Wiener Staatsoper: 2.11.2025: Pelléas und Mélisande

Rolando Villazon
Klassik-Tausendsassa Rolando Villazón beglückte 2005 mit einem entzückenden Nemorino an der Staatsoper und einem fabelhaften Alfredo in Salzburg die Opernzuhörerschaft. Sein Timbre gemahnte an den jungen Plácido Domingo, die Klangfarben waren prächtig, seine Darstellung dramatisch-verspielt. Es folgten ein paar Jahre von Erfolgen und Absagen, nach einiger Zeit waren seine Auftritte im lirico-spinto-Fach vorbei, und er wandte sich „exotischeren“ Rollen zu. Mittlerweile ist er Langzeit-Intendant der Salzburger Mozartwoche, Schriftsteller, Moderator und gern gesehener Gast in Talk-Shows.
Warum er Pelléas an der Wiener Staatsoper singt, bleibt allerdings verborgen: Nur noch einige Noten der Mittellage funktionieren, allerdings nicht klangschön oder kostbar. Die hohen Töne im finalen Duett mit Mélisande gelingen gar nicht. Dazu fügt er sich darstellerisch nicht in das symbolistisch-impressionistische Grundgeschehen, das in Marco Arturo Marellis Regie und Bühnenbild eine düstere Note erhält. Pelléas ist kein Pausenclown.
Kate Lindsey beginnt als Mélisande mit herbem Ton, steigert sich allerdings im Laufe des Abends und findet zu zarteren, introvertierteren Klängen. Sie vermag die rätselhafte Fremde auch überzeugend darzustellen. Ein Glücksfall, dass die vielbeschäftigte US-amerikanische Mezzosopranistin in Österreich in so unterschiedlichen Rollen vorstellig wird.
Sir Simon Keenlyside beweist ein weiteres Mal, dass er zu den besten Sänger-Darstellern seiner Generation gehört. Sein eindrückliches Spiel im Sinne eines method actors vermag jede Facette des getriebenen und unglücklichen, aber doch gewalttätigen Golaud überzeugend zu vergegenwärtigen. Beeindruckend, zu welchen Steigerungen er in der Entwicklung seiner Eifersucht fähig ist, zuletzt sein Kind zu diesem Zweck missbraucht und sich sodann verstört und unbeirrt seines (vermeintlichen) Rivalen entledigt. Auch stimmlich macht er mit zwischenzeitlich etwas rauer gewordenem Klang alle Stufen des äußeren und inneren Dramas des Golaud erschreckend bewusst.
Wie schon zuletzt als Gessler ist der französische Bass Jean Teitgen eine Bereicherung für jeden Opernabend. Mit sonorer, aber doch auch weicher Stimme gestaltet er einen gleichermaßen abgeklärten wie melancholisch-emotionalen Arkel.
Frisch klingt Hannah-Theres Weigl als Yniold, weniger frisch Staatsopern-Rückkehrerin Zoryana Kushpler als Geneviève.
Alain Altinoglu am Pult hält Orchester und Ensemble blendend zusammen und entlockt dem Klangkörper zarte, melancholische, aufwühlende und todtraurige Töne.
Beim (Solo-)Vorhang verbeugten sich die beiden Hauptdarsteller nur gemeinsam – Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt!
Sabine Längle

