Wiener Staatsoper: „Palestrina“ Wiederaufnahme-Premiere am 5.12.2024
Michael Laurenz, Wolfgang Koch. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Hans Pfitzners „Opus summum“ (um diese selten gewordene Phrase wieder einmal zu gebrauchen) fand nach längerer Pause – die Inszenierung von Herbert Wernicke (von dem auch das Bühnenbild stammt) datiert aus 1999 – wieder Eingang in den Spielplan der Wiener Staatsoper. Der Inhalt in aller Kürze: Der Komponist Giovanni Pierluigi da Palestrina wird mehr oder weniger heftig dazu überredet, eine Messe anlässlich des Konzils von Trient zu komponieren. Eigentlich sah er sein Schaffen als Komponist als beendet an, zu sehr hat sich der Kompositionsstil der Zeit gewandelt. Drohungen des Klerus (Kardinal Borromeo) und der Zuspruch verstorbener Komponisten bewirken einen Sinneswandel. Nach schwerem innerem Kampf komponierte er in einer einzigen Nacht das geforderte Werk. Im zweiten Akt, der sich im Rahmen einer sehr turbulenten Konzilssitzung nur bedingt mit Palestrinas neuer Messe befasst, wird ein Sittenbild des damals tonangebenden Klerus‘ gezeigt. Streitigkeiten, Eitelkeiten, Machtkampf bis zu Tätlichkeiten dominieren das Geschehen. Im letzten Akt wird das Werk von allen gelobt, die Auferstehung und Rehabilitation des Künstlers ist erfolgt.
Günther Groissböck (rechts oben in der Loge) und Ensemble. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Die Partitur fordert ein Orchester in Maximalbesetzung und einen perfekten Koordinator der Klangmassen. Beides war gegeben, denn die Wiener Philharmoniker bewältigten ihre Aufgaben mit Brillianz, Christian Thielemann war ein herausragender Akteur am Dirigentenpult. Herbert Wernicke hatte in puncto Personenführung alle Hände voll zu tun, das Management der Auftritte von Dutzenden Menschen auf der Bühne bedarf großer Übersicht. Sein Einheitsbühnenbild, ein großer Raum, der einem Konzertsaal ähnlich, war, bot einen unaufdringlichen aber sehr brauchbaren Rahmen für dieses Werk. Der Titelheld wurde von Michael Spyres eindrucksvoll gesungen. Sein kräftiger, wohltimbrierterTenor war für diese Rolle bestens geeignet, seine Wortdeutlichkeit war vorbildlich – heute leider schon selten – er ließ auch in den Höhen keinen Wunsch offen. Kathrin Zukowski bot mit ihrem frischen, lyrischen Sopran eine feine Leistung, ihre Bemühungen und Sorge um den Vater war berührend. Auch Patricia Nolz als Palestrinas Schüler Silla konnte gut gefallen. Aus der umfassenden Riege der kirchlichen Würdenträger ragte vor allem Günter Groissböck als Papst Pius IV. heraus. Er wusste auch die kleine Rolle mit seiner fulminanten Stimme zu gestalten. Wolfgang Koch gab den Kardinal Borromeo mit ausreichender Bösartigkeit, Michael Laurenz war ein perfekter Intrigant Novagerio, Michael Nagy reüssierte als Kardinal Morone und Adrian Eröd bewies als Graf Luna seine Klasse als Charakterbariton.
Ein (zu) langer Abend der unterschiedlichsten Eindrücke endete mit verdientem, aber (zu) kurzem Applaus.
Johannes Marksteiner