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WIEN/ Staatsoper: RIGOLETTO mit Christopher Maltman

Und wieder ein Hinterhof im Niemandsland

05.05.2019 | Oper

Christopher MALTMANN und Joseph CALLEJA Foto: Copyright M.PÖHN

WIEN / Staatsoper: „RIGOLETTO“ mit Christopher Maltman

Und wieder ein Hinterhof im Niemandsland

4.5. 2019 – Karl Masek

Am 20. Dezember 2014 hatte diese Inszenierung eine „fluchbeladene“ Premiere. Unfreiwillig mit 2 Titelrollensängern durch den damaligen Ausfall von Simon Keenlyside mitten in der Vorstellung. Mittlerweile hat sie 27 Aufführungen auf dem Buckel. In einer abgründig hässlichen Ausstattung (Christof Hetzer), welche direkt von einer Abrissbaustelle  zu kommen schien. Mauer- und Treppenteile könnten vielleicht einmal von einem Palast gewesen sein. Ein Hinterhof im Niemandsland, Baumleichen, Müll.  Gilda ist eingesperrt in einer vergitterten Hebevorrichtung (eine der vielen Lift- und Aufzugsvarianten der Direktion Meyer mit hervorragenden Repertoirevorstellungen, aber etlichen eher verunglückten Neuinszenierungen!). Das Leading-Team (Pierre Audi, Christof Hetzer, aber auch der Dirigent) wurde bei der damaligen Premiere mit Buhs bedacht …

Aber auch über dem 2. Abend des aktuellen „Rigoletto“-Viererblocks schien im Schlussbild ein Hauch von „Maledizione“ zu liegen.

Joseph Calleja war nach  Jahren Absenz von der Wiener Staatsoper nach dem Solistenkonzert am 22. Jänner wieder einmal „Duca di Mantova“ (kein Hauch von Mantua auf der Bühne!). Sein letzter Auftritt in dieser Rolle war im Jahr 2004 noch in der alten, sehr konventionellen, aber jedenfalls werkgerechten Inszenierung von Sandro Sequi. Geschimpft wurde auch über diese Inszenierung! Damals dirigierte übrigens ein gewisser Kirill Petrenko – und die Gilda sang Stefania Bonfadelli.

Er ist mittlerweile ein auch stimmlich stämmiger Duca, die erforderliche „Italianitá“ bringt der Mann aus La Valletta natürlich mit, Eleganz der Stimmführung geht ihm mittlerweile weitgehend ab. „Questo e quella“ im Einheitsforte. Am besten gelang ihm „Ella mi fu rapita“. Mit Fortdauer des Abends  klang die Stimme im passagio immer angestrengter, was schon die große Szene mit Gilda beeinträchtigte. Lag es an der Abendverfassung? Vielleicht wäre eine Ansage angebracht gewesen! Oder offenbaren sich doch gewisse stimmtechnische Probleme, die dann die Stimmbänder verkrampfen lassen – dann wird „La donna e mobile“ unwillkürlich zu einer Angststelle und zur tenoralen Nervenprobe. Es kündigte sich förmlich an. Calleja schmiss beim „Ohrwurm aller tenoralen Ohrwürmer“ den Schlusston und ging dann bis zum Ende, stimmverzittert, völlig ein.  Bleibt zu hoffen, dass sich Calleja bis zur nächsten Vorstellung am 9.5. wieder konsolidieren kann!

Christopher Maltman gab als Rigoletto in dieser Serie sein Rollendebüt am Haus. Er ist (ähnlich wie Rollenvorgänger Keenlyside) ein überragender Sänger-Darsteller, der sichtlich und hörbar aus dem Land des William Shakespeare kommt. Er trimmt die Stimme auch auf „alt“ (samt beträchtlichem Vibrato), was bei dieser Charakterrolle durchaus legitim ist. Er bringt die zynischen Facetten und den wetterwendischen Charakter des Hofnarren fesselnd auf die Bühne. Er singt den Vater, der seine Tochter vor den Nachstellungen des Herzogs und seiner dekadenten Gesellschaft mit untauglichen Mitteln des Freiheitsentzugs schützen will, mit Farbenreichtum und Nachdruck und spielt die Rachefantasien nach der Verschleppung Gildas und  den Zusammenbruch am Sack mit der sterbenden Tochter ergreifend. Sein Bariton: stählern beim „Cortigiani…“, bombensicher die Höhen in der Stretta des 2. Aktes, alle Stimmfarben der Klagen in der Szene mit den Höflingen …

Andrea Carroll war als Gilda die  Einspringerin für Aida Garifullina, die ihrerseits als Einspringerin für Anna Netrebko freigegeben wurde. Das Ensemblemitglied hielt sich sehr gut (eine anfängliche Tendenz, den „berühmten Viertelton“ zu tief anzusetzen, gab sich bald und sie hatte viel von „Engelstönen“ – sie wird ja vom Vater immer wieder als „Mein Engel“ bezeichnet.

Zufrieden konnte man mit Sparafucile und Maddalena sein. Jongmin Park mit Samtbass, er sah allerdings in der Kostümierung so überhaupt nicht wie ein gedungener Berufskiller, eher wie ein Abiturient aus – dafür kann er nichts! Freude über die „Heimkehrerin“ Nadia Krasteva und ihre schlanken, gleichwohl profunden Mezzotöne.

Die Comprimarii haben kaum Chance auf Profilierung. Margaret Plummer (Giovanna), Igor Onishchenko (Marullo), Leonardo Navarro (Borsa), Marcus Pelz und Lydia Rathkolb (Graf & Gräfin Crepano) sowie Ileana Tonca (mit der Ein-Satz-Rolle des Pagen) zogen sich achtbar aus der Affäre.  Für Monterone (diesfalls Alexandru Moisiuc) sollte man sich langsam Alternativen überlegen.

Tadellos der Chor (Einstudierung: Martin Schebesta), eher schwächlich tönte das Bühnenorchester der Wiener Staatsoper im 1. Akt. Das Orchester der Wiener Staatsoper machte soliden Abenddienst, allerdings blieben orchestrale Glanzlichter diesmal aus.

Das lag vermutlich (mir unverständlich, mit welcher Lautstärke er gefeiert wurde!) am Dirigenten des Abends: Giampaolo Maria Bisanti dirigierte zwar mit großer Geste, es blieb aber über weite Strecke bei grob musizierter Al-fresco-Manier.

Am Ende Jubel für Maltman, Carroll und den Dirigenten. Mit Calleja ging das Publikum sehr fair um und bezog ihn in die Bravi (wie auch Park und Krasteva) mit ein. Wenn das Saallicht angeht, ist’s  aber mit dem Schlussbeifall schlagartig vorbei. Früher war das Opernpublikum in Wien schon ausdauernder …

Karl Masek

 

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