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WIEN/ Staatsoper: ROMÉO ET JULIETTE – vokale Sternstunde

Wiener Staatsoper 06.05.2025. Charles Gounod

ROMÉO ET JULIETTE – vokale Sternstunde mit BENJAMIN BERNHEIM!

Conducteur, Partition] Gounod, Roméo et Juliette Opéra en cinq actes.  Illustré | eBay

24 Jahre ist die aktuelle Inszenierung von Gounods Roméo et Juliette inzwischen schon alt. Nicht alle modernen Produktionen halten sich so lange. Aber wie diese Vorstellung gezeigt hat, finden immer noch viele Besucher Gefallen an der Regiearbeit von Jürgen Flimm, was zu einem großen Teil sicher an der spektakulären Lichttechnik von Patrick Woodroffe liegt, die das Geschehen auf der Bühne effektreich ausleuchtet.

Doch im Grunde war das an diesem Abend auch nur Nebensache. Denn in dieser Vorstellung gab der französische Startenor Benjamin Bernheim nun endlich auch mit einer französischen Partie sein Debüt im Haus am Ring. Jenem Fach, das er so souverän singt, wie kein anderer Tenor. Mit dem Roméo feierte er bereits Triumphe in Zürich, in Paris und an der New Yorker MET. Nun führte ihn diese Partie endlich auch nach Wien. Bernheim bringt alles mit was ein Operntenor so braucht. Er besitzt eine traumhaft timbrierte Stimme, verfügt über eine tadellose Gesangstechnik, er spielt gut, hat eine wunderbare Bühnenpräsenz, und er sieht gut aus. Vor allem verfügt er auch über das was man im Englischen so schön „he looks the part“ nennt. Sein jugendliches Aussehen und Auftreten, gepaart mit seinem bubenhaften Charme, machen schon rein optisch einen idealen Roméo aus ihm. Gesanglich lässt er wahrlich keine Wünsche offen. Sein Vortrag besticht durch unvergleichliche Eleganz, er setzt seine Voix mixte geschmackvoll ein und bringt wunderbare Stimmfarben zu Gehör. Seine Stimme trägt im Haus sehr gut, und in den großen Momenten kann er kraft- und klangvoll auftrumpfen. In zarten und gleichzeitig virilen Tönen besingt er in der berühmten Arie Ah! Leve-toi soleil! seine Liebe zu Juliette und glänzt dabei mit prächtigen hohen Cs. Es ist als würde hier wirklich die Sonne aufgehen, die Stimme öffnet sich in der Höhe einfach wunderschön. Es ist überhaupt erstaunlich mit welcher Klangschönheit und Intensität die Stimme auch in den oberen Regionen makellos schön fließt und strahlt. Und das was Bernheim im letzten Akt singt gehört in jedes Lehrbuch über französischen Gesang. Diese gesangliche Perfektion, einfach umwerfend!

Neben einem so einzigartigen Roméo hat es eine Juliette sicher nicht leicht. Die tatarische Sopranistin Aida Garifullina, die einst im Ensemble der Staatsoper war, war diese Julia. Vor rund zehn Jahren startete die Sopranistin in Wien als Ensemblemitglied durch, sang bereits mit 27 Jahren bei der Eröffnung des Opernballs und sang 2018 mit Robbie Williams bei der Eröffnung der Fußball-WM. Ja, in jener Zeit ist ein regelrechter Hype um sie entstanden, der inzwischen natürlich längst verflogen ist.

Nun kehrte Garifullina nach dreijähriger Abwesenheit eben als Juliette an die Staatsoper zurück. Zu Beginn der Vorstellung hat sie noch einige Mühe mit den Spitzentönen, die Koloraturen in Je veux vivre erklingen etwas hart. Auffällig ist, dass sie ihren ersten Auftritt in Jeans absolviert und mit einem Mikrofon in der Hand hantiert, als wäre sie ein Popsternchen, das vor ihre Fans tritt. Das mutet etwas eigenartig an und das ist auch ein Grund warum sich seinerzeit Angela Gheorghiu weigerte die Juliette in dieser Produktion zu singen. Jeans und Mikro sind dann schnell zu Gunsten eines knielangen Kleides abgelegt und Garifullina gelingen im Laufe der weiteren Vorstellung immer wieder wunderschöne Phrasen. Doch je näher man sich dem Ende der Geschichte nähert, umso dramatischer wird der Gesang der Julia. Höhepunkt natürlich die „Gift-Arie“, da fehlt es Garifullinas Sopran dann doch etwas an dramatischem Impetus.

In den Duetten mit Bernheim harmoniert sie wunderbar mit dem Tenor und die beiden geben ein glaubhaftes, einander sehr zugewandtes Liebespaar ab.

Im Sterben bäumen sich Roméo und Juliette zu den letzten Takten noch ein letztes Mal auf, um sich ein letztes Mal zu küssen, während der Vorhang zuzieht. Dabei werden sie von der beweglichen Lichtwand hinter ihnen aus- und angeleuchtet, als gehen sie nun gemeinsam ins ewige Licht. Ein eindringlicher Moment.

Gounod hat sich bei dem berühmten Shakespeare-Stoff natürlich ganz auf das Hauptpaar konzentriert. Ganze vier große Duette hat er dem Liebespaar komponiert – eines schöner als das andere. Die restlichen Figuren haben da nicht viele Möglichkeiten sich zu etablieren oder gar zu glänzen.

Am ehesten könnte das noch der Stephano, der immerhin eine eigene Arie bekommen hat. Die Mezzosopran-Hosenrolle wird von Ensemblemitglied Isabel Signoret mit recht kleiner Stimme gegeben, die mehr Sopran und weniger Mezzo ist, und deren Stephano viel zu feminin und viel zu wenig burschikos ist. Vom restlichen Ensemble ist der verlässliche Peter Kellner positiv hervorzuheben, der als jugendlicher Frère Laurent zu überzeugen weiß. Stephanie Houtzeel ist eine gefällige Gertrude während Stefan Astakhov ein in jeder Hinsicht recht stürmischer Mercutio ist.

Am Dirigentenpult steht mit Hausdebütant Marc-Leroy Calatayud ein junger französisch-bolivianischer Dirigent, der zwar viel Gefühl für die Musik Gounods hat, doch der das Orchester phasenweise etwas zu stürmisch führt, was gelegentlich in Kontrast zu Bernheims nuanciertem Gesang steht. Eine der schönsten Momente der Oper, Nuit d’hymenee im zweiten Akt, geht er auch etwas zu flott an. Das dürfte gerne schwelgerischer ausfallen. Noch dazu, wo der Sternenhimmel so wunderschön am Bühnenhimmel leuchtet.

Das Publikum zeigt sich am Ende der Vorstellung berührt und ist begeistert. Allen voran natürlich von Benjamin Bernheim, doch auch das restliche Ensemble wird freudig beklatscht. Ein wunderbarer Opernabend. Roméo und Julia – einfach zeitlos schön. Auch und ganz besonders in Gounods Oper.

Lukas Link

 

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