
Parsifal (Brandon Jovanovich ) hat nicht nur einen Doppelgänger, sondern auch drei Mütter, die bei Serebnnikov alle auf die Bühne müssen. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Wien Staatsoper Parsifal nach Richard Wagner-Musik von Richard Wagner
4. Aufführung in dieser Inszenierung
21. Dezember 2021
Eine Parsifal-Aufführung endet mit viel Applaus für die Sänger und Musiker. Die Missfallenskundgebungen, die es nach den ersten beiden Akten gab, sind verstummt. Allerdings gibt es nach der zweiten Pause einen großen Publikumsschwund. Die Ursachen können vielseitig sein, und ich glaube nicht, dass es an der Qualität der Vorstellung liegt. Doch eher am weihnachtlichen Stress, der die Ausdauer des Publikums einschränkt.
Um diese Aufführung von Parsifal verstehen zu können, muss man die Erklärungen des Regisseurs Kirill Serebrenikow studiert haben, sonst ist man an diesem Abend inhaltlich verloren, denn er hat zu Wagners Werk seine eigene Story geschrieben. Vor vielen Jahren gab es bei den Salzburger Festspielen eine Fledermaus, die so otal verändert war, dass Marcel Prawy das Publikum ermutigte, sich auf juristischem Weg das Eintrittsgeld zurückzuholen, da nicht wie im Programm stehend, die Strauß-Fledermaus gespielt wurde.
Über die aktuelle Inszenierung ist in den letzten Tagen schon genauestens berichtet worden, so möchte ich nur auf einige wenige Dinge eingehen. Abgesehen davon, dass das Stück verändert ist, haben mich Regie und Bühnenbild des Ersten Aufzuges durchaus angeprochen. Vor allem ist es die Weite der großen Bühne, die einen Gefängnishof darstellt, die sich im Theater live wesentlich beeindruckender und stimmungsmachender präsentiert als im Livestream. Die filmischen Einspielungen hingegen, auf die man sich den ganzen Abend zu konzentrieren hat, kommen, teils live und teils aufgezeichnet, auf dem Bildschirm besser zur Geltung.
Dass es sich beim Parsifal um Männergesellschaften handelt ist klar. Waren es bei der Inszenierung von Christine Mielitz noch vorbildlich die Herrnhuter, eine böhmische Brudergemeinschaft, so zeigt man hier die Insassen und das Personal eines Männergefängnisses. Die Geschichte des ersten Aufzugs ist mit viel Fantasie der Handlung laut Vorlage angepasst und nachvollziehbar. Der zweite Aufzug, der die Welt des Zauberers und verstoßenen Bruders Klingsor zeigen sollte, spielt hier im Büro einer Zeitungsredaktion und wird dem Werk Wagners in keiner Weise gerecht. Der dritte Akt zeigt dann das bereits aufgelassene Gefängnis und müsste nochmals gründlich überarbeitet werden, wie das auch in Bayreuth geschieht. Für diesen Aufzug sind viele gute Ideen vorhanden, doch hat man den Eindruck einer provisorischen Lösung. Der Höhepunkt, der Karfreitagszauber ist nicht ausreichend berücksichtigt.
Das Bühnenbild zum Parsifal von Serebrenikov von Olga Pavliuk ist stimmig. Das von Bayreuth übernommene „Nichtapplaudieren“ nach dem ersten Aufzug ist nun aufgehoben. Musikalisch wird der Abend vom Staatsopernorchester unter Philippe Jordan wieder großartig bestritten, besonders die Bläser sind in außerordentlich guter Form. Es gibt bis zum Schluß keine Ermüdungserscheinungen und keinen hörbaren Fehler. Dies schafft bei Parsifal kaum ein Orchester. Jordan steht diese Woche mehrmals am Pult der Oper und leistet ein unglaubliches Pensum mit nie nachlassender Kraft.
Der Parsifal wird von Brandon Jovanovich aus USA gesungen und kann mit seinem ins dramatische Fach tendierenden Tenor punkten. Seine sensible Darstellung der Hauptfigur wird durch den ihm vom Regisseur zur Seite gestellten jungen Parsifal als Doppelgänger sichtlich erschwert.
Kundry wird von Anja Kampe überzeugend gesungen und gespielt – soweit es das Regiekonzept zulässt. Höhepunkt ihrer gesanglichen Leistung ist die große Erzählung über die Mutter Parsifals, die sie mit wunderbarem Legato vorträgt. Später berichtet sie über ihre Begegnung mit Jesus, den sie auf dem Wege nach Golgotha verlachte, und krönt die Szene mit einem Aufschrei, der beeindruckt. Dann folgt Jordan mit einer fast zu langen Generalpause, die von Thielemann sein könnte. Gegen Ende des Aktes zeigt Frau Kampe dann doch einige Ermüdungserscheinungen, und die Stimme weist einige Schärfen auf. Insgesamt bietet sie aber eine tolleLeistung.

Wolfgang Koch, hier als Amfortas, ist auch die Besetzung für Klingsor.
Amfortas und Klingsor werden von Wolfgang Koch gesungen. Sein Amfortas wird zum Theatererlebnis, doch sein Klingsor bleibt unbedeutend, was auch an der Inszenierung liegt. Der Maskenbildner hätte ihn doch unterschiedlicher richten können, wenn schon ein Sänger beide Rollen singen muss! Die große Szene des Amfortas wird mit großer Stimme und großem Ausdruck gesungen, die Höhen bei „Erbarmen“ hat man selten so kraftvoll gehört. Aber auch die lyrischeren Momente gelingen ihm perfekt.
Georg Zeppenfeld ersetzt René Pape und brilliert als Gurnemanz. Die Figur wird stets zurückhaltend geführt, ist aber stimmlich stets dominant. Seine Ausbildung beim Bass Hans Sotin hört man, und er führt die gute Tradition deutscher Bassisten fort. Man versteht bei ihm jedes Wort und es gelingen ihm die schönsten Legatobögen.
Als Titurel vernimmt man die Stimme von Wolfgang Bankl, der lange ein guter Klingsor war und sicher noch wäre. Von den ausgezeichneten Blumenmädchen sei Ileana Tonca erwähnt.
Bei all den Mitwirkenden gab es keine Schwachstelle. Musikalisch ist es ein äußerst zufriedenstellender Abend, was auch vom Publikum goutiert wird.
Karlheinz Schöberl