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WIEN / Staatsoper: PIQUE DAME von Piotr I. Tschaikowski

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Ensemble mit Dmitry Golovnin (Hermann), Elena Guseva (Lisa) und Boris Pinkhasovich (Jeletzki), Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: PIQUE DAME von Peter I. Tschaikowski

34. Aufführung in dieser Inszenierung

30. Jänner 2022

Von Manfred A. Schmid

Nur auf 34. Aufführungen hat es diese Opernproduktion seit ihrer Premiere 2007 gebracht. Das liegt in erster Linie an der Inszenierung von Vera Nemirova, die seinerzeit mit Buhrufen quittiert worden ist. Nicht gefallen hatte dem Publikum die Verlegung der Handlung in das heutige St. Petersburg und die darin geübte Kritik an der neureichen russischen Schickeria, die nur an der Anhäufung von Reichtum und an einem Leben im Luxus interessiert gezeigt und – leider nur auf plumpe und dümmlicher Art – lächerlich gemacht wird. Ihre zwei Jahre später herausgekommene Macbeth-Inszenierung führte zu einem veritablen Skandal in der Ära Holender und besiegelte das Ende ihrer Tätigkeit in Wien. Inzwischen wirkt der von ihr betriebene DDR-Realismus längst überholt, was dazu geführt hat, dass auch ihrer Inszenierung nur noch vorgestrig und lächerlich wirkt. Echte Aufregung ist sie jedenfalls nicht mehr wert. Und so wird es vermutlich über kurz oder lang – diese Prophezeiung sei gewagt – auch einigen der derzeit noch heftig umstrittenen Neuproduktionen der noch jungen Roscic-Direktion ergehen.

Dieses Drumherum sowie die heruntergekommenen Gebäude und Plätze im Bühnenbild von Johannes Leiacker vergisst man bei der Wiederaufnahme – berichtet wird von der vierten und letzten Aufführung in dieser Serie –, sobald zu singen angefangen wird. Denn was man an diesem Abend zu hören bekommt, ist erfreulich gute, ja, hervorragende Gesangskunst. Russische Gesangskunst, um genau zu sein, denn alle wichtigen Rollen sind mit Künstlern aus Russland besetzt. Und die verstehen ihr Hand-/Mundwerk und kennen ihren Tschaikowski aus dem ff und pp.

Mucksmäuschenstill wird es, wenn die geheimnisumwobene Gräfin die Bühne betritt. Olga Borodinas Auftritt gerät zum Ereignis, ihre Bühnenpräsenz ist ebenso raumfüllend wie ihr Gesang, auch wenn sie ihr französisches Chanson nur mezzavoce vorträgt. Ihrem zauberhaften Bann kann sich niemand entziehen, und die einschüchternde Szene im zweiten Akt jagt einem die Gänsehaut über den Rücken.

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Dmitry Golovnin (Hermann) und Elena Guseva (Lisa)

Die Zügel in der Hand hat Valery Gergiev, der die Musik voll auskostet und dabei stets präzise der dunklen Expresssion und dem musikdramatischen Furor verpflichtet bleibt. Die Streicher gehen schwelgerisch, aber niemals schwülstig ans Werk, und das ohnehin schon dunkle Blech wird in manchen Phasen geradezu pechschwarz. Musik, die auch in den heiteren und ausgelassenen Passagen immer einen schmalen Trauerrand aufzuweisen hat.

 Zu einem der Highlights des Abends wird auch die innige, aufrichtige Liebeserklärung „Ia vas liubliu, liubliu bezmerno“ von Fürst Jeletzki an seine geliebte Lisa. Der in Wien schon bekannte und hochgeschätzte Boris Pinkhasovich weiß seinen eleganten, warmen Bariton bestens einzusetzen. Alexey Markov als Graf Tomski, ebenfalls eine Baritonrolle, steht seinem Fachkollegen um nichts nach, übertrifft ihn in puncto Schöngesang vielleicht sogar mit seiner gefühlvoll vorgetragenen Ballade im 1. Akt.

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Olga Borodina (Gräfin)

Elena Guseva, die in Wien im russischen Repertoire schon als Tatjana in Eugen Onegin zu erleben war, ist eine gute Wahl für die junge, dem Glücksritter und krankhaften Spieler Hermann ermann rettungslos verfallenen Gräfin Lisa, die zu spät merkt, dass sie von ihm nur ausgenützt wird. Leidenschaftlich beschwört sie ihre Liebe und sinkt dann in ergreifende Trauer. Ein wandlungsfähiger lyrischer Sopran, geeignet für viele Stimmungslagen.

Der nervöse, skrupellose, mit Haut und Haaren dem Glücksspiel verfallene Offizier Hermann war eine der Paraderollen von Neil Shicoff, dem Spezialisten für gebrochene, komplexe, komplizierte Charaktere. Der Hermann von Dmitry Golovnin ist etwas einfacher gestrickt, ein gewissenloser Filou und Draufgänger. Golovnin hat einen höhensicheren, markanten Tenor, noch nicht ganz rund, aber ausdruckstark.

Monika Bohinec, ein Juwel im Ensemble der Staatsoper, ist eine hervorragende Polina und im Duett durchaus auf Augenhöhe mit ihrer Lisa. Auch im liefert sie als Daphnis eine überzeugende Leistung, was man von Anna Nekhames, ihrer Kollegin aus dem Opernstudio, leider nicht sagen kann. Ihre Chloe gerät etwas zu leichtgewichtig und soubrettenhaft. Nach ihrem Auftritt als Mrs. Sedley in  Peter Grimes ist nun Stephanie Houtzeel auch als Gouvernante eine Enttäuschung. Ihr Mezzoopran wirkt blass und dringt nicht durch.

Neben Robert Bartneck (Tschekalinski, Evgeny Solodnikov (Surin/Narumow) und Angelo Pollak (Tschaplitzki) aus dem Ensemble hervorzuheben wären noch gute Chor und die Kinder der Opernschule sowie Kristin Okerlund am Klavier (Bühnenmusik).

Ein Opernabend, wie er sein soll!

 

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