10.05.2025 SO „Romeo und Julia“
Benjamin Bernheim. © Julia Wesely/ Aida Garifullina-Copyright Ivaschenko Vladimir
Manches Mal erfüllen sich hohe Erwartungen doch. Die doch eher selten gespielte Oper, ein Musterbeispiel französischer Romantik, hatte nach jahrzehntelanger Pause vor etwa 20 Jahren ein Comeback an der Staatsoper. Jürgen Flimm inszenierte das Werk für damalige Verhältnisse recht karg. Außer vielen Lichteffekten gab es auf der Bühne nichts, das an den Originalschauplatz erinnern könnte, eine Art konzertante Aufführung in Kostümen also. Heute sieht das schon wesentlich anders aus, nachdem man unzählige Adaptionen klassischer Opern miterleben musste, ist man dankbar, keine Videozuspielungen, Autos auf der Bühne und Handys im Überfluss zu sehen. Man verfolgt die Handlung, die man zeitlich nicht transponiert hatte, mit Spannung und erfreut sich an der gelungenen musikalischen Umsetzung.
Daran war ein neuer Mann am Pult zu sehen, Marc Leroy-Calatayud, ein junger Schweizer Dirigent, der bereits mit einigen Klangkörpern in der Schweiz, in Frankreich und in Belgien gearbeitet hat. Sein Zugang zur französischen Oper ist also durchaus naheliegend. Er ließ seine Musiker anfangs wohl etwas zu heftig agieren, war aber dann bald Herr der Lage und verschonte die Sänger mit zu großer Lautstärke. Dass im ersten Akt die Harmonie zwischen Orchester und Chor nicht optimal war, kann man ihm nicht ausschließlich zur Last legen. Aida Garifullina sang eine recht kräftig zupackende Julia, man musste fast befürchten, dass sie die doch recht fordernde Partie nicht in dem Maße durchhalten würde. Nach ihrer großen Arie im ersten Akt fand sie aber die richtige Mischung aus Lyrik und temperamentvollen Ausbrüchen. Glasklare und sichere Höhe waren ihre Stärken, die Mittellage wäre noch ausbaufähig. Der Star des Abends war natürlich Benjamin Bernheim als Romeo. Was immer er derzeit singt, es ist überragend. Seine Stimme begeistert in allen Registern. Traumhafte Spitzentöne, zarte Lyrismen und einfühlsame Duett-Szenen, ohne die Partnerin übertrumpfen zu wollen. Besser geht’s wohl (derzeit) nicht, um wieder einmal einen Superlativ zu gebrauchen.
Auch die anderen Sängerinnen und Sänger gaben ihr Bestes, Peter Kellner war ein ausgezeichneter Frere Laurent, mit profundem, wohlkingendem Bass konnte er überzeugen. Hiroshi Amako war ein temperamentvoller Tybalt, Patrizia Nolz ein wunderbarer Stephano und Stephanie Houtzeel eine verlässliche Gertrude.
Ein prachtvoller Opernabend, wie man ihn gerne öfter erleben möchte.
Johannes Marksteiner