WIEN / Staatsoper: „RIGOLETTO“ – 29.12.2024
Amartuvshin Enkhbat. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Giuseppe Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave wollten ihre am 11. März 1851 am Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführte Oper eigentlich „La maledizione“ („Der Fluch“) nennen. Wegen diverser Beanstandungen der Zensur mussten jedoch einige Änderungen vorgenommen werden. So wurde u.a. die Handlung der auf Victor Hugos Melodrama „Le roi s’amuse“ basierende Oper von Paris nach Mantua verlegt und der ursprünglich vorgesehen Titel in „Rigoletto“ abgeändert.
Und auch auf der derzeit im Haus am Ring zu sehenden „Rigoletto“-Produktion von Pierre Audi scheint ebenfalls ein Fluch zu lasten. Besetzungsfragen zu der am 20. Dezember 2014 stattgefundenen Premiere dieser Produktion führten zum endgültigen Bruch zwischen dem damaligen Direktor Dominique Meyer und seinem Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst. Und in der bis dato einzigen weltweiten Kinoübertragung einer Live-Aufführung aus der Wiener Staatsoper musste während der Vorstellung der Sänger der Titelpartie w.o. geben und ein Ensemblemitglied der Staatsoper (Paolo Rumetz) hat die Vorstellung dann als Einspringer zu Ende gebracht. So steht nun schon seit fast genau zehn Jahren diese schlechte Inszenierung von Pierre Audi in der potthässlichen Ausstattung von Christof Hetzer auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Gilda lebt in einem schwebenden Vogelkäfig, die Entführung Gildas ist geradezu lächerlich und ebenso dilettantisch, wie die Ermordung Monterones auf offener Bühne, da bewegt sich die Inszenierung hart an der Grenze zu einer unfreiwilligen Opernparodie. Der Gipfel der Peinlichkeit ist jedoch die Schenke des Sparafucile, die aussieht wie eine abgestürzte Seilbahngondel mit dem Charme eines Mobilklos. Und mit dieser Unglücksproduktion, auf der wohl Monterones Fluch lastet, müssen das Wiener Publikum und die nachfolgenden Direktoren wohl noch einige Zeit leben. Das war wirklich eine der vielen Fehlentscheidungen von Bogdan Roščićs Vorgänger Dominique Meyer die vom Publikum so geliebte „Rigoletto“-Produktion von Sandro Sequi in der prachtvollen Ausstattung von Pantelis Dessyllas durch diese Inszenierung zu ersetzen.
Dmitry Korchak. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Das Interesse an dieser Aufführungsserie galt den drei Sänger der Hauptpartien, die alle ihre Rollen zum ersten Mal in Wien präsentierten. Der russische Tenor Dmitry Korchak hat seine Gesangskarriere klug aufgebaut. (Er hat gleichzeitig mit seiner Gesangsausbildung auch eine Ausbildung zum Dirigenten gemacht und hat auf diesem Gebiet ein zweites Standbein. So wird er u.a. 2025 beim Rossini-Opera-Festival in Pesaro „L’Italiana in Algeri“ dirigieren.) Korchak hat mit Rossini und Mozart seine Karriere gestartet und wechselt jetzt langsam zu Verdi-Partien. Seine Stimme besitzt jetzt für die Partie des Herzogs von Mantua genug Volumen, auch in der Mittellage und in der Tiefe. Er sang mit glühender Leidenschaft und strahlendem Timbre. War er bei seiner Auftrittsarie „Questa o quella“ noch nicht ganz warmgesungen, so sang er bereits das nachfolgende Duett mit der Gräfin Ceprano mit glühender Leidenschaft und strahlendem Timbre, ebenso das Duett mit Gilda. Höhepunkt seiner Gesangsleistung war jedoch seine Arie im zweiten Akt „Ella mi fu rapita!“, bei der er seine jahrelangen Erfahrungen aus dem Belcanto-Fach einbringen konnte und durch puren Schöngesang beeindruckte. Nicht ganz so gut gelang ihm dann „La donna è mobile“, hier klang die Stimme dann schon etwas ermüdet. Insgesamt gesehen aber ein erfreuliches Wiener Rollendebüt.
Amartuvshin Enkhbat, der Bariton aus der Mongolei mit dem prachtvollen Stimmmaterial, sang erstmals in Wien den Rigoletto. Er ist zwar kein begnadeter Schauspieler, da fehlt ihm sichtbar noch die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit guten Regisseuren (gibt es die im Opernfach überhaupt noch?), aber er kann mit seiner Stimme sehr viel ausdrücken. Wut, Traurigkeit, Bedauern, Kummer. Glück und Dankbarkeit, das kann er zwar szenisch nicht wirklich umsetzen, aber dafür stimmlich ausdrücken. Die Partie scheint ihm keinerlei Probleme zu bereiten; strahlende Höhen, schöne Piani und eine ausgezeichnete Legato-Kultur kennzeichnen seine stimmliche Leistung. Für seine Arie „Cortiggiani!“ im zweiten Akt erhielt er zu Recht den stärksten Zwischenapplaus des Abends.
Nina Minasyan beeindruckt mit sicheren Koloraturen und berührender Darstellung, allerdings ist ihre leicht dunkel timbrierte Stimme fast zu klein für die Wiener Staatsoper, zumindest für die Partie der Gilda.
Monika Bohinec ist als resche Maddalena eine Idealbesetzung, was man von Ivo Stanchev als Sparafucile nicht behaupten kann. Mit einer wenig durchschlagskräftigen, in der Höhe auch noch fahl klingenden Stimme war er die schwächste Besetzung dieser Partie seit vielen Jahren.
Carlo Rizzi führte am Pult das Staatsopernorchester mit sicherer Hand durch die Vorstellung.
Das größtenteils aus Touristen bestehende Publikum spendete während der Vorstellung nur wenig Zwischenapplaus. Am Schluss wurden die Sänger kurz, aber lautstark bejubelt.
Walter Nowotny
P.S.: Die Partie des Monterone, der Rigoletto verflucht, musste kurzfristig umbesetzt werden: statt Attila Mokus sang nun Leonardo Neiva. Aber wie ich bereits eingangs erwähnt habe, über dieser Produktion liegt ein Fluch. La maledizione!