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WIEN/ Staatsoper: RIGOLETTO – wieder umbesetzt

26.3.2022, „Rigoletto“, Wiener Staatsoper

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Noa Beinart (Maddalena), Francesco Demuro (Duca). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Drei „Rigoletto“-Vorstellungen – drei verschiedene Gildas: Nach Rosa Feola und Vera Lotte Boecker kam an diesem Abend Lisette Oropesa zu ihrem „Gilda“-Debüt an der Wiener Staatsoper.

An Umbesetzungen ist in derzeit keine Mangelware, dass aber dieselbe Hauptpartie in drei Vorstellungen einer Aufführungsserie von drei verschiedenen Sängerinnen verkörpert wird, doch eher ungewöhnlich. Lisette Oropesa ist an der Staatsoper eben erst als Konstanze aufgetreten, ihre erste Wiener Lucia scharrt schon in den Startlöchern – und in diesem Zusammenhang war die eingesprungene Gilda eine abrundende und vom Publikum mit viel Beifall bedachte „Zugabe“. Diese Partie ist eine der „Paraderollen“ der Sängerin und wurde von ihr bereits an vielen großen Opernhäusern verkörpert, jetzt durfte sich auch die Wiener Staatsoper in diese lange Reihe einreihen.

Oropesas Sopran ließ Gilda keine kühle Virtuosität angedeihen, sondern trug das Herz auf der Zunge. Ihre Stimme ließ in der weich gebetteten Mittellage eine leise Wehmut anklingen, die an längst vergangene Opernzeiten erinnerte. Die Sängerin spielte die Figur ohne Übertreibung, erfüllte sie mit herzwärmender Naivität und Jugendlichkeit –etwa wie sie zuerst etwas scheu vor dem Herzog zurückweicht oder wie sie später in vollster Überzeugung ihrer Liebe Einlass in Sparafuciles Schenke begehrt. Derart wurde der Bühnencharakter ohne Überzeichnung oder heroische Geste gelebt und so beseelt gesungen, dass er bald das Publikum auf seiner Seite hatte, das dieses liebenswerte, zuerst ein wenig schüchtern anmutende, später sein Leben als Liebesopfer zu Ende bringende Wesen ganz einfach in sein Herz schließen musste.

Im „Caro nome“ schwang sich Gildas empfindsame Seele zu einem Höhenflug der Hoffnung auf und sie genoss in leicht gedehnten Trillern die Vorfreuden der Liebe. Die silbrigen Spitzentöne erklangen hingegen schlank, schienen etwas abgesetzt über der breiter gefassten Mittellage zu schweben, in ihnen waltete neben poetischer Malerei auch eine Portion an Vorsicht. Das fühlte sich für mich ein wenig inhomogen an, aber vielleicht war es als Stilmittel gedacht, um an dieser Stelle Gildas Mädchenhaftigkeit zu betonen, ihre keusche Unschuld, die bald dem Grafen zum Opfer fallen sollte.

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Ludovic Tezier (Rigoletto). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Ihr zur Seite war mit Ludovic Tézier ein Sänger aufgeboten, der in Spiel und Gesang mehr den liebenden, von den Lebensumständen gepeinigten Vater und weniger den körperlich entstellten Hofnarren herausstellte. Tézier und Oropesa passten in ihrer einfühlsamen Grundhaltung sehr gut zueinander. Die Stärke von Téziers kräftigem, nuanciertem, nie grob klingendem Bariton liegt ohnehin im gehaltvollen Gesang – mit Sentiment garniert – und weniger in einem aufregenden, expressiven Spiel, womöglich noch auf Kosten der Gesangslinie. Deshalb geriet ihm der Hofnarr zuerst etwas harmlos. Der zynische Spaßmacher des ersten Bildes war nicht sein Metier. Aber danach konnte Tézier die Vorzüge seiner Stimme bestens zur Geltung bringen. Wie er zum Beispiel im Finale des „Cortigiani“ genug Kraft und Atem fand, um mit einem crescendierenden „Pièta“ gleichsam die ganze Welt um Erbarmen zu bitten, war einer jener Momente, für die man die Oper liebt.

Francesco Demuro trat als Herzog an – und blieb in der Gunst des Publikums hinter Gilda und Rigoletto zurück. Warum? Obwohl Demuro mutig mit sicheren Spitzentönen punktete (auch in der Cabaletta des zweiten Aktes), konnte er stimmlich nicht wirklich mitreißen. Sein Tenor klang etwas gepresst und angestrengt, er rundete sich nicht zu jenem Aphrodisiakum, das die angeblich „beweglichen Frauenherzen“ mit Verführungskraft einfängt. Am Schluss des bekannten „La donna usf.“ machte er ein, zwei Schritte vor zur Rampe und stellte sich samt sehr lange gehaltenem Schlusston in die „Auslage“. Demuro wusste jedenfalls seine Vorteile auszuspielen. Auch wenn sein Herzog nicht gerade voll sängerischer Eleganz sprühte, so war er dem Abend ein lebendiges, antreibendes Element der Handlung.

Der Sparafucile der Aufführung hätte furchteinflößender sein können, Evgeny Solodovnikov gab die düstere Figur etwas brav. Noa Beinart zeigte Bein, wie es der Maddalena die Inszenierung vorschreibt, gewann sonst der Partie aber nur wenige Nuancen ab.

Als Giovanna sprang Isabel Signoret kurzfristig ein, was der Beilagezettel im Programmfolder verriet. Monterone (Attila Mokus) hat schon wirkungsvoller geflucht, Johanna Wallroth war eine nicht nur gesanglich hübsche „Stichwortgeberin“ von Ceprano. Weitere Mitglieder des Hofstaates waren: Marullo – Michael Arivony, Borsa – Hiroshi Amako, Graf von Ceprano – Marcus Pelz, Page – Ileana Tonca.

Marco Armiliato amtete vor allem im Sinne eines aufmerksamen Begleiters am Pult. Der Staatsopernchor entledigte sich der Aufgabe bewährt. So richtig Fahrt nahm die Vorstellung erst im zweiten Akt auf, als sich die Spannung spürbar steigerte. Der Schlussapplaus dauerte acht oder neun Minuten lang, wobei dem zweiten Solodurchgang nur mehr eine verhältnismäßig kleine Schar Begeisterter Beifall zollte. Das Haus war sehr gut besucht.

Die Inszenierung stammt aus dem Jahr 2014 (Regie: Pierre Audi) – und sie zählt zu den szenisch schwächsten Produktionen des Staatsopernrepertoires. Die Ausstattung hat Christof Hetzer besorgt. Die Kostüme sind zum Teil ansehnlich, die Bühnenbauten schauen aber aus, als hätte man das Restelager eines Baumarktes geplündert – samt einer Palette schwarzer Müllsäcke. 

Dominik Troger/www.operinwien.at

 

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