte Opernszenen. Es wurde zu jeder Szene ein passenden Foto auf die Riesenleinwand projiziert (eine mittelalterliche Burg für „Le Comte Ory“, Innen- und Außenansichten eines alten Schlosses für „La Cenerentola“, ein Meeresstrand für „L‘Italiana in Algeri“, ein babylonisches Tor für „Semiramide“ etc.) und mit passenden Kostümen und wenigen Requisiten (ein Sofa, ein kleiner Tisch, ein paar Stühle etc.) erweckten die Künstler den jeweiligen Opernausschnitt zu einer kleinen gespielten Opernszene.
Den Auftakt machten zwei Ausschnitte aus „Il barbiere di Siviglia“. Nach der Ouvertüre konnte Nicola Alaimo mit der Auftrittsarie des Figaro („Largo al factotum“) beweisen, dass er nicht nur im Buffo-Fach zu Hause ist, sondern auch stimmlich fulminant zu reüssieren weiß.
Levy Sekgapane, Cecilia Bartoli. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
In der Szene „Tutto è deserto … Un soave non so che“ aus „La Cenerentola“ konnten wir noch einmal Cecilia Bartoli als berührende Angelina erleben, diesmal an der Seite von Levy Sekgapane. Der junge Sänger aus Südafrika besitzt einen typischen, für dieses Fach erforderlichen Tenore di grazia mit erstaunlicher Höhensicherheit.
Mit der Arie des Don Magnifico („Miei rampolli femminini“) aus „La Cenerentola“ kehrte Alessandro Corbelli noch einmal an die Wiener Staatsoper zurück und bewies neuerlich seine Kompetenz in dieser Rolle. Zwischen 1987 und 2020 trat er immer wieder hier, vor allem im Buffo-Fach, erfolgreich auf.
Anschließend standen aus „Il barbiere di Siviglia“ das sehr humorvoll dargebotene Duett Rosina – Figaro („Dunque io son“) mit Cecilia Bartoli und Nicola Alaimo und die Verleumdungsarie des Don Basilio mit dem urkomischen Ildebrando d’Arcangelo auf dem Programm.
Einer der Höhepunkte des Abends war die köstliche, hocherotische Bettszene aus „Le Comte Ory“ mit Cecilia Bartoli als Comtesse Adèle, Rebecca Olvera als Page Isolier und Edgardo Rocha als liebestoller Graf Ory.
Nach der Gewittermusik aus „La Cenerentola“ konnten wir wenigstens in einer kurzen Szene Cecilia Bartoli auch als Isabella in „L’Italiana in Algeri“ im Duett („Ai capricci della sorte“) mit Alessandro Corbelli als Taddeo erleben. (1987 in der Premiere der grandiosen Ponnelle-Inszenierung dieser Oper unter Claudio Abbado sang er noch den Haly.)
Placido Domingo. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Vermutlich extra für diesen Abend hat Plácido Domingo die Arie des Tell „Sois immobile“ aus „Guillaume Tell“ einstudiert. Dieser Künstler, der längst eine Jahrhundertlegende ist, erstaunt immer wieder mit seiner Vielseitigkeit und seiner ungebrochen schönen Stimme. Chapeau!
Mit einem sehr humorvoll gestalteten Finale des 1. Aktes aus „L‘Italiana in Algeri“, bei dem sich zu den Stimmen von Cecilia Bartoli, Rebecca Olvera, Rosa Bove, Edgardo Rocha, Levy Sekgapane, Nicola Alaimo, Ildebrando d’Arcangelo und Alessandro Corbelli noch der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) gesellte, wurde das Publikum in die Pause entlassen.
Danach sangen Rebecca Olvera die Arie der Berta aus „Il barbiere di Siviglia“ und Rosa Bove die Arie des Tancredi („O patria! … Di tanti palpiti“) aus der gleichnamigen Oper. Mit der immens schwierigen Arie des Idreno („Ah dovè, dovè il cimento“) aus der Oper „Semiramide“ bewies Levy Segkapane, dass er zu den größten Talenten in diesem Fach zu zählen ist und wir hoffentlich noch viel Schönes von ihm erwarten dürfen.
Nach der Ouvertüre zu „La Cenerentola“ folgte ein weiterer Höhepunkt des Abends: Cecilia Bartoli sang überirdisch schön die Arie der Desdemona („Assisa a‘ piè d’un salice“) aus „Otello“, gefolgt von dem anschließenden Duett Desdemona – Otello, bei dem Rolando Villazón noch einmal auf die Bühne der Wiener Staatsoper zurückkehrte. Leider konnte er bereits nach wenigen Minuten stimmliche Überforderungen, vor allem in der Höhe, nicht verbergen.
Es folgte die Arie des Don Ramiro aus „La Cenerentola“, effektvoll gesungen von Edgardo Rocha, der diese Partie erst vor wenigen Tagen in der semiszenischen Aufführung gesungen hat.
Als kleine Reminiszenz an die drei vorangegangenen Vorstellungen von „Il Turco in Italia“ sangen Cecilia Bartoli und Nicola Alaimo noch einmal das Duett Fiorilla – Geronio.
Nach der Gewittermusik aus „Il barbiere di Siviglia“ folgten noch zwei weitere Ausschnitte aus dieser Oper: zunächst das Terzett „Zitti, zitti, piano, piano“ aus dem 2. Akt, bei dem Cecilia Bartoli die Rosina, Edgardo Rocha den Grafen Almaviva und Plácido Domingo den Figaro sang, bevor dann das Finale des 1. Aktes mit Cecilia Bartoli, Rebecca Olvera, Rosa Bove, Rolando Villazón, Edgardo Rocha, Levy Sekgapane, Ildebrando d’Arcangelo, Nicola Alaimo, Alessandro Corbelli und dem Philharmonia Chor Wien das offizielle Programm beschloss.
Der unglaublich starke und langanhaltende Jubel des Publikums erzwang noch drei Zugaben: nach „Questo è un nodo avviluppato“ aus „La Cenerentola“ folgte „La danza“, bevor dann „O sole mio“ als Rausschmeißer den Abend beendete.
So eine grandiose Stimmung hat man im Haus der Staatsoper schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Man fühlte sich wie in alte Zeiten zurückversetzt. Von einer solchen Begeisterung und einer derartigen Jubelstimmung kann die derzeitige Direktion bei ihren Neuproduktionen nur träumen. Wollen wir hoffen, dass wir auch in Zukunft wieder öfter solche großartigen Vorstellungen an der Wiener Staatsoper erleben dürfen, wie diese fünf Gastspielabende der Oper von Monte-Carlo waren. Und vor allem, dass Cecilia Bartoli an die Wiener Staatsoper zurückkehren wird.
Walter Nowotny